Schwierig

80 Regierungs- und Medienvertreter fliegen gemeinsam nach Kanada und tragen keine Maske. Einige Leute kritisieren dieses Verhalten und finden, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird: Jeder andere deutsche Fluggast betritt in diesem Sommer nur maskiert ein Flugzeug. Eine Regierungssprecherin verteidigt die Aktion mit den Worten, für eine Regierungsmaschine gälten andere Regeln. In unserer Tageszeitung weist ein Journalist darauf hin, die Kritik daran käme `vor allem auch von rechts´. 

Andere Regeln hin oder her: Selbst wenn Flugzeuge der Regierung oder der Bundeswehr auf einer anderen Rechtsgrundlage starten dürfen (was diverse Juristen bezweifeln): Ist es weise, sich dann darauf auszuruhen? Geltendes Recht ist die eine Sache, der absolute Umgang damit eine andere. Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch angemessen – man darf auch mit 400 km/h über eine deutsche Autobahn fahren … Meines Erachtens ist es alles andere als schlau, im besten Fall naiv, aber wahrscheinlich eher selbstgerecht – und das gilt für die Autobahnfahrt ebenso wie für den Flug mit Sonderregeln. Es zeugt von einer großen Arroganz, ein solches Verhalten im Nachhinein wortreich zu rechtfertigen. Stattdessen angebracht wären bescheidene Formulierungen im Sinne von: `unangemessen´ und `tut uns leid´. Sie würden helfen, Glaubwürdigkeit und Vertrauen wieder herzustellen.

Zusätzlich bedenklich finde ich, dass eine Tageszeitung die sehr berechtigte Kritik an diesem Verhalten zwar erwähnt, aber umgehend in die rechte Ecke befördert. Je inflationärer man mit dem Begriff `rechts´ umgeht, umso weniger Schrecken verbreitet derselbe: Seit zweieinhalb Jahren gelten bei uns zunehmend diejenigen Menschen als `rechts´, die die Regierungslinie kritisch hinterfragen. Sie fühlen sich zu Recht missverstanden und zu Unrecht abgestempelt.

Außerdem ist die Frage des Rechts zwar wichtig, aber nicht der einzige Aspekt. Egal, ob die Rechtsgrundlage vorhanden ist für eine Maskenpflicht in Flugzeugen oder anderswo: Eine mindestens ebenso entscheidende Frage ist doch, ob wirklich noch medizinische Gründe dafür existieren. Allerdings befürchte ich, mich mit derartigen Überlegungen direkt für die rechte Ecke zu qualifizieren … 

Alles schwierig, ganz schwierig.

Kosten und Nutzen von Kritik

Wenn ich kritisiere, will ich den anderen (meist) nicht ärgern, sondern etwas verändern. Leider funktioniert das nicht immer – es sei denn, meine Kritik ist konstruktiv und der andere baut mit. Durch viele erfolglose Kritik-Versuche habe ich gelernt, dass zwei Dinge entscheidend sind: der richtige Zeitpunkt und ein freundlicher Ton. `Direkt und spontan´ ist zwar total ehrlich, bringt den anderen jedoch leicht dazu, sich verteidigen zu wollen. Kompromisse sind dann mindestens sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Für den Ton ist `Understand before you´re understood´ ein hilfreiches Motto: Erst wenn ich den anderen verstehe, wird er mich auch verstehen! Solches Reden kostet mich Zeit und den Willen, vom anderen her zu denken – ist aber konstruktiv: Ich baue an einer `Brücke´, auf der wir uns unabhängig vom Streitpunkt treffen können. Der Rest liegt beim anderen, der konstruktiv hören muss. Das kostet ihn Zeit und den Willen, sich auf mich einzulassen. Am Ende nutzt es uns beiden: Wir kommen uns näher, selbst wenn unsere Positionen weiterhin weit auseinanderliegen.

Kritik

„Kritik kann ich nur jemandem gegenüber äußern, den ich kenne und zu dem ich eine sehr gute Beziehung habe“, sagt eine Freundin von mir. Es ist von Vorteil, das stimmt; dennoch ist das für mich nicht der einzige Aspekt. Genauso wichtig ist meiner Meinung nach, wen ich mit meiner Kritik im Blick habe – den anderen oder meine eigene Befindlichkeit. Ich glaube, kritische Rückmeldung ist angebracht (unvollständige Liste), wenn jemand:

… unter seinen Möglichkeiten bleibt (aus Bequemlichkeit) und sich gleichzeitig über eine unfaire Beurteilung ärgert;
… kein gutes Maß findet, indem er immer redet und nie zuhört;
… sich blamieren würde ohne meinen Hinweis – auf einen offenen Hosenstall, eine gerissene Naht, ein unangemessenes Outfit oder Benehmen;
… seine Macht missbraucht und andere verletzt – vielleicht sogar, ohne es zu merken;
… mehr über andere redet als mit ihnen;
… die Wahrheit verbiegt, um besser dazustehen.

Fremdeinschätzung erwünscht – aber bitte freundlich!

Ich habe ein ganz bestimmtes Bild von mir, insgesamt positiv – klar, aber in gewissen Aspekten auch kritisch. In manchen Situationen hätte ich mich gern anders – geduldiger, sanfter, nachgiebiger, fröhlicher, zufriedener…

Andere haben auch ein Bild von mir, insgesamt positiv – hoffentlich, aber in gewissen Aspekten auch kritisch. Ihre Kritikpunkte weichen von meinen eigenen ab. Je näher mir die Menschen stehen, umso mehr entspricht ihr Bild von mir wohl der Wahrheit. Das heißt nicht, dass es meiner eigenen Wahrnehmung entsprechen muss. Selbst- und Fremdwahrnehmung sind nicht deckungsgleich. Das ist normal. Interessant ist, was welche Abweichung in mir auslöst:

Schneide ich bei anderen positiver ab als bei mir selbst, bin ich dankbar für die Rückmeldung und froh. Ich stelle die Wahrhaftigkeit der Beobachtung nicht wirklich in Frage, auch wenn ich mich kaum wiedererkenne. Solange andere mich netter (freundlicher, geduldiger, liebenswürdiger…) finden als ich mich selbst – alles gut.

Hält mein Gegenüber mich für weniger nett (freundlich, geduldig, liebenswürdig…) als ich mich selbst, ärgere ich mich und bin vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt der Einschätzung nicht unbedingt überzeugt. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, denke ich, „dass der/die mich so sieht (und mir das auch noch sagt)!“ Ich schneide nicht gut ab und erkenne mich kaum wieder.

Was mache ich mit solch einer kritischen Einschätzung? Emotionen helfen nicht weiter – leider, davon habe ich in diesem Fall immer eine Menge zu bieten (Wut und Frust in diversen Schattierungen). Auch mein Verstand scheint umwölkt; ohne meine subjektive Brille kann ich schlecht sehen. Toll wäre – ganz objektiv sortieren: Was kann ich teilen, was nicht? Welche Kritik ist berechtigt, welche nicht nachvollziehbar? Jemand, der mir nahesteht, will mich in der Regel nicht runtermachen, oder? Also kritisiert er, was er kritisiert, um??? Mich zu korrigieren, mir die Augen zu öffnen, mir zu helfen beim Mensch-Sein. Ich will das – ja! Aber ich dachte vorher, es würde schmeichelhafter für mich ausfallen.