Selbstgespräch in laut oder leise

„Ich bin so doof!“, rutscht es mir raus, und mein Sohn antwortet prompt mit „Du bist nicht doof, Mama!“ Schön – er meint es ernst. Denn er weiß, dass solche Aussagen hängenbleiben können. Das hat er von uns: „Redet euch keinen Quatsch ein, keine Lügen. Irgendwann glaubt ihr die selbst.“ Wenn ich mit mir allein bin, korrigiert mich niemand. Da muss ich selbst darauf achten, dass ich mich in einem Selbstgespräch nicht rund mache.

Unbeobachtet (und vor allem ungehört) schimpfe ich unbeherrschter, rege mich auf oder lasse meinem Unmut (relativ) freien Lauf: „Wie kann die sowas sagen – ich fass´ es einfach nicht.“ Seltener singe ich vor mich hin: „Ich bin so toll, das habe ich aber gut hinbekommen“, oder murmele laut: „Das fährt nur so langsam, weil er in Gedanken ist, geht mir auch manchmal so.“

Dabei denke ich (denke ich zumindest!!!) ausgewogen über Situationen nach, versuche zu verstehen, versuche, das Positive zu sehen. In lauten Selbstgesprächen ist die Ausgewogenheit weg. Ist doch komisch, finde ich. Leise bin ich netter.

Gespräche – wie sie funktionieren (oder auch nicht)

Wir sind eingeladen zu einem Fest. Viele Gäste kennen wir nicht. Ein wenig fehlt uns der Schwung zu neuen Kontakten; dennoch ergeben sich Gespräche, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Mein Mann sitzt neben einem älteren Herrn, der angeregt erzählt und erzählt und erzählt. Ein nicht enden wollender Monolog ist die Antwort auf eine einzige erste Frage meines Mannes. Es geht von ganz allein von einem Thema zum nächsten. Nach dem Fest: „Dagmar, wenn ich jemals so kommuniziere, sag´s mir.“

Ich selbst sitze mit einem jungen Mann am Tisch, der in einem Gestüt arbeitet – das interessiert mich. Ich stelle also Fragen. Jede wird brav beantwortet, aber darüber hinaus erhalte ich weder weitere Informationen noch Hilfen, den Gesprächsfluss in Gang zu halten. Jeder Impuls muss von mir ausgehen, und da ich mich dem Thema als eher Unwissende nähere, sind meine Fragen vor allem am Anfang ungeschickt eng gestellt. Schnell beantwortet. Und weiter geht’s. Die braunen Augen meines Gegenübers schauen freundlich und durchaus bereit, mit mir im Gespräch zu sein – allerdings nur reagierend. Ich gerate etwas unter Druck. Mit der Zeit erhalte ich eine Vorstellung von seiner Tätigkeit.

Als wir wieder zu Hause sind, schweigen wir uns wissend an. Wir sind beide k.o. – mein Mann vom Zuhören, ich vom Fragenstellen. Gespräche sind manchmal kein Selbstläufer!

Worte – geschrieben oder gesprochen

Ich kann Geschriebenes besser behalten, das war schon immer so. Wenn ich lernen musste, dann reichte mündlich nicht – in der Schule, im Studium; und auch heute bleiben Gedanken besser hängen, die ich mir aufschreibe. Die anderen verschwinden schnell im Hintergrund meines Gedächtnisses, sind oft nicht mehr so leicht abrufbar. Und: Ich bekomme lieber einen Brief als einen Telefonanruf, bin selbst schriftlich besser sortiert als mündlich.

Andererseits gehen gesprochene Worte tiefer, jedenfalls bei mir. Sie können sehr aufbauen (oder sehr verletzen). Je älter ich werde, umso mehr bleiben sie hängen: Ich weiß noch genau, wie unser Ältester vor drei Jahren zu mir kam. Ich saß weinend auf dem Sofa, weil ein mir lieber Mensch nahe am Sterben war: „Mama, lass Gott einfach machen“, hat er damals gesagt – und diese Weisheit eines 14-Jährigen hat mich unglaublich getröstet und mir wirklich geholfen, meine Sorge loszulassen.

Im Schriftlichen sind es Zusammenhänge und Gedankengänge, die klar werden und mich prägen. Im Mündlichen sind es einzelne Sätze, die treffen. Ich brauche beides.

