Pizza? Nein, danke!

Auf dem Weg durch die Innenstadt komme ich an einem kleinen Pizzabäcker vorbei. Davor stehen einige Leute an Stehtischen, andere nehmen ihre Pizza mit und gehen essend weiter. „Welche Pizza wollte ihr denn?“, fragt eine Oma ihre beiden Enkelkinder. Und ein Mann, der zu den Wartenden tritt, sagt fast entschuldigend in die Runde: „Ich muss jetzt auch Pizza essen, Döner sind alle zu!“

Pizza, Pizza, Pizza: buchstäblich in aller Mund und Nase. Und es riecht ja auch wirklich intensiv und appetitmachend – wenn man Pizza mag. Obwohl ich selbst fast nie außer Haus esse (und schon gar nicht auf die Hand), verstehe ich, dass Leute hier Lust auf Pizza bekommen. Dennoch sage ich innerlich `Nein, danke!´, denn: Es ist morgens um 11 Uhr. Bei aller Liebe, das ist einfach nicht meine Zeit für Pizza. 

Technik begeistert – wenn sie funktioniert

Normalerweise gehe ich davon aus, dass meine digitalen Geräte funktionieren. Immer wenn etwas hakt, denke ich automatisch, dass es an mir liegt. Entsprechend lange probiere ich herum und versuche es noch einmal und noch einmal anders … Inzwischen weiß ich, dass auch Computer manchmal nicht so laufen, wie sie sollen. Dann hilft meist ein Neustart.

Was aber, wenn das Problem gar nicht bei mir oder meinem Rechner liegt? Kürzlich sollte ich etwas auf einen Server hochladen – ohne Erfolg. Der `technische Support´ wusste auch nicht weiter und schrieb, ich solle es nochmal versuchen … Sieben bis neun Versuche später fragte ich nach, ob eventuell nicht vorhandene Zugriffsrechte die Ursache sein könnten. „Das war ein guter Hinweis, Frau Hecker“, lautete die Antwort, „ich lass das mal prüfen.“ Und siehe da, plötzlich ging´s.

Die Stunden davor ließen mich an meinem Verstand zweifeln, irritierten mich einigermaßen und kosteten MICH: nämlich meine buchstäblich umsonst investierte Zeit. Vergeblich war diese nicht. Ich merke mir hoffentlich, dass ich in Zukunft nicht stundenlang probiere, sondern mir und meinen Fähigkeiten über den Weg traue. Manchmal wenn´s hakt, liegt´s nicht an mir!

Es tut mir leid beziehungsweise: gern geschehen!

Beim Laufen begegne ich einem Pärchen mit Hund. Als sie mich sehen, hockt sich der Mann neben den Hund und redet beruhigend auf ihn ein. Ich bedanke mich und laufe unbehelligt weiter. Ein, zwei, drei Schleifen später sehe ich aus der Ferne, dass die drei mir schon wieder entgegenkommen. Auch sie erspähen mich – und der Mann hockt sich neben den Hund … „Es ist ein Kreuz mit den Joggern, was?“, sage ich und auch, dass es mir leidtut. Die Frau lächelt, der Mann nuschelt etwas wie „… schon die ganze Runde …“ in seinen nicht vorhandenen Bart. Ich fühle mich fehl am Platz; um die Gemüter zu beruhigen, rufe ich noch: „Jetzt bin ich wirklich weg.“

Beim Weiterlaufen sinniere ich darüber, wieso ich mich tatsächlich ein wenig schuldig fühle, dort lang zu laufen. Hallo?, denke ich. Ich darf das, die Wege sind öffentlich. Es ist nicht mein Problem, wenn Hundebesitzer ihre Vierbeiner in Gegenwart von Läufern nur durch extra Zuwendung im Griff haben.

Keine drei Minuten später – ohne Spaß – treffe ich ein Ehepaar mit Kind und Pferd: Der Mann läuft hinter diesem Vierbeiner, als wäre er selbst die Kutsche. Ich nähere mich langsam und frage, ob ich überholen darf. „Na, klar!“, sagt der Mann freundlich: „Ein besseres Training können wir uns ja gar nicht wünschen. Wir machen das zum ersten Mal heute.“

So kann es auch gehen, denke ich. Ich laufe durch die Walachei und kann mich fühlen wie ein Störfaktor oder wie eine willkommene Trainingshilfe.

