SKATE – von wegen!

Vor Wochen hörte ich einen interessanten Vortrag zur beruflichen Neuorientierung. Der Referent erwähnte die unterschiedlichen Kompetenzen, auf die es seiner Meinung nach ankommt: SKATE – skills, knowledge, ambition, talent, experience. Nur ein Aspekt reiche nicht aus; alle fünf zusammen würden meine persönliche Eignung (auch für einen Job) beschreiben.

Skills: Was kann ich?
Knowledge: Was weiß ich?
Ambition: Wie viel Einsatz zeige ich?
Talent: Worin bin ich begabt(-er als andere)?
Experience: Wie viel Erfahrung habe ich?

Defizite in einem Bereich ließen sich demnach ausgleichen durch Qualitäten in einem anderen: Man könne durch Engagement – zumindest teilweise – fehlendes Talent ersetzen; und natürlich sei praktische Erfahrung manchmal entscheidender als theoretisches Wissen. So weit so gut, klang alles irgendwie unkompliziert.

Einige Monate später und mit realem neuen Job-Alltag weiß ich, dass es meistens anders kommt, als man denkt. Zum einen scheinen mein diplomatisches Geschick und meine Teamfähigkeit wichtiger zu sein als meine fachlichen Kompetenzen. Zum anderen kochen alle anderen eben auch nur mit Wasser.

Anders vorbei

Unserem Keller sieht man es kaum noch an, dass dieser sechs Wochen überflutet war: Alles steht wieder an seinem Platz; nur ein weißer Rand abgelagerter Salzkristalle an den Wänden erinnert an die Zeit der Gummistiefel. Ich lüfte viel – aber das mache ich sowieso und immer.

Auch die Wiesen und Feldern ringsum sind größtenteils wieder normal nass. Dennoch spürt man die Folgen des Hochwassers hier deutlich mehr als in unserem Keller: `Wo es lange sehr nass ist, wächst buchstäblich kein Gras mehr´, könnte man sagen. Für die Kühe meiner Freundin ist das höchst bedauerlich, die fressen nämlich gern Gras und machen daraus Milch. Weil es jetzt am normalen Futter mangelt, müssen sich die Bauern etwas einfallen lassen, um die Folgen des Hochwassers zu kompensieren. Otto Normalverbraucher dagegen bleibt von diesen komplett verschont: Denn im Supermarkt ist weiterhin immer gleich viel Milch zum gleichen Preis da – es sei denn, die Kühltheke geht kaputt.

Das nennt man wohl entkoppelte Verhältnisse …

(Ja, ich weiß, dass Märkte und Preise stabil sein müssen etc. Trotzdem erscheinen mir die Unwägbarkeiten irgendwie ungleich verteilt.)

Theoretisch gut vorbereitet

Mein Sohn will seinen Angelschein machen. Er hat die Anmeldegebühren bezahlt und lernt jetzt für die beiden Prüfungen: eine schriftliche und eine mündliche. Schriftlich ist rein theoretisch; mündlich geht es unter anderem darum, an Fisch-Attrappen zu zeigen, wie man das macht mit dem `Landen, Betäuben und Töten´. Wenn er alles richtig aufschreiben, erzählen und zeigen kann, bekommt er seinen Angelschein. Dann darf er in bestimmten Gewässern angeln gehen und ist theoretisch gut vorbereitet – und zwar praktisch ohne einen einzigen echten Fisch gefangen haben zu müssen.

Unhöflich? Kann sein, ist mir aber egal.

Ich verlasse ein Musical vor der Zugabe und verabschiede mich kurz von einem Bekannten. „Das ist aber unhöflich“, sagt er zu mir. Er hat recht, aber ich lächle nur und gehe trotzdem.

Erstens ist mir kalt: Ich bin noch immer ein bisschen nass von der Herfahrt durch den Regen.

Zweitens war ich zwar pünktlich hier, aber doch irgendwie zu spät: Auf den eilig hinzugestellten Stühlen außerhalb des Saals hört man ganz ordentlich, sieht aber nur wenig.

Drittens weiß ich, was sich gehört, und bleibe normalerweise immer bis zum Schluss. Selbst einen Kinosaal verlasse ich erst, wenn der Abspann durchgelaufen ist. Dieses Mal gehe ich früher – auch wenn mein Bekannter das als unhöflich empfindet. Es ist mir egal, was er von mir denkt, und auch, ob er meine Gründe verstehen oder gutheißen würde: Ich will nach Hause.

Schön ist anders

Ich komme oft an einem Garten vorbei, den ich rein optisch eher pragmatisch nennen würde als `schön angelegt´. Gerade im Moment ist er besonders karg: In den künftigen Gemüsebeeten befindet sich noch blanke Erde; dazwischen markieren ein paar Steinplatten die Wege – krumm und schief. Die Rasenfläche ist klein und wirkt vernachlässigt, das wird so bleiben: Ich weiß aus eigener Anschauung, dass der Schwerpunkt dieser Gärtner eindeutig auf dem Nutzgarten liegt.

Zwischen Gemüseabteilung und Rasenfläche `wächst´ ein Hibiscus-Busch: momentan mit vielen knallroten Blüten, einige voll aufgegangen, andere noch knospig. Es ist zwar schon frühlingshaft warm, aber für Hibiscus-Blüten ist es auf jeden Fall zu früh. Der Busch ist nicht echt, sondern ein reines Deko-Element aus Kunststoff.

