Nur das nicht!

„Ich möchte nicht nur mit den Kindern zu Hause bleiben …“, sagt eine junge, (noch) kinderlose Frau zu mir. Sie weiß, dass ich lange nicht berufstätig war; in der Vergangenheit sprach sie immer positiv von dem, was ich `geleistet habe´. Wahrscheinlich war das ernst gemeint und dennoch wirkt sie jetzt fast entrüstet: Nur mit den Kindern zu Hause bleiben, das klingt nach sehr wenig und kann einem nicht reichen – ihr jedenfalls nicht.

Eventuell gehört sie zu den Frauen, die gern berufstätig sind und (oder: weil sie) ihren Traumjob gefunden haben. Vielleicht geht es ihr auch darum, selbst Geld zu verdienen für all das, was man heute so braucht. Alles ist in Ordnung – bis auf das Wörtchen `nur´, es stört mich. Ich würde niemandem sagen: `Eh, du gehst nur ins Büro, arbeitest nur bei der Müllabfuhr, bist nur Lehrer für Kunst …´

Nur macht aus mit den Kindern zu Hause eine Tätigkeit, die auf keinen Fall gleichwertig ist zu anderen Jobs. Unabhängig davon, ob und wofür das Geld am Ende des Monats reicht oder nicht, was (nebenbei gesagt) vollkommene Privatsache ist: Sich ohne Entgelt um den eigenen Haushalt und Kinder zu kümmern (ob als Vater oder Mutter) hat keinen Wert an sich. Es sei denn, man bemüht sich um Haushalt und Kinder anderer Menschen und bekommt dafür Geld. Das eine ist offenbar Arbeit und das andere nicht – ich verstehe nur nicht, wieso.

Irgendwie keine gute Idee

„Ein Tattoo hat nur Nachteile: Es kostet, tut weh und du wirst es nicht wieder los“, sagt meine Freundin, „und wenn man dann so alt ist wie wir, sieht es aus wie ein zerknittertes Gemälde.“ Ich finde auch, dass es bessere Ideen gibt, seinen Körper aufzuhübschen. 

Tolles Material – und wunderbar weich!

Im Geschäft stehe ich vor den Sommerkleidern und suche ein reduziertes, auf das ich im Internet gestoßen war. Leider finde ich es nicht, sondern hauptsächlich nicht-reduzierte Modelle – noch dazu nicht ganz in meiner Größe. „Das ist ein ganz tolles Material“, sagt die Verkäuferin, „der Stoff fließt wunderbar und ist ganz weich.“ Damit hat sie recht und ich gehe mit zwei Teilen in die Kabine. „Sitzt es?“, klingt es mir hinterher. Ich finde das erste Kleid zu groß und zeige, wo und warum. Das müsse so sein, lautet die Antwort: „Sie könnten ja diese Falte hier mit ein paar kleinen Stichen fixieren, das kann man machen.“ Sicher nicht, denke ich; ich möchte, dass es ohne Nacharbeiten passt.

Die Verkäuferin sieht mein Zögern und legt nach: „Das ist ein ganz tolles Material, der Stoff fließt wunderbar und ist ganz weich.“ Aha, genau, das stimmt, aber auch das zweite Kleid passt mir nicht wirklich – diesmal sind es Farbe und Preis. „Ich schau mal, ob das reduzierte Kleid, das Sie suchen, noch in einer anderen Filiale verfügbar ist“, sagt die Verkäuferin und geht zum Computer. Eine Kollegin hilft – jetzt kümmern sich zwei Damen um mich: „Das ist ein ganz tolles Material …“ Ich weiß, ich weiß, so langsam geht mir dieses geschäftstüchtige Gerede auf den Keks. Ein paar Minuten später verabschiede ich mich; meine Bestellung ist auf dem Weg. In einer Woche rufen sie mich an, aber mit `wunderbar weich´ sollte mir dann bitte keiner kommen!

Eine Kleinigkeit – gehört sich trotzdem nicht

Ich sitze mit einer Freundin in einem Café. An einem der anderen Tische sitzen ebenfalls zwei Frauen. Einer von beiden rutscht die Serviette aus der Hand – sie lässt sie auf den Boden fallen und winkt ab. Servietten-Müll wird morgen nicht mehr hier liegen; irgendwer muss diese Serviette aufheben. Das weiß ich und die Frau weiß es auch, aber offenbar ist es ihr egal. Die ganze Situation dauert keine 20 Sekunden. Später wird einer der Kellner die Serviette aufheben und sich nichts dabei denken – verglichen mit anderen Dingen ist das eine Kleinigkeit. Kann alles sein. Aus meiner Sicht ist ein derartiges Verhalten dennoch vollkommen ungehörig.

Im Schatten

Da wird ein Schwede, mal wieder, erst Olympiasieger im Stabhochsprung und verbessert dann seinen eigenen Weltrekord auf die beachtliche, wahnwitzige, fast unvorstellbare Höhe von 6,25m. Der Zweitplatzierte freut sich über 5,95m – ebenfalls sehr hoch, aber eben doch deutlich darunter. Und ich denke an die vielen Sportler, die irgendwie im Schatten anderer stehen.

