Tutorials

Manchmal brauchen wir Hilfe. Wir können jemanden fragen, in Lexika schauen und seit einigen Jahren vermehrt „das Internet befragen“. Dort gibt es Antworten auf alle möglichen Fragen, Gebrauchsanweisungen zu allen möglichen Themen. Diese heißen Tutorials und es gibt sie gesprochen oder schriftlich. Wenn man etwas nicht weiß, sucht man sich eins und schwups – versteht man hinterher mehr. An sich ist das eine super Sache: Du kannst irgendwo am Rechner sitzen und dich schlau machen darüber, wie man bestimmte exotische Früchte aufschneidet, wie sich aus einer Aloe vera eine Hautlotion herstellen lässt, wie die Nabenschaltung am Fahrrad wieder zusammengebaut wird oder wie Computerprogramme funktionieren. Einige aus unserer Familie haben schon oft auf diese Form der „Nachhilfe“ zugegriffen – mit guten Erfolgen, vor allem was die Zeitersparnis angeht: Sich Dinge selbst beizubringen oder alles auszuprobieren, dauert einfach länger.

In letzter Zeit bin ich selbst des öfteren auf der Suche nach Informationen, die nicht im Lexikon stehen: Internetprogramme zum Beispiel ändern sich so schnell, dass man häufig nur im Netz aktuelle Gebrauchsanweisungen findet. Zudem ist meine persönliche Verständnis-Grenze (von wegen „selbsterklärend“) in technischen Fragen schnell erreicht. Also habe ich gegoogelt, meine Fragen in Chatrooms gestellt und Tutorials angeklickt. Leider musste ich feststellen, dass es Menschen gibt, die ihre Erklärungshilfe anbieten, obwohl sie nicht gut erklären können. Sie mögen sich auskennen auf „ihrem“ Gebiet, aber sie können ihre Ratschläge entweder nicht in Worte fassen oder bereiten sich nicht vernünftig darauf vor. Und das ärgert mich. Ich habe kein Recht, mich zu ärgern – die Informationen sind kostenlos und frei verfügbar. Aber dieser Dilettantismus im Internet, der geht mir auf den Keks. Da dreht jemand ein Video, der schlecht organisiert ist, zu schnell oder zu langsam redet, sich verzettelt und mich am Ende ähnlich ratlos entlässt, wie ich aufgeschlagen bin… (Und, nein, es hilft auch nicht, mehrmals dasselbe zu schauen!)

Die Zeit, die ich sparen will, muss ich dahinein investieren, das Tutorial zu finden, das mir tatsächlich weiterhilft.

Gesprächig

Unser ältester Sohn macht momentan ein Praktikum und geht morgens als Letzter aus dem Haus. Dementsprechend sitzt er allein – mit mir – am Frühstückstisch. Es interessiert mich, wie ihm sein Praktikum gefällt, wie lange er arbeiten muss, ob er nächste Woche tatsächlich die Abteilung noch einmal wechselt und warum er heute Obst mit Müsli isst. Er: „Mama, ich will dir mal was erklären. Es gibt Menschen, die morgens schon sehr gesprächig sind. Zu dieser äh … Sorte Menschen gehöre ich nicht. Wenn die gesprächigen die nicht so gesprächigen morgens ansprechen, ist es für beide anstrengend. Da wäre es dann besser, wenn man einfach mal den Mund hält.“

Ich muss lächeln, denn eine Erinnerung zieht durch mein Hirn: Studienzeiten in Freising. Ich habe nicht nur studiert, sondern auch gearbeitet. Meist bin ich morgens mit einer befreundeten WG-Mitbewohnerin aufgebrochen in unseren Gartenbaubetrieb zum „Schaffen“. Später, als ich geheiratet habe, hat sie mir ein selbst gedichtetes Lied vorgesungen. Auf Schwäbisch, denn sie „schwätzt halt so“. Eine Strophe darin lautet:

„Woisch no, wia mir boide zamma on Jaibling zum ersten Mal gfrühstück hend – es war so gega dreiviertel sechse, dass mir morgens do gsessa send.
Wia an Wasserfall hosch do scho gschprudelt, noch ra Frag aber glei erkennt, dass morgens früh zo sora Uhrzeit net alle Leit so gschprächig send.“

Der Kern der Persönlichkeit ist unveränderlich, vielleicht sogar genetisch. Allerdings scheint Gesprächigkeit nicht dominant vererbt zu werden.