Ich finde das interessant: Der Rest des Gartens ist total zweckmäßig; es scheint den Besitzern nicht wirklich um Attraktivität zu gehen. Das ist total in Ordnung. (Auch mir ist in mancher Beziehung `praktisch´ deutlich wichtiger als `schön´, sagen zumindest meine Kinder.) Und deshalb verstehe ich nicht, wieso diese Gartenbesitzer einen Plastik-Hibiscus in die Erde graben. Meiner Meinung nach passt er mit seiner künstlichen Makellosigkeit überhaupt nicht in diesen Garten – wirklich schön ist anders.

Auf jeden Fall gut trainiert

Zwei Kinder sind krank: Gliederschmerzen, festsitzender Husten, nächtliche Schwitzattacken, allgemeine Schlappheit. Ich empfehle das Übliche – viel trinken, ausreichend Schlaf, Vitamine. Trotz aller Bemühungen dauert es lange, bis es aufwärts geht; es scheint sich um einen hartnäckigen Infekt zu handeln. Ich halte mich nicht bewusst fern von ihnen und stecke mich trotzdem nicht an. Das hat wohl mit meinem gut trainierten Immunsystem zu tun, denke ich – und bin fast ein bisschen stolz darauf. Leider ist es erfahrungsgemäß so, dass ich einfach erst dann selbst krank werde, wenn alle anderen wieder gesund sind. Und das hat wohl eher mit meinem gut trainierten Muttersein zu tun. Mal sehen also, wie sich unser Krankenstand in den nächsten Tagen weiterentwickelt.

Kein Märchen

Es war einmal ein Mensch, der lebte in meiner Stadt. Er war nicht besonders umgänglich – den weichen Kern verbarg eine harte, abweisende Schale. Er war auch sehr allein; in seinem Leben gab es keine Familie und nur wenige Bekannte. Bei unseren Begegnungen wurde mir bewusst, wie ungleich Menschen im Leben zurechtkommen – aufgrund sehr unterschiedlicher Startbedingungen. Ab und zu sahen wir uns, dann zog er einige hundert Kilometer weg, in den Südosten der Republik. Wir blieben in Kontakt: Auf jeden Brief von mir schrieb er ein paar dankbare Zeilen per Mail. Ein paar Jahre hatte er einen Hund; außerdem besuchter er eine ältere Dame in seiner Nachbarschaft, bis diese ins Heim umzog.

Im letzten Jahr erwähnte er ein paar Mal, dass es ihm gesundheitlich nicht gut gehe und er kaum noch aus der Wohnung komme – dann kam plötzlich nichts mehr. Seither misslingt jeder Versuch, ihn zu kontaktieren; Briefe bleiben unbeantwortet, Mails kommen als `unzustellbar´ zurück. Wahrscheinlich ist er verstorben; ich hoffe, er war am Ende nicht so allein, wie sein Leben es vermuten ließ. Ich weiß, dass andere ihn als verletzend und herablassend wahrnahmen. Mir bleibt er ganz anders in Erinnerung: als jemand, der treu war, genügsam und sehr dankbar für freundliches Interesse.

Jedes Mal überraschend

Bei uns in der Nähe wohnt ein Hund, der meiner Meinung nach zu selten vor die Gartentür darf und deshalb jedes Mal neidisch ist, wenn ich vorbei spaziere. Hinter dem blickdichten Zaun ist er gut versteckt; nur an einer Stelle kann er sich aufrichten und ÜBER den Zaun schauen – und kläfft dann jedes Mal sofort laut los. Ich kenne das schon und gehe jedes Mal mit Abstand und entsprechend wachsam dort entlang. Und doch schafft der Hund es (fast) jedes Mal, mich doch zu erschrecken. Vorhersehbar reicht bei mir irgendwie nicht.

Gegen den Strom

Wer sich eine Weile gegen den Strom der Masse stemmt, muss nicht so weit zurückrudern, wenn sich herausstellt, dass die Masse auf einem Irrweg war … 

Die Krux mit dem Vergleichen

Auf meiner Laufrunde komme ich bei einer Bekannten vorbei; sie werkelt gerade in ihrem Garten herum. Es ist warm genug, so dass ich einen kleinen Zwischenstopp mit Plausch einlegen kann. Wir reden über dies und das. Ich hätte sie vor einiger Zeit motiviert, wieder regelmäßig laufen zu gehen, sagt sie: Im vergangenen Jahr habe sie dann noch ihre 1.000 Kilometer geschafft. Ich bin beeindruckt. Als ich weiterlaufe, überlege ich, wie viele Kilometer ich im Jahr schaffe – und komme `nur´ auf ungefähr 750 Kilometer. Sofort suche ich nach Erklärungen dafür, dass es nicht mehr sind: Ich bin wahrscheinlich zehn Jahre älter. Außerdem lege ich es nicht darauf an, die 1.000er Grenze zu knacken – und bin stattdessen aber wahrscheinlich zügiger unterwegs. Während meine Gedanken noch in dieser Richtung kreisen, werde ich innerlich still und denke: Es sollte mir egal sein. Seit Jahrzehnten laufe ich fröhlich und regelmäßig vor mich hin, ohne dass ich die Jahreskilometer auf dem Schirm habe. Die Leistung anderer ist ihre Sache und nicht relevant für MEINE Laufrunden. Ich bin nicht besser oder schlechter als sie, weil ich weiter, genauso weit oder kürzer laufe als sie!