In Ordnung? Ja!

Ich gebe mir Mühe mit einem Text; mein größter Kritiker bin ich selbst. Hier etwas kürzen, dort eine treffendere Formulierung – es geht immer noch ein bisschen besser, jedenfalls für meinen Geschmack. Besagter Text ist der erste für diesen Auftraggeber, weshalb ich unsicher bin, was genau von mir erwartet wird. Ich möchte es sehr gut machen. Irgendwann erkläre ich mein Werk für abgeschlossen und schicke es los.

Erfreulicherweise bekomme ich sehr schnell eine Antwort: „Der Text ist in Ordnung so“, steht da und dann noch einige Erklärungen, wie es jetzt weitergeht. In Ordnung?, denke ich und bin ganz erstaunt, was das mit mir macht. Einerseits bin ich erleichtert: Keine Kritik, kein Wunsch nach einem anderen Stil, eventuell nötige Kürzungen würden sich ausschließlich aus Platzgründen ergeben. Andererseits spüre ich eine leise Enttäuschung. `In Ordnung´ ist mir als Standard für meine Arbeit zu wenig – und klingt nicht nach sehr gut.

Vielleicht geht es der Erst-Leserin in ihrer Rückmeldung gar nicht um eine Bewertung meiner schriftstellerischen Leistung. Stattdessen zählt eventuell (zunächst) nur, dass ich die Sprache ihres Unternehmens treffe. Möglicherweise liest sich mein Text auch einfach nicht sehr gut, obwohl ich mir Mühe gegeben habe.

Wie geht es jetzt für mich weiter? Werde ich in Zukunft weniger Zeit und Mühe investieren, weil das auch reicht? Wonach richte ich mich hinsichtlich des Anspruchs an meine Arbeit? Ein Vers hilft mir, an meiner Perspektive festzuhalten: „Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, denn ihr wisst, dass ihr von dem Herrn als Lohn das Erbe empfangen werdet. Dient dem Herrn Christus!“ (Kolosser 3, 23+24) Ich habe mehr investiert, als für `in Ordnung´ nötig gewesen wäre – und Gott weiß das. Das reicht mir!

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?

Immer häufiger passiert es mir, dass Menschen nicht antworten. Bei Briefen ist es mittlerweile ohnehin total unüblich – wer schreibt schon noch Briefe? Aber auch Mails bleiben oft unbeantwortet, selbst wenn das der einzige Kommunikationsweg ist, den wir nutzen. Diese kommunikative Zurückhaltung irritiert und ärgert mich; sie existiert privat und beruflich. Besonders nervig ist sie im Geschäftlichen: Wenn ich eine Rechnung stelle oder eine Arbeit abliefere, kommt von manchem – eine Weile gar nichts. Kein `Es dauert noch, tut mir leid!´, keine Rückmeldung, stattdessen nur Stillschweigen. Erschreckenderweise gewöhne ich mich immer mehr daran und rechne damit, dass ich nicht mit einer Reaktion rechnen kann. 

Kürzlich erfuhr ich, dass es auch anders geht: Eine Bekannte rief mich an wegen eines Jobs. Ich solle darüber nachdenken, sie sei jetzt erstmal im Urlaub. Zwei Wochen später schrieb ich eine Mail, ob wir uns treffen könnten. Umgehend kam die Antwort: „Ja, gern“, hieß es, „ich bringe Ordnung in mein Nach-Urlaubs-Chaos und melde mich in den nächsten Tagen.“ Das tat sie; wir trafen uns und einigten uns auf ein Schnupperarbeiten. Auch den Termin dafür habe ich inzwischen abgemacht, und zwar mit ihrer Kollegin, die sich deswegen bei mir meldete. Ich war jedes Mal überrascht und bin beeindruckt von der verlässlichen Kommunikation. Sie sollte normal sein, wirkt auf mich aber wie ein selten gewordenes Gütesiegel. 

Ich war nicht gemeint …

Kurz vor dem Ende meiner Laufrunde muss ich eine Straße kreuzen, auf der viele Autos an der Seite parken. Von vorn kommt ein Mercedes; der Fahrer macht das Aufblendlicht an und will mich offenbar durchlassen. Ich lächle und will mich winkend bedanken, da kommen mir Zweifel – und ich schaue mich um. Siehe da, hinter mir ist ein anderes Auto auf Kollisionskurs, dessen Fahrer eine Ausweichmöglichkeit zwischen den parkenden Autos sucht. IHM will der Mercedes-Fahrer die Vorfahrt gewähren, nicht mir.

