Das perfekte Mittelmaß

„Du bist die perfekte Hausfrau“, sagt eine Freundin zu mir, und ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder ärgern soll: Es ist als Kompliment gemeint, liegt aber knapp daneben, wie ich mich selbst sehe.

Zum einen stimmt es nicht. Generationen von Frauen vor mir waren diesbezüglich deutlich kompetenter, ohne dass es besonders erwähnt worden wäre. Ich kann zum Beispiel nicht nähen, dulde – in Maßen – Staubflusen und habe NICHT IMMER alles im Haus. Daher erscheint mir `perfekt´ deutlich zu viel des Guten.

Zum anderen halte ich Makellosigkeit im Haushalt nicht nur für vergebene Liebesmüh, sondern auch für den falschen Fokus: Wo viele Menschen leben, ist eine gewisse Unordnung normal. Eine perfekte Umgebung ist dagegen eher steril und künstlich – und erfordert dauerhafte Anstrengung. Stattdessen investiere ich meine Kraft und Zeit lieber, damit wir als Familie uns wohlfühlen. Eine saubere Umgebung, sitzende Klamotten und genug zu essen helfen sicherlich dabei. Noch wichtiger ist mir aber unser Umgang miteinander, und dass jeder sein kann, wie er ist. Wenn ich mich um Beziehungen kümmere, brauche ich im Haushalt Mut zur Lücke. Von daher wäre mittelmäßige Hausfrau vielleicht ein Titel, der besser zu mir passt – auch wenn er deutlich mehr nach `einigermaßen´ klingt.

Lieber nicht perfekt!

Perfektion ist ein großes Ziel – und manchmal sehr erstrebenswert:

Eine medizinische Operation sollte richtig (möglichst perfekt) ausgeführt werden; ein Pilot sollte wissen, wie man ein Flugzeug richtig (möglichst perfekt) fliegt. Und so weiter und so fort.

In Bezug auf menschliche Beziehungen dagegen ist Perfektionismus als Ziel oft fehl am Platz: Wenn ich erst in Beziehung trete, sobald ich genau (möglichst perfekt) weiß wie, werde ich kaum etwas wagen: kein Kind in die Welt setzen, niemandem meine Liebe erklären, kein schwieriges Gespräch beginnen. Und so weiter und so fort. Wie arm wäre das Leben!

Nicht perfekt

Letztens bekam ich eine Karte, auf der stand: „Ich bin nicht perfekt, und ich arbeite auch nicht daran.“ Beruhigend, dass es anderen auch so geht.