Was die Stimme offenbaren kann

Ich höre, wenn jemand lächelt, während er redet. Sogar am Telefon. Andere können das auch, es ist keine Kunst. Ich finde es spannend, dass die Stimme so wenig verbergen kann, dass man lächelt. Zwar könnte ich nicht sagen, woran ich es höre, was sich anders anhört, aber ich höre es. Faszinierend. Höre ich genauso auch Wut? Ich glaube, ja. Oder Traurigkeit, die auch. Unsere Stimme ist ein offenes Tor hinein in unsere Gefühle – ob wir es wollen oder nicht. Vielleicht können Schauspieler die Stimme dahingehend modulieren, dass sie Gefühle vortäuschen oder unterdrücken können; Normalsterbliche können das nicht ohne weiteres, sondern nur, wenn sie sich bemühen. Oder?

Im normalen Tagesgeschäft begegnen mir andauernd Menschen (nicht digital!), denen ich nicht abspüre, in welcher Stimmung sie sich gerade befinden. Woran liegt das? Leben wir in einem Miteinander, in dem Gefühle keinen Platz haben? Ist unsere Gemeinschaft darauf ausgerichtet, nur Sachinformationen auszutauschen? Ich schätze, manches wollen wir gar nicht wissen, manche Gefühlsuntiefe ist auch nicht für jedermann; und die meisten Begegnungen sind kurz und bleiben oberflächlich.

Außerdem ist sich nicht jeder seiner eigenen Befindlichkeit bewusst. Ich kann mir vorstellen, dass das auch mit unserer Geschäftigkeit zu tun hat. Wir laufen im Erledigungsmodus durch unseren Alltag und funktionieren. Mal gut, mal weniger gut. Das ist nicht per sé schlecht: Manches muss einfach gemacht werden. Aber wir brauchen die Pausen, ganz sicher. Nicht um Nabelschau zu betreiben, sondern um Mensch zu sein. Dann sind Begegnungen möglich, in denen man die Stimmung hört – und im besten Fall reagieren und Anteil nehmen kann. Das ist wohl das, was wir menschliche Gemeinschaft nennen.

Ich freue mich jedenfalls immer, wenn ich jemanden lächeln höre…

Es lebe der Brief!

Briefe sind eine aussterbende Spezies. Nur selten bekomme ich einen, obwohl ich regelmäßig welche verschicke. Heute jedoch habe ich einen Brief bekommen. Ich bin einerseits versucht, ihn sofort zu öffnen – alles stehen und liegen zu lassen für diesen Brief. Denn: Es hat sich jemand die Mühe gemacht, an mich zu denken und den Stift zu nehmen und Papier und einzutüten, abzuschicken. Das ganze Paket. Ich bin jemandem wichtig genug für einen Brief!

Andererseits lasse ich den Brief gern noch ein bisschen liegen, ich hebe ihn auf. Für den Moment heute, an dem ich ihn nicht so dazwischen schieben muss, sondern in Ruhe lesen und genießen kann – vielleicht sogar zweimal, wenn er kurz ist oder inhaltsschwer oder beides.

Briefe können unterhaltsam sein, informativ, ein gutes Mittel gegen Langeweile, eine Form der Wertschätzung und oft eine Möglichkeit, anderen wirklich Anteil zu geben an Gedanken von „unter der Oberfläche“.

In jedem Fall ist ein Brief eine Art Unterhaltung, die heutzutage sehr selten geworden ist – und das nicht wegen der andauernd erhöhten Portogebühr. Hin und her dauert bei Briefen deutlich länger als bei Mails, SMS oder gar WhatsApp oder dem direkten Miteinander. Ein Brief-Gespräch läuft anders. Ich kann an einem Thema zwar nicht so zeitnah dranbleiben, aber ich kann mich diesem besser widmen, tiefer gehen, es manchmal durch die verflossene Zeit aus mehreren Blickwinkeln betrachten. Manchmal kann ich in Briefen mutiger Dinge ansprechen als von Mensch zu Mensch – und ebenso mutig und ehrlich (und in Ruhe!!!) auf etwas reagieren. Auch kenne ich eine, die formuliert einfach zu schön für „nur einmal ausgesprochen“. Von ihr bekomme ich besonders gern Briefe. Oder Postkarten. (Obwohl Postkarten eine ganz eigene Spezies sind.)

Irgendwann mache ich den Brief auf und freue mich. Noch ein bisschen später setze ich mich hin und schreibe eine Antwort. Es lebe der Brief!

Interpretiert, unterstellt oder wahr?

