Muskeln und Material

Das Wetter ist frühlingshaft warm und sonnig. Es lockt außer mir noch viele andere Radfahrer auf die Straße: Mich überholen mindestens drei Rentner mit Elektro-Fahrrädern – mühelos und uneinholbar zügig.

Ich erinnere mich an einen Triathlon, den ich vor Jahren mitgemacht habe. Während der Radstrecke fuhr ich kurzzeitig in der Nähe eines Mann, der mindestens 20, eher 30 Jahre älter war als ich. Er saß auf einem Rennrad, ich nicht. Die Strecke hatte einige lange Steigungen, dort wechselten wir jedesmal die Positionen: Bergauf fuhr ich unaufhaltsam an ihm vorbei; bergab nahm er mir die Führung ebenso unaufhaltsam wieder ab. Ich konnte damals erst darüber lächeln, als ich ihn dann doch noch hinter mir lassen konnte – viel später auf der abschließenden Laufstrecke.

Danach wusste ich: Das Endergebnis beim Triathlon hat ein bisschen mit Muskeln und eine Menge mit dem „richtigen Material“ zu tun. Mein sportlicher Ehrgeiz ging jedoch nie so weit, dass ich mir für ein besseres Abschneiden ein anderes Fahrrad zugelegt hätte.

Schon längst hat eine „gute Ausrüstung“ den Freizeitbereich erreicht. Ich habe nichts gegen Elektro-Fahrräder. Allerdings sind sie für mich noch immer keine Alternative, meinem Ziel schnell näher zu kommen. Ich investiere lieber in meine Muskeln als in besseres Material – vor allem, da es mir in meiner Freizeit nicht auf Geschwindigkeit ankommt.

Mensch und Material

Wandern im Dauerregen stellt höchste Ansprüche an Mensch und Material, wobei der Mensch zuerst einknickt: Die Sicht ist schlecht, die Stimmung sinkt mit jedem Kilometer. Nach zwei Stunden – und noch nicht am Ziel – wünschen wir uns nur noch, dass der Regen aufhört oder wir ankommen, am liebsten beides. Das ist der Moment, in dem das Material nachgibt: „Welches Fassungsvermögen haben meine Wanderstiefel?“, frage ich mich. Mein Fuß ist von Wasser umgeben; „quitsch-quatsch“ macht es bei jedem Schritt. Wir gehen weiter, denn: Wenn auch das Material seinen Geist aufgibt, hält der Mensch noch durch. Ich gebe der Frage keinen Raum, wie die Schuhe bis zum nächsten Tag wieder trocken werden sollen. Sonst wäre es auch um den Menschen geschehen.

Eine weitere Stunde später strahlt uns unser Gastgeber für diese Nacht an. Er spricht mit starkem schottischen Dialekt, wir verstehen nicht jedes Wort. Was hängenbleibt ist: „… dry room, take off … wet – I will sort it all out for you!“ Seine Worte trösten den Menschen, sein Trockenraum dient dem Material. Am nächsten Morgen sind wir erfrischt und all unser Zeug trocken – Mensch und Material sind bereit für die nächste Etappe.