Last Minute

Ein Kind fliegt morgen weg – für vier Wochen, das andere am Sonntag – für elf Monate. Bis heute hatten beide die Ruhe weg und fangen jetzt mit dem Packen an. Was mit muss, ist klar, nicht aber, wie alles am besten auf die insgesamt vier Koffer verteilt werden sollte. Als wäre das nicht genug Unsicherheit, fallen den Reisenden dann doch noch Last-Minute-Mitbringsel-Ideen ein. „Die kleinen Gummibärchentüten in den großen Packungen werden auch immer weniger“, klagt mein Sohn. Er hat recht: Dinge werden teurer und gleichzeitig kleiner. Egal; da, wo unsere beiden hinfliegen, sind Gummibärentüten so selten, dass wir gern eine Sammeltüte mehr mit auf die Reise schicken.

Interessanterweise habe ich als Mutter die Ruhe weg – jedenfalls bis heute. Mal sehen, ob mich auf den letzten Metern noch ein Last-Minute-Abschiedsschmerz überfällt.

„Last minute“-Kunstprojekt

Montagmorgen, wir frühstücken. Unsere Tochter erzählt von einem Kunstprojekt für die Schule. Aus einem T-Shirt und Büroklammern soll etwas entstehen – was, bleibt den Schülern überlassen. Sie arbeiten in Zweierteams, aber die Partnerin meiner Tochter ist diese Woche in Quarantäne. Daher bittet meine Tochter den Familienrat um eine „last minute“-Idee. Wir überlegen miteinander, was sich gestalten ließe. Ein Lampenschirm zum Beispiel oder ein Drache?

„Wie lange seid ihr schon dabei?“, frage ich. Stille. „Eine Doppelstunde?“ – Kopfschütteln. „Zwei?“ – Kopfschütteln. „Drei oder vier?“ – Keine Reaktion. „Was habt ihr denn bisher gemacht?“ Sie – ein wenig kleinlaut: „Wir haben den anderen Teams geholfen.“ Sie haben geholfen – großartig. „Und wie lange habt ihr noch Zeit?“, frage ich zum Abschluss. „Zwei Doppelstunden“, lautet die Antwort. Oh je: Ad hoc-Kreativität ist schwierig, ich brauche dazu Muße und Zeit – und halte mich ab jetzt raus.

Einen Tag später weiß die Tochter zumindest schon, was sie machen wird: einen Mülleimer. Bis zur nächsten und letzten Doppelstunde am kommenden Montag kann sie sich nun ganz entspannt um andere Dinge kümmern. Für die Umsetzung muss „last minute“ reichen – ebenso wie für die Idee.