Einige unserer Kinder haben durch die Pfadfinder das Lied „Country Roads“ von John Denver kennengelernt. Entsprechend häufig erschallt das Lied durch unser Haus – ohne und mit Klavierbegleitung. Und obwohl ich kein Country-Fan bin, mag ich dieses Lied. Es erinnert mich an meinen Cousin, der mochte das Lied auch – vor 30 Jahren jedenfalls. Holger war zehn Jahre älter als ich und ist vor acht Jahren gestorben. Er kam aus dem Westen, so dass unsere Beziehung bis zum Mauerfall einzig und allein von seiner Initiative abhing. Er hing offenbar sehr an mir und vor allem an meinen älteren Geschwistern, denn er war viele Wochenenden bei uns – und oft brachte er Freunde mit.
Was er aber auch mitbrachte war ein besonders Lebensgefühl, das sich auf mich übertrug, wenn er da war. Was er „ausatmete“ war eine Mischung aus Lockerheit, Freiheit und „nichts ist unmöglich“ – ohne jemals Toyota zu fahren. In seinen immer alten, aber geräumigen und gemütlichen Autos wurden Ausflüge zu etwas Besonderem, inklusive Musik. Hinsichtlich Fahrkomfort und Sound würden meine Kinder heutzutage wahrscheinlich müde lächeln. Aber vor über 30 Jahren fühlte sich das wie Freiheit an – in einem weich gepolsterten Wagen sitzen, „Country Roads“ hören, (textunsicher, aber enthusiastisch) mitsingen, Fenster runter und den Fahrtwind in den Haaren spüren. Mitten im Brandenburger Land, tief im Osten – wo übrigens auch die Sonne verstaubt, wenn auch vielleicht anders als in Bochum.
Höre ich heute dieses Lied, denke ich nicht nur an meinen Cousin, sondern auch dankbar daran, dass er mir damals ein Stück „Westen“ mit in den „Osten“ brachte – ganz ohne Geschenkpapier.