„Interessiert dich wahrscheinlich gar nicht“, murmele ich leicht frustriert und mein Mann reagiert aufmerksamer, als ich ihn im bisherigen Gespräch erlebt habe: „Aha, das weißt du also ganz genau, dass mich nicht interessiert, was du erzählst. Du weißt ja eh meist genau, was ich denke.“

Stimmt, denke ich, ich weiß es einfach. Woher? Keine Ahnung, aber ich bin mir meist ziemlich sicher, wie mein Mann findet, was und wie ich es sage – zu lang, zu ausführlich, manchmal auch zu sehr ein Thema behandelnd, zu dem er keine zwei Sätze finden würde. Woher nehme ich mein Wissen? Zum einen kann ich offenbar sehr gut zwischen den Zeilen lesen – eine Gabe, die er zumindest nicht sein Eigen nennt. Leider. Zum anderen schließe ich aus dem, worüber und wie er erzählt, darauf, was ihn interessieren könnte.

Wahrscheinlich liege ich oft ziemlich daneben mit meinen Schlussfolgerungen, wahrscheinlich irre und unterstelle ich. Auch interpretiere ich reichlich und bin dann sauer – letztlich, weil ich nicht die Reaktion bekommen habe, die ich mir erhofft hatte. Das liegt zum einen an einer in mir tief drin sitzenden Unsicherheit, zum anderen, dass er deutlich weniger (gern) redet als ich. Interessanterweise liegt die Abhilfe ganz nah. Ich könnte nachfragen: „Interessiert dich das?“ Wenn ja, ist gut, wenn nein, ist auch gut. Hat ja erstmal nichts mit meiner Person zu tun – kein Grund also, auch nur leicht frustriert zu sein.

Kommunizieren – wie – mit wem – wieviel?

Eine der letztlich sinnlosen Diskussionen mit dem Zweitgeborenen geführt: Wieso ist Kommunizieren heute etwas, was meist digital und möglichst andauernd passiert? Wieso kann man sich nicht in der Schule sehen, verabschieden und dann am nächsten Tag wieder miteinander reden? Dazwischen könnte man den Nachmittag gelangweilt auf dem Sofa, im Garten, beim Sport oder mit Freunden verbringen und abends nach dem Abendbrot ungehetzt noch ein wenig in der Familie präsent sein. Ist ja genug Familie vorhanden.

Stattdessen gibt es gefühlt einen steten Zug raus aus der Gemeinschaft hin zum Rechner oder – bei ihm bald – Handy. Da könnte ja jemand online sein und warten. Das Kind: „Weil ihr unsere Medienzeiten so begrenzt, wollen wir sie immer komplett ausschöpfen.“ Die Eltern: „Weil wir nicht wollen, dass ihr nur noch am Rechner oder Handy hockt, beschränken wir die Medienzeiten.“ Das Kind: „Ihr solltet da lockerer werden.“ Die Eltern: „Die ganz medienfreien Tage sind die schönsten, da ist das Zusammensein hier viel entspannter, eure Präsenz klarer.“

Der Erfolg unserer Maßnahmen sind immer wieder anstrengende Diskussionen, die in zwei Sackgassen enden. Das Kind: „Wir kommunizieren heute anders, findet euch damit ab.“ Die Eltern: „Wir wollen euch gern erleben lassen, dass man nicht nur so wie heutzutage kommunizieren kann – und auch nicht andauernd muss.“

Der von uns angebotene Kompromiss, es – ergebnisoffen (!!!!) – mal ein paar Tage „ganz frei“ in Sachen digitale Medien zu handhaben und dann aber gegebenenfalls wieder Begrenzungen einzuführen, stößt nicht auf Begeisterung. Wie machen das andere Eltern? Wenn wir den Kindern glauben, haben die anderen Eltern sich ALLE komplett aus diesem Thema zurückgezogen. Sie bieten „freie Medienfahrt für freie Kinder“. Sollen/können/wollen wir das glauben? Gibt es etwas dazwischen?

Als ich letztens seufzend (und Verständnis heischend) erwähnte, Elternsein sei ein bisschen „learning by doing“, folgte prompt: „Mama, ihr seid aber noch sehr stark in der learning-Phase.“

Wann, wenn nicht jetzt? Der richtige Zeitpunkt!

„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: …. schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit …“
Prediger 3, 1+7b

Leider gibt es bei uns die 21.30 Uhr-Regel. Zwar geht es mir manchmal gegen den Strich, aber eine Abmachung zwischen uns als Ehepaar lautet: Nach halb zehn werden keine wichtigen Gesprächsthemen mehr angesprochen. Aber auch tagsüber ist es bisweilen mehr als schwierig, den richtigen Zeitpunkt abzupassen: So wichtig kontroverse und konstruktive Streitgespräche der Eltern sind, so wenig brauchen sie den Nachwuchs als Zeugen oder Moderator. Und wenn es nur die Kinder wären! Nein, es gibt noch viel mehr Grund, Dinge nicht anzusprechen: Müdigkeit, Frust, Eile – um nur einige zu nennen.

