Covid-19

Das Corona-Virus verändert uns. Einige macht das Virus buchstäblich krank; das Drumherum aber beschädigt unser aller Miteinander. Den Umgang mit „einschränkenden Maßnahmen“ empfinde ich als subjektiv und nicht hinterfragbar: „Guter Abstand“ wird sehr unterschiedlich verstanden; eine „entspannte“ Grundhaltung stößt schnell auf Unverständnis, wenn nicht gar Widerspruch; und wenn man Worte wie „Augenmaß“ oder „Verhältnismäßigkeit“ ins Spiel bringt, ist das Gespräch entweder beendet oder wird hitzig. Die Nerven liegen blanker als zu normalen Zeiten – und schon wird im privaten Sektor ausgeteilt: Über den Nutzen eines Mundschutzes kann man sich trefflich streiten.

Es scheint nur zwei Kategorien zu geben: Entweder man folgt kritiklos allem, was die Regierung anordnet. Oder man ist doch wohl gegen jede vernünftige Vorsicht, aufmüpfig und unverantwortlich. Dass ich persönlich keine Angst vor Covid-19 habe und versuche, eine gewisse „Normalität“ aufrechtzuerhalten, werten Bekannte als leichtfertig, naiv oder sogar fahrlässig. Dieses spürbare Misstrauen, die deutlich betonte Distanz im öffentlichen Miteinander und eine leicht aggressive verbale Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, das sind für mich bisher die auffälligsten Folgen des Virus. Ich frage mich, wie lange wir mit diesen noch leben müssen.

Mein Revier

Hinter, neben oder in der Nähe unserer Wohnsiedlung gibt es ein Feld- und Wald-Gebiet, in dem ich spazieren oder laufen gehen. Ebenso wie ich nutzen diese Gegend immer die gleichen Leute aus meiner Nachbarschaft für Bewegung an der frischen Luft, Gassi-Gehen mit dem Hund oder „einfach mal den Kopf frei blasen“. Es ist schön dort und nicht überlaufen. Normalerweise.

Gern teile ich diesen kulturlandschaftlich geprägten Rückzugsort mit anderen Spaziergängern und Läufern – logisch. Allerdings: In Zeiten von Corona treffe ich neben den altbekannten fast täglich neue Leute. Plötzlich begegnen mir Radfahrer – die verirren sich sonst NIE dahin – und Hundebesitzer mit ganzen Rudeln nicht angeleinter Vierbeiner – nur okay, solange sie nicht an mir hochspringen oder mir hinterherrennen. Es ist noch immer nicht überlaufen, aber es wird voller. Ich bin gespannt, ob der Drang nach draußen nach der Covid-19-Zeit in diesem Umfang anhalten wird. Ich bezweifle es und ein bisschen spekuliere ich auch darauf. Schließlich ist diese Gegend hinter unserer Siedlung sowas wie „mein Revier“. 🙂

Delegieren statt erledigen = sich drücken

Wir bitten unsere Kinder manchmal um Hilfe. Ihre Reaktion ist unterschiedlich und hängt von verschiedenen Parametern ab: Um welche Aufgabe handelt es sich, gibt es verschiedene, kann man auswählen? Ist noch ein anderes Kind in der Nähe, an das sich der Auftrag delegieren ließe? Alle Sprösslinge verfolgen dasselbe Ziel – sich um die unliebsame Pflicht zu drücken, indem man sie an jemand anderen delegiert.

