Die Größe eines Großen

Das Grab Friedrichs des Großen liegt unauffällig an der Seite des Schlosses Sanssouci. Erst wenn man direkt davor steht, kann man die Inschrift auf der Grabplatte lesen – und sieht, dass hier ein König begraben ist. Wie nebensächlich sieht diese letzte Ruhestätte aus, was wohl genau in Friedrichs Sinne ist: Neben seinen Hunden wollte er begraben werden, möglichst bei Nacht mit kleinstem Gefolge im Schein einer Laterne. Letztlich ist es fast genau so gekommen – allerdings erst 200 Jahre nach seinem Tod und nicht ganz so unbemerkt.

Ich stehe an seinem Grab und bin ein bisschen stolz auf dieses Erbe: Wenn einer der bekanntesten preußischen Könige die Größe hat, auf Pomp und Trara zu verzichten, komme ich gern aus Preußen!

Ein Friedhof und mehr

Meine Omas wohnten beide ganz in der Nähe des Bornstedter Friedhofs. Dort lagen schon in meiner Kindheit meine beiden Großväter und zwei meiner Onkel begraben – alle vier viel zu früh gestorben. Ich hatte keinen von ihnen kennen gelernt; meine Omas und meine Eltern vermissten sie schmerzlich. Daher war ich früher regelmäßig auf diesem wirklich schönen Friedhof. Für mich waren die Besuche der Gräber weniger traurig als vielmehr Startpunkt für Spaziergänge: Denn hinter diesem Friedhof liegt der Park Sanssouci – ein riesiges Gelände rund um die Wohnstatt der alten preußischen Könige herum. In der Nähe der Schlösser und anderen Gebäude tummeln sich meist viele Touristen; in der Ecke, die hinter `meinem´ Friedhof beginnt, ist es stiller. Im Herbst findet man dort Bucheckern; zu Ostern versteckte eine Oma immer Ostereier hinter den Büschen.

Vor ein paar Tagen war ich auf Stippvisite in der alten Heimat; mittlerweile wohnen meine Geschwister ganz in der Nähe des Bornstedter Friedhofs. Zusammen mit meiner Schwester drehten wir eine Runde: Noch mehr Verwandte liegen mittlerweile dort begraben; wir gehen noch immer denselben Weg. Große Bäume stehen da, ihre Wurzeln wachsen über die Wege. Es ist ein Friedhof, ja – aber er ist wirklich schön. Und dann kommt der Park selbst, er ist mir noch sehr vertraut. Die Lücken in meiner Orientierung füllte meine ortskundige Schwester: 

– der Blick vom Schloss Belvedere zur Orangerie,
– das Drachenhäuschen, ein kleines Café, in dem es früher das für den Osten typische Halbgefrorene gab,
– die riesigen Buchen und Grünflächen abseits der in klarer Symmetrie angelegten Wege,
– aus der Ferne erspäht: das Neue Palais, das chinesische Teehäuschen, die Historische Mühle und die Bildergalerie,
– hingesetzt und ausprobiert: die Flüsterbänke rund um die Fontäne zu Füßen des Schlosses Sanssouci selbst – sie funktionieren beeindruckend,
– das Schloss Sanssouci, dahinter der Ruinenberg,
– die schlichte, fast unscheinbare Grabplatte Friedrichs des Großen mit ein paar von Besuchern abgelegten Kartoffeln – als posthumes Dankeschön für die von ihm nach Preußen geholte Knolle … 

Es bliebe noch viel zu entdecken; der Park umfasst 300 Hektar – und ist mehr als einen Ausflug wert. Aber für mich muss dieser mit einem Gang über den Bornstedter Friedhof beginnen …

Schuldig?

In einer deutschen Komödie geht es unter anderem eine Frau, die zum `Idiotentest´ muss, um ihren Führerschein zurück zu bekommen. Im Laufe des Films wird deutlich, dass sie dort ist, weil sie jemanden totgefahren hat. Sie konnte denjenigen nicht sehen und hatte keine Schuld an dem Unfall; sie musste nur vorübergehend ihren Führerschein abgeben. Dennoch fühlt sie sich schuldig: „Ja, aber das nützt mir nichts, kann das mal jemand verstehen, verdammt nochmal?“

In einem anderen Film heizt ein Familienvater abends den offenen Kamin an. Dann geht er zum nahegelegenen Kiosk und kauft sich einen Sixpack Bier. Als er wiederkommt, ist das Haus abgebrannt; seine drei kleinen Kinder sind tot, die Ehefrau hat überlebt. Auf der Polizeistation wird er vernommen und nach Hause geschickt: Er hatte keine Schuld, es war ein tragischer Unfall. Aber er fühlt sich schuldig. Die Ehe zerbricht, er zieht um. Jahre später trifft er seine Ex-Frau mit einem kleinen Baby wieder, die Begegnung ist kurz. Sie entschuldigt sich bei ihm für die `schrecklichen Dinge´, die sie damals zu ihm gesagt hatte. Er winkt ab: Sie habe ja Recht gehabt. Doch dann sagt sie etwas sehr Wahres: „Du kannst doch nicht einfach sterben!“ Denn genau das ist es, was er tut: Er geht innerlich an seinen Schuldgefühlen zugrunde, weil er sich selbst nicht vergeben kann.