Kurzfristig betrachtet kann ich mich darüber ärgern: Manche Dinge erscheinen so drängend, die müssen doch einfach raus! Ein Problem will unbedingt angesprochen werden, die Wahrheit muss auf den Tisch – Aufschub scheint unmöglich. In mir brodelt´s.
Langfristig gesehen weiß ich inzwischen, dass die Wahl des richtigen Zeitpunktes mehr als das Zünglein an der Wage sein kann: Hier entscheidet sich oft Erfolg oder Misserfolg eines Anliegens, der richtige Moment kann die Stimmung in die eine oder andere Richtung kippen lassen. Wann ich herausplatze mit welchem Problem, vermittelt manchmal Wertschätzung, manchmal Ignoranz.

Erst überlegen, dann reden – das entspricht wahrscheinlich nicht hundertprozentig meiner Persönlichkeit, kann aber schlau sein. Dringlichkeit ist dagegen oftmals ein schlechter Ratgeber. Irgendwo dazwischen liegt der richtige Zeitpunkt.

Kommunikation, nonverbal

Wir bringen den Jüngsten zu einem Freund und nutzen die Zeit für einen Ehepaar-Spaziergang. Auf dem Hinweg redet das Kind nonstop. Wir lächeln uns an – und freuen uns auf den stillen Rückweg. Je länger wir verheiratet sind, umso treffsicherer verständigen wir uns nonverbal.

Positiv daran: Die Kinder bekommen nicht alles mit. Mein Mann mit seiner sprachökonomischen Grundeinstellung freut sich über fast jede Rede-Pause. Die Erfahrung, dass wir uns ohne Worte verstehen, schafft Nähe.

Andererseits können sich negative Kommunikationsmuster breit machen. „Nutzt ja eh nix, noch was zu sagen – auf dem Ohr ist sie taub – der ändert seine Ansichten eh nicht mehr…“ Wenn ich Paare erlebe, bei denen sich eine gewisse Resignation eingeschlichen hat in die nonverbale Kommunikation, bin ich fest entschlossen, das nicht als unsere Zukunft zu akzeptieren.

Einzige Lösung: Miteinander reden, reden, reden. Zuhören, verstehen wollen, nachfragen, sich hinterfragen lassen, Rückmeldungen zulassen – auch wenn sie schmerzen. Nicht aufhören, ehrlich (!!!) über schwierige Themen zu sprechen, obwohl wir (vielleicht berechtigt) Angst vor Missverständnissen haben müssen oder die Ausgangs-Ansichten Welten auseinander liegen. Kommunikation – nonverbal – funktioniert nur, wenn wir die wirklich wichtigen Dinge verbalisieren.

Einfach mal die Klappe halten!

Ich habe die lästige Gewohnheit, manchmal die Sätze zu beenden, die mein Mann anfängt. Er hat die ärgerliche Gewohnheit, das überhaupt nicht lustig zu finden und mit meinen Satzenden nicht immer zufrieden zu sein: „Nein, das wollte ich nicht sagen.“ Mist.
Dabei muss ich mich fragen, wieso ich das überhaupt mache? Will ich ihm das Reden abnehmen? Wenn ich weiß, was er sagen wird: Warum ist es mir wichtiger, dass ich es tue, als dass er es tun darf? Denke ich, ich kann es besser? Es liegt nicht daran, dass er nicht gut reden oder sich nicht gut ausdrücken kann. Vielleicht ist er ein bisschen langsamer, als ich es wäre, formuliert anders, aber das ist eben sein Stil.

Ich muss zugeben, dass meine Motive weniger einer selbstlosen Hilfsbereitschaft entspringen als vielmehr dem sehr egoistischen Wunsch, mich selbst zu äußern. Ich will reden, ich will was sagen, ich will das Gespräch mit meinen Worten, meinen Formulierungen bereichern (füllen!). Abgesehen davon, dass es absolut unnötig ist, ist es noch dazu absolut unschön! Es ist „Ich, ich, ich will!“ anstelle von „Du darfst!“ Es ist rücksichtslos und überhaupt nicht wertschätzend. Und so will ich gar nicht sein.

Gewohnheiten kann man sich auch wieder abgewöhnen, ich weiß. Aktiv werden. Nicht reden, sondern schweigen – genauer gesagt: Einfach mal die Klappe halten!