Bis die beiden das unter sich ausgemacht haben, bin ich über die Straße und weg. Es wäre sehr aufmerksam und rücksichtsvoll gewesen, denke ich, aber ich war nicht gemeint … 

Gern wieder!

Wir besitzen nur ein Auto und das steht tagsüber auf dem Parkplatz vor dem Büro, in dem mein Mann (seit einigen Monaten) seine Arbeitstage verbringt. Wenn ich während dieser Zeit für irgendetwas ein Auto brauche, muss ich mir eins leihen. Nicht jeder verborgt seinen fahrbaren Untersatz gern und bereitwillig; man hört das an den zögerlichen Reaktionen: Sie sind nicht eindeutig ablehnend, aber weder herzlich noch einladend. Es ist nicht leicht für mich, trotzdem darum zu bitten. Diese Woche fragte ich eine Freundin, die mir bisher aus unerfindlichen Gründen nicht eingefallen war. „Na, klar, wann brauchst du es“, war ihre spontane Antwort und einige Augenblicke später: „Soll ich dich fahren? Dann musst du das Auto nicht holen und wiederbringen.“ Soweit ging meine Bequemlichkeit dann doch nicht: Ich holte das Auto ab und stellte es zwei Stunden später wieder vor ihre Tür. „Gern wieder!“, schrieb sie mir am Abend und ich dachte: Genau!

Der Ritterschlag

Seit einiger Zeit löse ich das ZEIT-Rätsel und schicke meinem Schwiegervater mein Ergebnis per Mail – teilweise mit kleinen Lücken. Gern hilft er mir bei dem, was mir bis zuletzt unklar geblieben ist. Er hat mehr Erfahrung im Um-die-Ecke-Denken und ein breiteres Allgemeinwissen. „Nicht verzweifeln“, schrieb er mir ganz am Anfang und nach meinem dritten gelösten Rätsel: „Du machst dich.“ Vorgestern durchzuckte mich ein Geistesblitz, eine nachträgliche Erklärung für ein Lösungswort, das sich `so ergeben hatte´. Als ich meinen Schwiegervater daran teilhaben ließ, schrieb er zurück: „Eine sehr gute Idee, ich kann viel von dir lernen.“ Der Ritterschlag.

Keine Pronomen! Und wieso ist das wichtig?

In einer Zeitschrift lese ich kurze Portraits von jungen Studenten in Sachsen, die von sich erzählen: was sie machen, was ihnen wichtig ist, wo sie sich engagieren, ob sie in der Stadt bleiben oder aufs Land zurückgehen möchten. Zwei von ihnen schreiben gleich nach ihrem Namen: „… ich benutze keine Pronomen …“ Das bedeutet meines Wissens, dass sie sich als non-binär definieren, eine geschlechtliche Zuordnung (oder Nicht-Zuordnung). Ich frage mich, warum sie das erwähnen. Keine(r) von den anderen schreibt, dass er oder sie ein Mann oder eine Frau ist.

Die Information zum jeweiligen Geschlecht ist ja auch total unwichtig in dem Zusammenhang – und im Grunde überhaupt. Sie ist irrelevant dafür, was man studiert, wofür man sich engagiert, welche Hobbys man hat und auch ob man lieber auf dem Land oder in der Stadt wohnt. Meiner Wahrnehmung nach kämpfen Menschen, die sich keinem eindeutigen Geschlecht zuordnen wollen, genau dafür: dass dieses eben keine Rolle spielt. Daher empfinde ich es als paradox, dass sie sich dennoch so explizit über ihre Geschlechtlichkeit definieren.

Vom erfolgreichen Schreiben?

Im wöchentlichen Wechsel schreiben Journalisten einer Tageszeitung einen Newsletter. Diese Woche kommt einer der freien Mitarbeiter zu Wort. Ich `kenne´ ihn; er ist einer derjenigen, deren Texte ich ganz gern lese – auch wenn sie meist etwas zu lang sind für meinen Geschmack. Bisher hat mich das nicht sehr gestört, aber dieser Newsletter gibt mir zu denken: Hierin beschreibt besagter Autor in epischer Breite einen seiner Tage, an denen er nichts Vernünftiges zu Papier bringt. Er braucht etwa 11.000 Zeichen dafür. Schon die ersten 2.000 Zeichen bestätigen eine Vermutung, die ich schon länger hege: Wenn man erst einen gewissen Namen hat als Autor, kann man buchstäblich schreiben, wie man will und wird dafür gefeiert. Das ist an sich nicht schlimm; vor der Narrenfreiheit, die mit dem Ruhm kommt, sind wohl gerade erfolgreiche Schreiber nicht gefeit. Wäre ich an ihrer Stelle, würde mir der Ruhm sicher auch zu Kopf steigen – und sich negativ auf die Güte meiner Arbeit auswirken. Ich hoffe jedoch, ich wäre nicht auch noch stolz darauf und es wäre mir peinlich, damit hausieren zu gehen!

