Mindblowing

Letztens sah ich mit meinen Töchtern „Britain´s got talent“. Diejenigen, die weit kommen und von der Jury gelobt werden, hören Einschätzungen wie „you are a superstar“ oder „your performance was mindblowing“. Auch „incredible“ wird oft und gern bemüht, um besondere Talente zu beschreiben. Die anderen schaffen es nicht durch die Vorauswahl, die meine Töchter treffen, bevor sie mich zum gemeinsamen Fernsehen einladen. Zum besseren Verständnis: Ein Superstar ist ein Star, der super ist. Super ist besser als eins, oder? „Mindblowing“ bedeutet soviel wie irre oder toll (mir das Gehirn wegblasend eben); und „incredible“ heißt – man glaubt es kaum – unglaublich.

Die Leute, die es bis zu „Britain´s got talent“ geschafft haben, sind talentiert, keine Frage. Sehr talentiert sogar. Diejenigen, auf die meine Töchter mich aufmerksam machen, bringen mich zum Staunen: Ich kann nicht leugnen, dass Gott manchen Menschen besondere Gaben mitgegeben hat. Und ich bin mir darüber im Klaren, dass es nur wenige bis ganz nach oben schaffen und dass das nur selten am Talent liegt. Gründe für Misserfolg sind eher, dass sich Gelegenheiten nicht bieten, Beziehungen nicht existieren oder die eigene Ambition doch nicht ausreichend vorhanden ist. Dennoch empfinde ich eine gewisse Skepsis gegenüber der Verwendung von Worten wie „herausragend“, „unfassbar“ oder eben „mindblowing“. Aussagen in dieser Richtung müssen sich meiner Meinung nach auf eine sehr geringe Anzahl von Menschen beziehen, um den Status des Herausragenden zu erhalten. Mein eigenes Talent in Sachen Musik würde ich bestenfalls als durchschnittlich beschreiben. In manch anderer Hinsicht liege ich vielleicht über dem Durchschnitt, aber nur ganz knapp; im Zeichnen bin ich eine Niete. Unglaublich, irre oder Superstar sind Attribute, mit denen ich mich und Menschen in meinem persönlichen Bekanntenkreis nie in Verbindung bringen würde. Oder?

Zu einer ähnlichen Kategorie gesprochener Superlative gehören Formulierungen wie: „Wir haben den Gegner heute komplett zerstört.“ Diese Meldung erschallt in unserem Haus des öfteren – vornehmlich nach einem Fußballspiel. Sind derartige Glanzleistungen ein Zeichen des 21. Jahrhunderts? Oder bin ich den Weltklasse-Talenten in meiner Jugend nur nicht über den Weg gelaufen? Auf jeden Fall habe ich den Umgang mit Worten wie unfassbar, unglaublich, deklassierend nicht wirklich gelernt…

Einzige Ausnahme: Die Geburten meiner Kinder. Dass da von einem Moment auf den anderen (von den schmerzhaften Stunden davor großzügig abgesehen) ein Mensch lag und schrie, wo vorher keiner war – das fand ich unglaublich. Wie sich in den letzten Jahren aus diesen kleinen Menschlein sehr einzigartige Persönlichkeiten entwickelt haben – das ist ein Geheimnis. Unfassbar toll, vielleicht sogar „mindblowing“!