Inselbegabt

Im Gespräch mit meinen Nachbarn sage ich, dass ich weder Schnitzel noch Kasseler zubereiten kann – beziehungsweise es noch nie gemacht habe. „Du kannst ganz viel nicht“, stellt mein Nachbar daraufhin fröhlich fest. Er hat recht, denn ich mache auch nie Weiße Sauce, Gulasch oder Königsberger Klopse. Dennoch höre ich seine wahren Worte nicht gern.

Vom Verstand her weiß ich, dass ganz viele Leute ganz viele Dinge nicht können. Das ist einfach so. Dennoch kollidiert diese Negativ-Aussage mit meinem Selbstwertgefühl. Besser leben könnte ich mit: Du bist inselbegabt – und davon ganz viel.

Spontane Warte-Zeiten

Einige Leute in meinem Umfeld kommunizieren gern über social media, aber mit eingebauten Pausen. Am Sonntag schreibt mir beispielsweise eine Freundin aus England: „Kann ich von Donnerstagabend bis Samstagmorgen bei euch übernachten?“ Ich muss nicht lange nachdenken und schicke ein „Ja klar!“ zurück. Danach höre ich bis Mittwochabend NICHTS mehr. Also frage ich, wann sie genau kommt (und ob sie vom Bahnhof abgeholt werden möchte), ob wir nur Basisstation sind oder sie am Freitag Zeit mit uns verbringen möchte … solche Dinge halt. Eine Stunde später antwortet sie, dass sie das erst noch klären muss – und ich gehe ins Bett.

Am Donnerstagvormittag weiß ich noch immer nicht, wann genau mein Besuch heute Abend kommt, geschweige denn, wie ich MEINEN Freitag gestalten kann. Ich halte mich für spontan, aber das Warten auf die Spontaneität anderer macht mir zu schaffen.

In Ordnung? Ja!

Ich gebe mir Mühe mit einem Text; mein größter Kritiker bin ich selbst. Hier etwas kürzen, dort eine treffendere Formulierung – es geht immer noch ein bisschen besser, jedenfalls für meinen Geschmack. Besagter Text ist der erste für diesen Auftraggeber, weshalb ich unsicher bin, was genau von mir erwartet wird. Ich möchte es sehr gut machen. Irgendwann erkläre ich mein Werk für abgeschlossen und schicke es los.

Erfreulicherweise bekomme ich sehr schnell eine Antwort: „Der Text ist in Ordnung so“, steht da und dann noch einige Erklärungen, wie es jetzt weitergeht. In Ordnung?, denke ich und bin ganz erstaunt, was das mit mir macht. Einerseits bin ich erleichtert: Keine Kritik, kein Wunsch nach einem anderen Stil, eventuell nötige Kürzungen würden sich ausschließlich aus Platzgründen ergeben. Andererseits spüre ich eine leise Enttäuschung. `In Ordnung´ ist mir als Standard für meine Arbeit zu wenig – und klingt nicht nach sehr gut.

Vielleicht geht es der Erst-Leserin in ihrer Rückmeldung gar nicht um eine Bewertung meiner schriftstellerischen Leistung. Stattdessen zählt eventuell (zunächst) nur, dass ich die Sprache ihres Unternehmens treffe. Möglicherweise liest sich mein Text auch einfach nicht sehr gut, obwohl ich mir Mühe gegeben habe.

Wie geht es jetzt für mich weiter? Werde ich in Zukunft weniger Zeit und Mühe investieren, weil das auch reicht? Wonach richte ich mich hinsichtlich des Anspruchs an meine Arbeit? Ein Vers hilft mir, an meiner Perspektive festzuhalten: „Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, denn ihr wisst, dass ihr von dem Herrn als Lohn das Erbe empfangen werdet. Dient dem Herrn Christus!“ (Kolosser 3, 23+24) Ich habe mehr investiert, als für `in Ordnung´ nötig gewesen wäre – und Gott weiß das. Das reicht mir!

Nicht müde

Zwei gute Nächte und ich fühle mich wie ein anderer Mensch: Wo steht das Klavier? Ich bin zwar sicher nicht auf alles vorbereitet, aber der Tag kann kommen. Fast geht es mir wie Cäsar (der kam, sah und siegte) – nur ohne den Größenwahn.

Zwischen gestern und heute liegen Welten, und das nur wegen acht Stunden erholsamen Schlafs.

