Je nachdem – so oder so beschränkt

„Warum waren Sie noch nie da?“, fragt mich meine Frauenärztin. Mein Schulterzucken beantwortet sie mit einer ausführlichen Erklärung: Nicht umsonst werde das Mammografie-Screening angeboten, weil dadurch zuverlässiger auch kleinste Knoten gefunden würden: „Die kann ich gar nicht ertasten.“ Und dann sagt sie noch viel mehr, fast ohne Luft zu holen, während sie mich unverwandt anschaut. Dabei bewegen sich ihre Augen nur minimal, sie blinzelt kaum. Ihr Blick irritiert mich ein wenig, so dass ich Mühe habe, ihren Ausführungen zu folgen. Ich höre was von `quetschen´ und `blaue Flecken am Schienbein´ und frage mich, was das alles mit meinem Busen zu tun hat. Schlussendlich verabschiede ich mich mit dem Eindruck, ich sollte mich mal um einen Termin fürs Mammo-Screening kümmern.

Nachmittags treffe ich eine gute Freundin. Vor einigen Jahren hatte sie Brustkrebs – inklusive Bestrahlung und Chemo. In dieser Zeit haben wir uns oft gesehen, geredet und gebetet. Als ich von der Empfehlung zur Mammografie erzähle, hebt sie abwehrend die Hände: „Das würde ich nicht machen“, sagt sie, „die Brust wird so stark gequetscht, das soll manchmal Brustkrebs überhaupt erst auslösen!“

Interessant, denke ich, und auch unglaublich. Aber die Vorbehalte gegen das Quetschen beim Mammografie-Screening scheinen weit verbreitet zu sein. So weit, dass meine Frauenärztin selbstverständlich davon ausgegangen war, ich würde sie kennen und deswegen skeptisch sein. Außerdem stimmt es mal wieder: Du kannst zehn Leute fragen und zehn Meinungen erhalten. Es hängt von mir ab, wem ich glaube und vertraue. In dem Fall bin ich sicher, dass beide Frauen mein Bestes wollen. Je nachdem also, wen ich als nächstes frage, wird sich die eine Sicht bestätigen oder die andere.

Meiner Freundin und meiner Ärztin geht es da ebenso wie mir: Hinsichtlich des Mammografie-Screenings beziehen sie ihre Informationen aus dritter Hand. Die eine ist Ärztin – und schulmedizinisch qualifizierter. Die andere ist Betroffene und sicherlich empfänglicher, was jenseits der Schulmedizin diskutiert wird. Und beide Sichtweisen sind auf ihre Weise beschränkt.