Geliebter Alltag

Nach sechs Tagen in reduzierter Besetzung sind wir seit gestern wieder vollzählig. Das ruhig-beschauliche Urlaubsgefühl der vergangenen Woche ist gewichen. Stattdessen erleben wir den bei uns üblichen Alltag zu siebt: es läuft ein bisschen durcheinander und ist phasenweise ziemlich laut, die Bedürfnisse überschneiden sich und sorgen für Konflikte. Das ermüdet und strengt an, aber es ist auch anregender, lustiger und einfach lebendiger.

Es war schön mit zwei halb erwachsenen, selbständig agierenden Teenagern; der Tagesablauf war ruhig und überschaubar. Ich konnte die Zeit genießen – aber nur vorübergehend. Auf Dauer wäre mir dieses Urlaubsgefühl zu langweilig; noch ist er mir lieber, unser Alltag zu siebt.

Alltag ist genau richtig

Die Tage, an denen unsere Kinder geboren wurden, sind mir im Gedächtnis wie der Grand Canyon sich in die Landschaft Amerikas gegraben hat: Unvergesslich, unübersehbar, tiefe Einschnitte in meinem Leben. Besondere Tage.

Dann sind da noch die Tage, an denen Dinge passiert sind, die besonders traurig, schwierig, anstrengend waren. Todesfälle oder die bedrohliche Krankheitszeit eines mir sehr nahestehenden Menschen. Bedenkenswerte und nachdenklich machende Tage sind das, von denen einige mir noch Jahre danach sehr gegenwärtig sind.

Die meisten meiner Tage verlaufen jedoch unspektakulär. Sie sind in der Überzahl, und meine Erinnerungen kann ich nur selten an konkreten Daten festmachen. Dennoch machen gerade diese Alltags-Tage mein Leben aus. Die besonderen Momente sind – eben besonders, aber nicht das Eigentliche: Weder dauerhafte Höhenflüge noch dauerhaftes Leid könnte ich gut aushalten. Ich bin für Alltag geschaffen.