Müde und mürbe

Ich schlafe selten durch und liege manchmal ein bis zwei Stunden wach – oder stehe noch einmal auf. Ein paar solcher Nächte stecke ich weg, ohne dass sie mich tagsüber nennenswert beeinträchtigen. Offensichtlich brauche ich nicht mehr so viel Schlaf, denke ich dann. Aber regelmäßig wird mir das aufgestaute Schlafdefizit doch einfach zu viel und ich bin müde – mental und körperlich. Ich fühle mich schlapp, bin unmotiviert und antriebsschwach. Je nach Wochentag gehe ich unterschiedlich damit um: Habe ich viel zu tun, funktioniere ich. Am Wochenende werde ich faul – aber erholsam ist auch das nicht. An solchen Tagen fahre ich nur mit `halber Kraft´ und bin unzufrieden. Schlafentzug ist ein effektives Mittel, die menschliche Psyche zu zermürben … 

Vom Auftakeln, begrenzt

Ich sehe nicht mehr aus wie 25 oder 35, denn ich bin schon 54. Mit meinem Erscheinungsbild (draußen vor der Tür) gebe ich mir nicht wesentlich mehr Mühe als früher – aber ein bisschen doch: `Wer abtakelt, muss auftakeln´, denke ich jedes Mal, wenn ich:

Gelegenheiten nutze, mich schick zu machen,
auf ausreichend Schlaf achte,
aus der Form geratene Augenbrauen vorsichtig zupfend zurechtstutze,
meine Garderobe altersgerechter auswähle
usw. usf.

Meine Bemühungen sind offenbar nur teilweise erfolgreich: Im Gottesdienst setze ich mich neben eine Freundin. „Du siehst gut aus!“, sagt sie und ich freue mich. Mein Blick fällt auf V., eine Frau Anfang 70 zwei Reihen hinter uns. Man sieht ihr das Alter nicht an, denn sie ist immer dezent geschminkt und äußerst geschmackvoll gekleidet: jung und sportiv, ohne auf jung getrimmt zu wirken. „Ich würde V. gern Konkurrenz machen“, antworte ich – für mich ungewohnt schlagfertig. „Das schaffst du nicht“, kommt es ebenso spontan zurück. Nur einen Moment lang bin ich verwirrt und fühle mich wie ein Ballon, dem die Luft abgelassen wird. Dann ist es wieder gut; ich verspüre weder Enttäuschung noch Neid. Meine Freundin hat recht: V. wird diesbezüglich, ohne es darauf anzulegen, immer in einer anderen Liga spielen. Mein Wunsch und meine Fähigkeit, aufzutakeln, sind begrenzt …

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?

Immer häufiger passiert es mir, dass Menschen nicht antworten. Bei Briefen ist es mittlerweile ohnehin total unüblich – wer schreibt schon noch Briefe? Aber auch Mails bleiben oft unbeantwortet, selbst wenn das der einzige Kommunikationsweg ist, den wir nutzen. Diese kommunikative Zurückhaltung irritiert und ärgert mich; sie existiert privat und beruflich. Besonders nervig ist sie im Geschäftlichen: Wenn ich eine Rechnung stelle oder eine Arbeit abliefere, kommt von manchem – eine Weile gar nichts. Kein `Es dauert noch, tut mir leid!´, keine Rückmeldung, stattdessen nur Stillschweigen. Erschreckenderweise gewöhne ich mich immer mehr daran und rechne damit, dass ich nicht mit einer Reaktion rechnen kann. 

Kürzlich erfuhr ich, dass es auch anders geht: Eine Bekannte rief mich an wegen eines Jobs. Ich solle darüber nachdenken, sie sei jetzt erstmal im Urlaub. Zwei Wochen später schrieb ich eine Mail, ob wir uns treffen könnten. Umgehend kam die Antwort: „Ja, gern“, hieß es, „ich bringe Ordnung in mein Nach-Urlaubs-Chaos und melde mich in den nächsten Tagen.“ Das tat sie; wir trafen uns und einigten uns auf ein Schnupperarbeiten. Auch den Termin dafür habe ich inzwischen abgemacht, und zwar mit ihrer Kollegin, die sich deswegen bei mir meldete. Ich war jedes Mal überrascht und bin beeindruckt von der verlässlichen Kommunikation. Sie sollte normal sein, wirkt auf mich aber wie ein selten gewordenes Gütesiegel.