Wiederkehrend

Ich gratuliere gern schriftlich – zu Geburtstagen, Hochzeitstagen und so weiter. Die Karten, die ich schreibe, sind meist nicht ganz kurz und gehen immer über den Standardwunsch „Herzlichen Glückwunsch zum …“ hinaus. Oft fließt in meine Wünsche hinein, was mir für den Betroffenen wünschenswert erscheint, aber auch, was mir selbst wichtig wäre. Dabei wandeln Wünsche sich im Laufe der Zeit: Über „einen guten Berufseinstieg“ oder „Erfüllung und Nähe in der noch jungen Beziehung“ sind wir in unserem Alter hinaus, bei „beste Gesundheit“ sind wir noch nicht ganz angekommen. Was wir uns wirklich wünschen, wird jedoch mit den vergehenden Jahren überschaubarer.

Während ich also eine weitere Karte schreibe, frage ich mich manchmal, ob ich im vergangenen Jahr dasselbe geschrieben und gewünscht habe: „Gute Prioritäten“ oder „eine gute Mischung aus Arbeit und Freizeit“, „Freude am Job“ oder „einen guten Draht zu den halberwachsenen Kindern“ – all das sind gute Wünsche, aber Jahr für Jahr? Ich kann nur hoffen, dass ein Jahr reicht, meine gut gemeinten Wünsche vom letzten Jahr zu vergessen, und die Karte mittlerweile ohnehin schon wieder den Weg aller Karten gegangen ist – über den Papiermüll, durch die Recycling-Anlage hinein in ein neues Leben als leere Postkarte.

Beredtes Schweigen

Manches Schweigen ist einfach nur nervig. Da fragt man was, da sagt man was – und es kommt keine Antwort. Warum auch immer. Mir geht das auf den Keks. Vielleicht weil ich selbst ungern eine Antwort schuldig bleibe.

Etwas ganz anderes ist beredtes Schweigen – doch das beherrschen nur wenige Leute. Gemeint ist ja nicht ein Stillsein mit Augenrollen, das meist einen Hauch von Verachtung in sich trägt. Auch nicht gemeint ist ein Nicht-Reagieren, mit dem man den anderen zappeln lässt: „Dazu sage ich jetzt nichts, vielleicht später, wart mal noch ein Weilchen.“ Es wird gern als Macht-Demonstration eingesetzt.

Beredtes Schweigen ist das, was mir von einem schlauen Menschen bisweilen entgegenschlägt, wenn ich nach langem Überlegen, Abwägen, Zögern wortreich zu derselben Erkenntnis gelangt bin wie er. Manchmal ist es mir peinlich, dass ich so lange gebraucht habe. Öfter freue ich mich einfach nur über das stille Einvernehmen.

(Fast) alles falsch

Eine unserer Töchter kam kürzlich mit zwei Arbeiten von der Schule nach Hause. Chemie und Physik – wir wussten vorher, dass das nicht ihre starken Fächer sind. Das Ergebnis: in beiden Fällen (fast) alles falsch.

Weil sie ziemlich geplättet war, den Tränen nah, wollte ich trösten, aufbauen, ermutigen.

„Ist nicht so schlimm, nimm´s dir nicht so zu Herzen“, sagte ich. Falsch, denn: „Ich will aber keine 4 auf dem Zeugnis haben, Mama, Chemie ist epochal.“

„Du kannst doch nächstes Mal vorher fragen, damit du das Thema verstehst“, sagte ich. Falsch, denn: „Ich dachte doch, ich hatte es verstanden. Ich dachte, ich kann das!“

„Du kannst ja das Wochenende nutzen, dir von deinem Bruder Chemie und Physik erklären zu lassen“, sagte ich, „oder auch zu mir kommen. Ich gebe mein Bestes.“ Falsch, denn: „Ich kann aber nicht den ganzen Samstag Chemie und Physik lernen. Das verdirbt mir ja das ganze Wochenende.“

Alles, was ich gesagt habe, war falsch. Was wäre richtig gewesen? Ich habe keinen Schimmer. Nächstes Mal halte ich die Klappe – eine Option, die für meine Tochter in ihren Chemie- und Physikarbeiten nicht ohne unangenehme Folgen bleibt.

Anders als früher

Wenn ein Kind geboren wird, hat die Mutter es in der Hand, wie wichtig sie für ihr Kind ist. Wenn ich als Mutter die Beziehung zu meinem Kind will und da bin, werde ich DIE Bezugsperson schlechthin sein und der Mensch, an dem es sich hauptsächlich orientiert. Bei uns hieß das: Sobald es Worte gab, war ich die Anlaufstelle für alles: „Mama, ich muss dir was erzählen.“

15 Jahre später frage ich einen meiner Söhne, mit wem er über wichtige, persönliche Dinge reden würde. Die Antwort: „Mit dir am allerwenigsten!“

Schmeckt erstmal bitter, ist aber eine gute Entwicklung – so muss es sein.

