Vom Utensil zum Accessoire

Brillen waren ursprünglich Utensilien – benötigte Hilfsmittel – für den Alltag einer Person mit Sehproblemen. Meist (oder teilweise?) sind sie das noch immer; aber zusätzlich sind Brillen mittlerweile Accessoires – modische und dekorative Zubehörteile.

Ich frage mich, welche anderen (vielleicht temporär nötigen) Hilfsmittel eine ebensolche Entwicklung durchmachen – und wie man diese gegebenenfalls stoppen könnte: Noch ist der Mundschutz ein Utensil; ich hoffe, er wird nicht zum Accessoire.

So lustig?

Wahrscheinlich sind wir uns alle einig, dass ein Mundschutz nicht uns selbst, sondern nur die anderen schützt – vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus. Ebenso wahrscheinlich ist, dass die meisten von uns noch nicht infiziert sind und den Mundschutz also entweder umsonst tragen oder hoffen, dass er doch auch gegen eine eigene Ansteckung hilft. Wie dem auch sei: Wir alle tragen einen Mundschutz oder eine andere Barriere im Gesicht.

Das stört den einen mehr, den anderen weniger – aus den unterschiedlichsten Gründen: Heute Morgen sah ich vor einem Supermarkt einen Mann mit Mundschutz. Er hatte seinen Einkauf offenbar beendet und wollte sich – wie wohl sonst auch – einen Zigarillo anzünden. In der Hand hielt er diesen schon und zögerte kurz. Wohin damit? Nach einer kurzen Irritation entfernte er den Mundschutz, konnte den Zigarillo anzünden und – offensichtlich zufrieden und erleichtert – tief einatmen.

Ich fand das lustig, obwohl es gar nicht zum Lachen ist: Du trägst (ausnahmsweise) eine Barriere gegen ein ungewohntes Virus, das die Lunge schädigt. Erst wenn du es entfernst, kannst du (wie immer) barrierefrei dein gewohntes Nikotin inhalieren, das die Lunge schädigt. An diesen Wechsel muss sich der Gewohnheits-Raucher erst gewöhnen.

Nur meine Meinung: Der Mundschutz

Immer mehr Menschen begegnen mir mit Mundschutz. Menschen kaufen ein – und tragen einen Mundschutz; andere stehen in der Apotheke oder in Geschäften hinter einer Plexiglasscheibe – und tragen einen Mundschutz. Bin ich ignorant und unvorsichtig, weil ich keinen trage? Für mich ergibt das Tragen eines Mundschutzes keinen Sinn: Das Einzige, das dafür spräche, wäre, wenn ich bereits an Covid-19 erkrankt wäre und die Quarantäne verlassen müsste. Ich weiß es natürlich nicht sicher, gehe aber begründet davon aus, dass ich momentan gesund bin – sonst würde ich nicht aus dem Haus gehen. Ich habe keinerlei Symptome; mein persönlicher menschlicher Radius beschränkt sich auf sehr wenige Personen. Keine von ihnen war in Krisengebieten unterwegs oder in Kontakt mit Reisenden, alle wirken ebenso gesund wie ich.

Andersherum ist es nicht mein erstes und erklärtes Ziel, mich nur ja nicht anzustecken. Ja, ich weiß: das Corona-Virus verursacht keinen harmlosen Schnupfen. Ich weiß aber auch, dass wir nicht für alle 80 Millionen Deutschen in absehbarer Zeit einen funktionierenden Impfstoff haben werden. Wir sind auf den durch eine durchgemachte Infektion erworbenen Immunschutz von einigen Millionen Deutschen angewiesen. Ich gehöre nicht zu einer Risikogruppe; ich halte mich im Gegenteil eher dem Teil der Bevölkerung zugehörig, der sich letztlich anstecken und möglichst gegen den Erreger immun werden muss.

Daher existiert in mir eine gewisse Skepsis zum Thema Mundschutz: Die suggerierte Sicherheit empfinde ich als unrealistisch – auch einige Virologen halten Abstand für einen wirkungsvolleren Schutz. Bisher überzeugen mich die Argumente nicht. Solange ich nicht infiziert bin und es nicht verpflichtend wird, werde ich keinen Mundschutz tragen. Das ist nicht unfreundlich von mir, unvorsichtig, ignorant oder gar fahrlässig; es ist nur meine Meinung. Und die darf ich in diesem Land haben, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen. Wie schön!