Ausgesprochener Vorteil

Spontan werfe ich nicht nur mein Kärtchen in den Briefkasten, sondern klingele, um persönlich zu gratulieren. Das Geburtstagskind freut sich und bittet mich herein; drei andere Spontan-Gäste sitzen schon bei Sekt und/oder Kaffee. Wir kennen uns nicht und fragen uns, was wir machen. „Ich bin Texter“, sage ich und werde sofort unterbrochen: „Texterin heißt es – ich bin Gleichstellungsbeauftragte!“ Ich bin perplex und würde gern widersprechen, lasse es aber: Geburtstagskinder dürfen mehr als andere.

Hinterher googele ich, was eine Gleichstellungsbeauftragte so macht – und in wessen Auftrag. Sie `hat allgemein die Aufgabe, die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen´, lese ich im Internet. Offenbar umfasst die Tätigkeit, Vorteile auch durch Sprache zu gewährleisten – im Job und privat. Was aber, wenn ich als Frau keinen Wert darauflege? Wenn ich mich selbst nicht als Ingenieurin bezeichne, sondern als Ingenieur, als Texter und nicht als Texterin, als Rad- beziehungsweise Autofahrer oder Fußgänger …? Muss ich aus Rücksicht auf alle anderen, die eventuell Wert darauflegen, mitmachen bei dieser Art bemühter Gleichbehandlung? Ich weiß es nicht, lasse mir aber ungern vorschreiben, was oder wie ich zu reden habe – und sei es noch so sehr zu meinem Vorteil.

Weise Worte? Was man eben so sagt …

Es ist nicht zu fassen, wie alt wir aussehen, wenn wir versuchen, in den Mokassins eines anderen zu laufen. Denn stattdessen sind wir Meister darin, uns um uns selbst zu drehen. Dabei wäre es klug, öfter mal die Perspektive zu wechseln und etwas Neues auszuprobieren, denn: Wer nicht wagt, gewinnt nicht. Vorsicht mag zwar besser sein als Nachsicht, andererseits gilt, dass Mut sich auszahlt. Im schlimmsten Fall macht man sich die Hände schmutzig und lässt Federn. Wo gehobelt wird, fallen nun mal Späne. Dafür steht am Ende vielleicht die Einsicht, dass andere auch nur mit Wasser kochen und das Gras hinterm Zaun doch nicht grüner ist als der eigene Rasen. Deshalb: Einfach niemals nie sagen wäre schon eine großartige Idee, die das ganze Leben verändern kann.

Obwohl Alter (angeblich?) nicht vor Torheit schützt, sollten gerade Ältere sich nicht in ihrem Tatendrang bremsen lassen. Von den Jungen können sie lernen, dass nicht nur frühe Vögel Würmer fangen – selbst wenn Morgenstund tatsächlich Gold im Mund haben sollte. Mit Dienst nach Vorschrift holt man niemanden hinterm warmen Ofen hervor. Alternativ wäre Mut zur Lücke eine gute Idee: die Beine in die Hand nehmen und alles auf eine Karte setzen. Viele Wege führen nach Rom – und auch der weiteste beginnt mit dem ersten Schritt. Außerdem sind die meisten Wege ohnehin schon das Ziel, Übung macht den Meister und am Ende kommt sowieso alles, wie´s kommt! Oder aber auch ganz anders!

Phasenweise grüß-bar

Manche Menschen lassen sich einfach nicht grüßen; ich weiß nicht, woran es liegt. Wir kennen und er-kennen uns, aber sie grüßen einfach nicht zurück. Da sind zum einen ein paar ältere Leute aus der Nachbarschaft, die ernst und unzufrieden wegschauen: zumindest, wenn ich ihnen begegne. Die andere Gruppe der nicht Grüßenden bilden Teenagern, die ich über meine Kinder kenne. Als sie noch jünger waren, sagten sie höflich `Guten Tag´ – wahrscheinlich auf Hinweis ihrer Eltern. Sind sie zunehmend allein unterwegs, schauen sie geflissentlich an mir vorbei oder tun so, als würden sie mich nicht kennen. Erfahrungsgemäß wächst sich das aus; trotzdem finde ich es irgendwie blöd. Ich hoffe, dass meine Kinder die eine Phase übersprungen haben – und ich in die andere nicht hineinrutsche.