Wie gewohnt

Einer unserer Supermärkte schließt von Samstagmittag bis einschließlich Mittwoch – es wird umgebaut. Entsprechend sind am Samstagmorgen die Regale nicht mehr wie gewohnt vollständig gefüllt. Dafür bekommt man Produkte aus der SB-Kühltheke zum halben Preis. Es herrscht schon jetzt eine gewisse Hektik, die Verkäufer wirken leicht gestresst. Denn das Abbauen und Verrücken der Regale hat an einigen Stellen bereits begonnen. Ab heute Mittag werden die Mitarbeiter ausräumen, umbauen, neu installieren und am Ende wieder einräumen, was das Zeug hält. Mindestens einer muss den Überblick behalten, damit am Donnerstag alles wieder zu finden ist – wie gewohnt kundenfreundlich hübsch drapiert.

„Hier bekommen wir heute nicht mehr alles, was wir suchen“, raunt eine Bekannte mir enttäuscht zu. Ich erinnere sie daran, dass wir in unmittelbarer Nähe, nämlich weniger als einen halben Kilometer entfernt, ZWEI weitere Supermärkte haben. „Ja, das stimmt“, sagt sie und klingt ergeben in ihr Schicksal: Manches gibt es eben nur hier genauso, wie wir es gewohnt sind.

Die Schließung wirft ihre Schatten voraus und an den Kassen drängen sich ein paar mehr Kunden als an einem gewöhnlichen Samstagmorgen. Uns nähert sich ein Bewohner einer in der Nähe befindlichen Behinderteneinrichtung. Er spricht `meine Kassiererin´ an – ohne höfliche Zurückhaltung, sprich: ohne abzuwarten, dass sie fertig abkassiert hat. Die Kassiererin bleibt freundlicherweise freundlich und hört ihm zu, ein Kunde in der Schlange nicht. „Hey“, ruft er ungeduldig, „die Frau kassiert doch gerade.“ Allerdings scheint es ihm weniger um die Frau an der Kasse zu gehen als darum, dass seine Wartezeit sich verlängern könnte.

Nachdenklich fahre ich nach Hause. Normalerweise macht man etwas neu oder baut um, damit es hinterher schöner ist als vorher. In diesem Fall sind wir als Kunden die Zielgruppe dieser Verschönerungsmaßnahme. Einige von uns waren heute Morgen weder voller Vorfreude noch verständnisvoll, sondern einfach nur genervt: Weil es kurzzeitig mal nicht so läuft wie gewohnt. 

(Un)gewohnt

Wegen des Hochwassers im Frühjahr stellten wir alles Mögliche im Keller hoch auf Getränkekisten. Der Gefrierschrank reichte dadurch fast bis zur Decke und wackelte – ebenso unser zweiter Kühlschrank. Die Waschmaschine musste auf ihrem Kisten-Sockel festgezurrt werden, damit sie auch während des Schleuderns oben bleibt. Zunächst saß uns der Schreck noch in den Gliedern, dann hatten wir immerzu andere Dinge zu tun: Das Provisorium blieb. Erst seit einigen Wochen sind wir sicher, dass wir im nächsten Winter nicht gleich wieder absaufen werden.

Vergangenen Samstag nahmen wir uns also Zeit, alles wieder so hinzustellen, wie es gehört, und die nicht mehr benötigten Getränkekisten wegzubringen. Obwohl es im Keller jetzt wieder normal, aufgeräumt und richtig aussieht: Jedes Mal, wenn ich runtergehe, ist der Anblick für mich ungewohnt. Vor allem die Waschmaschine irritiert mich – in den vergangenen acht Monaten hatte ich die rückenfreundlichere Einfüllhöhe schätzen gelernt. Aber dass die leeren Flaschen in den Kisten nicht mehr (wie inzwischen gewohnt) klimpern, während die Waschmaschine oben drauf schleudert: Es ist kein Verlust.