Gestern ging es darum, den Tisch für unser Grill-Abendbrot zu decken oder aber im Supermarkt noch Senf für ebendieses zu kaufen. Beliebter war die „Ich deck`den Tisch“-Variante, also wurde diskutiert. Gegen die Fahrt zum Supermarkt – ein Kilometer Entfernung – sprachen ungewaschene Haare, „ich war heute schon so viel draußen“ und „meine Frisur ist nur mit Mütze schön, für Mütze ist es aber zu warm“. Ich sagte eine Weile nichts; aber diesmal kamen die vier Großen nicht zu einer guten und zeitnahen Lösung. Also bot ich an, selbst zu fahren – wenn jemand die kochenden Kartoffeln beaufsichtigen würde. Ich hätte es tatsächlich gern gemacht; aber ich weiß, dass die Kinder mein Einspringen nur ungern zulassen. Erwartungsgemäß holte einer der Söhne seine Schuhe und murmelte: „Bevor du fährst, mach` ich es. Meine Güte, das kann doch wohl nicht wahr sein, immer dieselben Diskussionen.“

Mittlerweile schmunzle ich in solchen Momenten und frage mich, von wem sie das haben! Mein Mann und ich sind uns beide nicht zu schade für irgendwelche Arbeiten. Was getan werden muss, erledigt einer von uns – keiner drückt sich, nur weil er keine Lust hat. Insgeheim freue ich mich auf den Tag, wenn unsere Kinder selbständig leben und in die Rolle der letzten Instanz gerutscht sein werden, wenn sie endgültig erwachsen, verantwortlich und zuständig sind.

Bis dahin dürfen sie noch dieses kindische Gehabe zeigen, es ist in Ordnung, ich nehme es nicht persönlich. Sie drücken sich nicht, um mich zu ärgern oder weil wir ein schlechtes Beispiel sind; sie drücken sich, weil sie es noch können.

Etwas von mir

Geschriebene Worte begeistern mich. Sie sprechen neben meinem Verstand auch meine Seele an. Der Inhalt ist wichtig, aber er ist nur ein Bestandteil des Gesamtpaketes. Unbedingt dazu gehört auch, wie verständlich und sinnvoll strukturiert der Schreiber ein Thema angeht. Ein weiteres Extra entsteht durch Humor oder dadurch, dass Worte mich ermutigen oder zum Nachdenken anregen. Die Sahnehaube auf allem „schmecke“ ich, wenn der Autor selbst zwischen den Zeilen sichtbar wird. Und genau das macht aus geschriebenen Worten einen Text, über den ich denke: „So möchte ich auch schreiben können!“ Vielleicht ist ein bisschen Neid im Spiel, vor allem aber eine große Begeisterung für die Kraft und Fähigkeit von Worten, Menschen wirklich zu berühren. Weil ich weiß, was das Lesen solcher Texte in mir auslösen kann, bemühe ich mich beim Schreiben – um einen interessanten Inhalt, Klarheit, ein gewisses Extra und etwas von mir.

Was strömt im Livestream?

Die Möglichkeit, Sendungen von zu Hause aus im Livestream mitzuerleben, ist großartig. Wie lange das Programm dauert, wissen wir weder vorher noch währenddessen. Das kann total unwichtig sein oder sogar gut – wenn die Darbietung gefangen nimmt und interessant und lebendig „dahin strömt“. Es kann aber auch nerven – wenn die Vorstellung langweilig ist und unsere kostbare Lebenszeit dabei „davon strömt“.

Eier färben – wozu?

Ende März bekamen wir eine Menge Eier geschenkt, die nur noch bis zum 3. April haltbar waren. Was tun? Meine Idee war, sie anlässlich des nahenden Osterfestes zu färben. Gesagt getan: 38 Eier in vier Farben waren das Ergebnis.

Drei Tage später sind die Eier weg – deutlich vor Ostern und auch vor dem 3. April.

Im Nachhinein ist mir klar, wieso meine Familie mich so skeptisch anschaute, als ich die Idee mit dem Eierfärben verkündigte. Sie wusste: Ein nahes Mindesthaltbarkeitsdatum ist für uns kein Problem. Abgesehen davon hätten ihnen die hartgekochten Eier ungefärbt ebenso gut geschmeckt… 

Neu?

