Glücklich für immer? So lieber nicht!

In der Stadt sitzen zwei ältere Frauen mit Kopftuch auf einer Bank. Sie halten Hefte mit Botschaften vor ihrem Körper: `Glücklich für immer´. Ich gehe langsam weiter, bis ich begreife, was an der Szene nicht passt. Dann drehe ich mich noch einmal um und schauen den beiden ins Gesicht. Es kann an der Hitze liegen, aber sie sehen müde aus, sehr ernst, vielleicht sogar frustriert. Jedenfalls kein klitzekleines bisschen fröhlich – geschweige denn glücklich. Am liebsten würde ich zurückgehen und sagen: „Gehen Sie nach Hause, mit diesen Gesichtern überzeugen Sie niemanden.“ Aber ich weiß, dass die zu erwartende übliche Diskussion in einer Sackgasse enden würde – und gehe weiter. Zwar bin ich weniger sicher als sie, ein Patentrezept für fortwährendes Glücklichsein zu kennen. Aber ihr Beispiel überzeugt mich nicht.

Ein Fest

Nehmen wir an, jemand feiert ein Fest. Hinterher fragt man, wie es war – und bekommt drei völlig unterschiedlich Antworten:

Ein Gast fand es richtig gut,
für einen anderen waren es `nicht so ganz meine Leute´
und die Eltern der Gastgeberin sind / der Gastgeber ist froh, dass es vorbei ist.

Wir nahmen unsere 50sten Geburtstage zum Anlass, kein Fest zu feiern, sondern zu zweit auf Wanderreise zu gehen.

Hinterher waren wir beide richtig begeistert – und würden vier Jahre später am liebsten nochmal losziehen.

In der Arztpraxis

Eine Arzthelferin berichtet zwei anderen, dass etwas fehlt. „Hat der Herr* Doktor das nicht bestellt?“, fragt eine zurück. „Wenn keiner es dem Doktor sagt, kann er es nicht bestellen“, sagt die erste – und der Rest ist Schweigen. Irgendwie machen die drei dann weiter in ihrem Alltag, wahrscheinlich auch kollegial, effektiv und freundlich. Dennoch bin ich mir sicher: Friedemann** hätte seine helle Freude an einem ganz normalen Praxisalltag … 

*Ich denke unwillkürlich an Obelix und sein `Herr Asterix´, wenn er sich über seinen Freund ärgert.
**Friedemann Schulz von Thun, der Kommunikationsexperte

Berühmte Menschen

Als ich ein Kind war, spielte ich einige Sommer lang mit zwei Schwestern, die ihre Sommerferien in der Nähe meiner Oma bei einer alten Großtante verbrachten. Eine von ihnen war etwas jünger als ich, eine etwas älter. Danach trennten sich unsere Wege. Die beiden Frauen machten anders Karriere und sind Jahrzehnte später berühmter als ich. Wahrscheinlich haben sie unsere gemeinsamen Sommer vergessen, denke ich. Weil sie berühmt sind (und ich nicht), erscheint es mir unmöglich, jemals wieder Kontakt mit ihnen zu haben. Sie leben zwar weiterhin in Deutschland, aber wir teilen keine gemeinsamen Schnittmengen.

Fast 40 Jahre später tritt mein Bruder mit beiden Schwestern in Kontakt, sehr förmlich per Mail. „Was macht eigentlich Dagmar?“, kommt als prompte Antwort – unprätentiös und normal, als sei es logisch, dass man sich nach einer alten Spielfreundin erkundigt. Ich bin erstaunt; ich hatte nicht damit gerechnet. Stattdessen hatte ich den beiden Starallüren unterstellt, die sie im direkten Kontakt gar nicht zu haben scheinen. Hinter jeder Berühmtheit steckt ein Mensch. Und der war auch mal Kind und saß mit dir oder mir im Sandkasten – beziehungsweise (wie in unserem Fall) am Badesee. Vorurteile sind vielleicht seltener berechtigt, als wir so denken.