Solange Manuel Neuer zwischen den deutschen Fußballpfosten hin und her springt, bleibt für Sven Ulreich (beim FC Bayern) und Marc-André ter Stegen (in der Nationalmannschaft) eben oft nur die Bank.
Und so sehr sie bewundert und geschätzt wird: So manche junge Frau wünschte sich vielleicht, nicht gerade zur selben Zeit wie Simone Biles nach Turn-Sternen greifen zu wollen …

Und das sind nur die, die es bis nach ganz oben schaffen. Wie viele großartige Sportler müssen sich mit dem Schattenplatz des Ewig-Zweiten zufriedengeben oder die (Ersatz-)Bank drücken? Der Unterschied zwischen Ruhm und Ehre auf der einen Seite und dem zweifelhaften Glanz des Vizes liegt wahrscheinlich selten an einem `nicht gut genug´. Manchmal ist es einfach nur unverschuldetes schlechtes Timing, das einem den Weg in die Sonne des Erfolgs versperrt.

Olympia

Was würden wir machen ohne große Sport-Ereignisse wie Olympia? Wir hätten mehr Zeit für laue Sommerabende auf der Terrasse und weniger Anlass für Nationalstolz; wir hielten uns selbst für ziemlich sportlich und wüssten weniger darüber, wie leistungsstark der menschliche Körper tatsächlich sein kann. Ob Sport uns interessiert oder nicht: Eine Olympiade ist eine tolle Sache!

Gespräch, fortlaufend und improvisiert

Die Kundin vor mir packt ihre Waren ein und spricht nebenbei mit der Kassiererin – es geht um Urlaub. Die Frau an der Kasse hatte schon im Juni ein paar Tage frei und wird im September nach Usedom fahren. Sie würden die Räder mitnehmen, sagt sie und: „Hauptsache trocken.“ Mittlerweile bin ich aufgerückt und erwähne, dass sich das Wetter an der See ja immer sehr schnell ändern würde, manchmal auch zum Guten.

Die Kundin vor mir zieht los; das Gespräch läuft weiter. Ich erwähne unsere diesjährige Route nach Rügen. „Wir fahren auch immer so“, sagt die Kassiererin, „bis Ludwigslust auf der Landstraße, dann weiter auf der A20.“ Das sei so entspannt. Ich nicke und bezahle. Die Kundin nach mir schaltet sich ein und sagt, dass man bis Ludwigslust erstmal kommen müsse.

Was noch gesagt wird, höre ich nicht mehr; ich steige aus. Das Gespräch läuft weiter – mit einer gewissen Eigendynamik. Es ist ein bisschen wie im Improvisations-Theater: mit der Kassiererin als dem einzigen festen Ensemblemitglied.

Ein besonderer Tag

Weil ich nachts wach gelegen habe, starte ich ziemlich müde in meinen Tag. Vor mir liegt ein buntes Portfolio an Dingen, die ich tun muss, sollte oder möchte: diverse Schreibtisch-Jobs einerseits und dazu profaner praktischer Kram. Die Reihenfolge bleibt mir überlassen; das ist nicht immer eine gute Sache. Ich fange einfach `irgendwo´ an und hoffe, dass ich am Ende des Tages einiges geschafft haben werde.

Im Laufe des Tages springe ich vom Schreibtisch zum Wäscheständer, fahre einkaufen und führe ein Telefon-Interview; nochmal Wäsche, außerdem saugen und bügeln – und wieder ein bisschen schreiben. Es fühlt sich an wie ein großes Durcheinander und die Zeit verfliegt. Nach und nach landen immer mehr Projekte in der Kategorie `erledigt´.

Es gibt Tage, an denen mir ein derartiges Hin und Her den letzten Nerv raubt und ich kaum etwas abhaken kann. Heute aber empfinde ich die Abwechslung von Denken und Tun als wunderbar erfrischend. Meine Laufrunde am frühen Abend bildet den anstrengenden, aber gelungenen Abschluss eines besonderen Tages.

Antanzen

„Ich will aber nicht schon so früh antanzen“, schreibt meine Freundin, und es versetzt mir einen Stich. Wir haben ein kleines gemeinsames Projekt; vielleicht habe ich ein wenig mehr den Hut auf. Es geht darum, wann wir uns am nächsten Morgen treffen – ihr ist mein Vorschlag offenbar zu früh. Das wäre kein Problem, man kann ja unterschiedlich viel letzte, individuelle Vorbereitung benötigen. Aber ihre Formulierung trifft mich doch, denn ich lasse sie nicht `antanzen´. Ich lade höchstens ein oder schlage vor oder bitte sie. Meine spontane Reaktion ist dann auch unangemessen: Dann komm doch auf den letzten Drücker, denke ich nämlich, ich schaff das auch alleine!

Glücklicherweise sage ich nicht, was ich denke, sondern spreche an, was `antanzen´ in mir auslöst. So hatte sie es natürlich nicht gemeint; mein Verstand weiß das auch. Trotzdem bleibt da ein klitzekleiner Rest an Unbehagen. Aber am nächsten Morgen kommt sie lachend und augenzwinkernd angetanzt – buchstäblich. Und dann ist wirklich alles wieder gut. Ich hoffe, in Zukunft klingt etwas von diesem Amüsement in mir nach, wenn es darum geht, irgendwo antanzen zu müssen. 

Die Mama-Wo-Frage

„Mama, weißt du, wo mein … ist?“ Fast immer antworte ich mit: „Ja!“

Erstaunlicherweise funktioniert das auch noch mit den Kindern, die schon längst ausgezogen sind und nur noch auf Kurzbesuch hier vorbeikommen. Wenn sie die Mama-Wo-Frage nicht mehr stellen, stehen sie wahrscheinlich wirklich auf eigenen Füßen …