„Geschieht etwas, von dem man sagen könnte: `Sieh, das ist neu?´ Es ist längst vorher auch geschehen in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.“
Prediger 1, 10

Von einigen Dingen gibt es sehr viel – Bücher und Fernseh-Krimis zum Beispiel. Die schiere Masse kann einen erschlagen. Dass Menschen immer noch neue Geschichten einfallen, wundert mich. Natürlich ist Fantasie unbegrenzt; aber es muss ja realistisch bleiben – ausgenommen im Genre „Fantasy“.

Wir haben keinen Fernseher; aber durch Mediatheken und Video-Dienste im Internet wissen auch wir ein wenig, was läuft, und merken zweierlei. Erstens: Es gibt eine fast unüberschaubare Anzahl „erzählter“ Geschichten. Zweitens: Bestimmte Grundmuster tauchen immer wieder auf. Schwierigkeiten, Höhenflüge beziehungsweise alle möglichen und unmöglichen Konfliktlösungsstrategien – das Repertoire an menschlichen Aktionen und Reaktionen ist begrenzt. Die Geschichten sind nicht ganz neu, sie werden nur neu erzählt.

Im echten Leben ist es so ähnlich: Kinder glauben ihren Eltern nur ungern. Schließlich haben diese keine Ahnung von aktuellen Gegebenheiten. „Ihr seid anders aufgewachsen, ihr versteht das nicht“, ist ein häufiges Argument aus dem Mund meiner Kinder. Wir alle halten unser eigenes Leben für einzigartig, unsere Erfahrungen für „neu“ – und für uns ganz persönlich stimmt das auch.

Andererseits gibt es gewisse universale Grund-Erkenntnisse wie „Feuer ist heiß“, „Lügen haben kurze Beine“, „Ohne Vertrauen ist das Leben steril“, „Unter den Teppich gekehrte Konflikte sind kein Frieden“, „Begeisterung ist oft kurzlebig“. Und so weiter, und so fort. Eltern möchten ihren Kindern manche dieser allgemein gültigen Wahrheiten unbedingt mitgeben und ihnen andere gern ersparen. Aber Weisheit lässt sich nicht vererben – außer vielleicht beim Umgang mit echtem Feuer. Dass „wirklich neu“ nur selten zutrifft, versteht man erst, wenn sich die eigenen Erfahrungen wiederholen oder zumindest ähneln.

Berufsbegleitend

Am Anfang der Corona-Krise kommunizierte ich über Mail mit einem alten Freund von mir. Er ist Mikrobiologe und schien mir ein geeigneter Ansprechpartner zu sein. An einem Abend – zwischen Kochen, Essen und dem Abwasch danach – fragte ich und bekam die eine oder andere Antwort: Wieso steigen die Infektionszahlen so rapide, was ist los in Italien? Was versteht man unter Herdenimmunität? Wie hoch sollte diese liegen, um künftig so mit Covid-19 leben zu können wie mit der „normalen“ Grippe? Und so weiter… Zum Schluss war ich nicht nur in der Küche fertig, sondern auch um ein paar Antworten schlauer.

Weil Haushalt mein Job ist, kann man das wohl eine berufsbegleitende Weiterbildung nennen.

Nur für den Moment?

Zur Ruhe und zu reflektierenden Gedanken komme ich am besten, wenn ich allein bin. Darum verlasse ich in diesen speziellen Zeiten regelmäßig unser Zuhause – dort ist „immer wer da“. Auf meinen Spaziergängen lasse ich meinen Gedanken freien Lauf, bete oder erfreue mich am Gezwitscher der vielen Vögel, die sich über das Ende des Winters zu freuen scheinen. Vor einigen Tagen hatte ich eine besonders gute Zeit: Im Gebet fühlte ich mich Gott nah, inspiriert und voller Frieden. Was genau mir klar geworden war, konnte ich schon direkt danach nur schlecht in Worte fassen. Manchmal geht es nur um den Moment und nicht um das, was man daraus lernt.