Wer weiß: Vielleicht wird es in weiteren 15 Jahren wieder mehr Gesprächsbedarf von seiner Seite geben. Es liegt nicht mehr in meiner Hand, aber ich bin da.

Körpersprache

Wir kommunizieren nicht nur mit Worten oder ohne sie, wir verständigen uns zusätzlich durch Körpersprache. Es gibt viele gute Bücher darüber. Sie sind hochinteressant und die Augen öffnend, was „noch so“ kommuniziert wird. Manches davon – das meiste? – läuft unbewusst, glaube ich.

Mein Mann liest sich gerade durch einen Stapel derartiger Bücher und findet sie genau das – hochinteressant und seine Augen öffnend. Jeden Abend geht er mit einem Grinsen im Gesicht ins Bett. Um manches Wissen reicher.

Und ich? Ich könnte mich durchschaut fühlen und eher analysiert als gesehen. Und mich fragen: „Interpretiert er mich richtig oder nicht?“ Ich weiß es nicht. Glücklicherweise ist es mir ein bisschen egal – derzeit. Weil ich gerade dieser Tage etwas Neues lerne, bin ich zu beschäftigt, als dass ich meine Botschaften in Körpersprache umwandeln könnte. Bei mir gilt gerade: Was du siehst, ist, was du bekommst.

Um das komplexe (und hochinteressante) Thema Körpersprache kann ich mir erst wieder Gedanken machen, wenn die Bücher wieder in der Bibliothek sind …

Meine kleine Schwester

In einer Mail an mich und eine dritte Person bezeichnete mich unlängst mein Bruder mit „meine kleine Schwester“ – wohl auch um mich zu unterscheiden von seiner großen Schwester. Interessanterweise fand ich diese Formulierung merkwürdig. Wie aus der Zeit gefallen. Ich selbst würde wahrscheinlich nicht „mein großer Bruder“ über ihn sagen, sondern einfach nur mein Bruder. Zwar fühlte ich mich nicht diskriminiert, aber – irgendwie kleiner.

„Klein“ oder „groß“ spielt in unserem Alter keine Rolle mehr, oder? Ich bleibe immer die kleine Schwester meines Bruders und meiner Schwester, aber es ist irrelevant. Oder?

In dem Umfeld, in dem ich seit über 20 Jahren lebe, bin ich in erster Linie Dagmar. Viele meiner Bekannten wissen gar nicht, dass ich überhaupt Geschwister habe. Meine gesamte Vergangenheit spielt keine Rolle. Scheinbar. In Wirklichkeit ist meine Vergangenheit immer Teil von mir und hat mich zu der Dagmar gemacht, die ich heute bin. Sogar dass ich jemandes kleine Schwester bin, wird sicher deutlich in meinem Leben, auch wenn ich es nicht bemerke. Es sei denn, mein Bruder bezeichnet mich so.

Nicht vom Mond, aber fast

„Du kannst mir ja eine Mail schreiben“, sage ich und bekomme zur Antwort: „Du hast sogar eine E-Mail-Adresse?“ Wie bitte? Bin ich das gerade wirklich gefragt worden? Welchen Eindruck hinterlasse ich in meinem Umfeld? Ich bin geschockt. „Bei dir war ich mir nicht sicher; es hätte mich nicht gewundert, wenn du keine hättest“, lautet die Begründung.

Dabei habe ich schon ganz lange eine E-Mail-Adresse, ich nutze sie auch. Ich bin nur auf andere vorbeifahrende Züge nicht aufgesprungen wie WhatsApp oder Facebook oder Instagram. Bei E-Mail bin ich stehengeblieben und schätze die Möglichkeiten der weltweiten Verständigung über diesen Austausch-Dienst (oder wie man das am besten nennt). Für Europa ist ja auch die gute alte Post ausreichend.

He, Leute, ich bin nicht total vom Mond, ich bin nur aus dem letzten Jahrhundert!

Liken, disliken, haten

„Wer unvorsichtig herausfährt mit Worten, sticht wie ein Schwert; aber die Zunge der Weisen bringt Heilung.“
Sprüche 12, 18

„Ich verstehe das nicht: Haben die nichts besseres zu tun, als youtube-Videos zu schauen, die sie nicht mögen, und diese dann hinterher zu ´haten`?“, kommentiert meine 14-jährige Tochter das Verhalten von Internet-Nutzern, die sich – meist im Schutze der Anonymität – geradezu verächtlich über die kreativen Bemühungen anderer Internet-Nutzer auslassen.

Es ist nicht so, dass meiner Tochter alles gefällt – keineswegs. Sie ist durchaus in der Lage, sich kritisch zu äußern. Aber es liegt ihr fern, etwas verbal runterzumachen. Sie weiß schon, wie sehr abfällige Äußerungen schmerzen. Und sie weiß, dass Lob ermutigt.