Schuld zu haben oder sich schuldig zu fühlen sind manchmal zwei verschiedene Dinge: Man kann etwas tun – willentlich oder nicht – und damit Schreckliches verursachen. Und egal, ob man (rechtlich) Schuld hatte oder nicht – man fühlt sich schuldig. Gegen Schuldgefühl hilft keine noch so harte Strafe, dagegen hilft nur Vergebung. Jesus spricht sie uns zu, und wir müssen sie annehmen.

Back in the seventies … 

My husband listens to a radio program about an American lady making champagne without alcohol. I overhear some of it, one remark sticks with me: “I was born back in the seventies,” she says, and it sounds as if this was a terribly long time ago. It is – in the sight of my kids, of course. But would I describe myself as born `back in the seventies´? As if this was another age completely, something we can hardly remember nowadays? 

I don´t think life was so utterly different from ours today. I also don´t think life was another thing altogether 100 or even 200 years ago. We only tend to think we are much smarter and much wiser than our poor and uneducated ancestors. But that is not the truth! A long time ago some circumstances were different but most of the people back then were similar to us today: they were as smart as we and seized their chances as some of us do today. Others were lazy and got through life by avoiding hard labour or any kind of effort. They loved or hated each other and found strategies to make life work under extremely strenuous circumstances. People couldn´t foresee the future and lived pretty happily without knowing what was happening 50 Kilometres away from where they lived, not to mention faraway countries. Some believed in God, some didn´t, they enjoyed their everyday food – or got depressed over another draught … And so on and so forth.

As this lady with the champagne I was born `back in the seventies´ but for me it doesn´t seem to be a lifetime ago. It is my past, I will carry it with me until the day I die. And in the end – not much about life will be completely different by then.

Das perfekte Mittelmaß

„Du bist die perfekte Hausfrau“, sagt eine Freundin zu mir, und ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder ärgern soll: Es ist als Kompliment gemeint, liegt aber knapp daneben, wie ich mich selbst sehe.

Zum einen stimmt es nicht. Generationen von Frauen vor mir waren diesbezüglich deutlich kompetenter, ohne dass es besonders erwähnt worden wäre. Ich kann zum Beispiel nicht nähen, dulde – in Maßen – Staubflusen und habe NICHT IMMER alles im Haus. Daher erscheint mir `perfekt´ deutlich zu viel des Guten.

Zum anderen halte ich Makellosigkeit im Haushalt nicht nur für vergebene Liebesmüh, sondern auch für den falschen Fokus: Wo viele Menschen leben, ist eine gewisse Unordnung normal. Eine perfekte Umgebung ist dagegen eher steril und künstlich – und erfordert dauerhafte Anstrengung. Stattdessen investiere ich meine Kraft und Zeit lieber, damit wir als Familie uns wohlfühlen. Eine saubere Umgebung, sitzende Klamotten und genug zu essen helfen sicherlich dabei. Noch wichtiger ist mir aber unser Umgang miteinander, und dass jeder sein kann, wie er ist. Wenn ich mich um Beziehungen kümmere, brauche ich im Haushalt Mut zur Lücke. Von daher wäre mittelmäßige Hausfrau vielleicht ein Titel, der besser zu mir passt – auch wenn er deutlich mehr nach `einigermaßen´ klingt.

Efeu häckseln

Im Herbst beschneiden wir die Büsche und Sträucher in unserem Garten und häckseln, was dabei anfällt. Es ist eine Menge; wir sind jedes Jahr einige Nachmittage damit beschäftigt. Bei gutem Wetter macht diese Arbeit sogar Spaß: Man bewegt sich und ist an der frischen Luft. Kinder und Jugendliche verstehen unter Spaß etwas anderes …

Manche Äste lassen sich problemlos häckseln – gerade Weidenruten, gern leicht verholzt. Andere stellen höhere Ansprüche an die Leistungsfähigkeit des Häckslers und die Geduld der Häckselnden: Stark verzweigte, sehr dicke Äste eignen sich zum Beispiel nicht besonders gut. Ausgesprochen mühsam ist es mit Efeu: Die Ranken sind einfach zu weich und die Blätter sehr saftig – beides verstopft schnell den Häcksler.

Während ich Zweiglein für Zweiglein in unseren zuverlässigen Häcksler stopfe, denke ich: Das Leben ist ebenfalls unterschiedlich `schön´ – manche Phasen sind leichtgängig, manche mühselig. Dazwischen eingestreut liegen Zeiten, in denen man Rückenwind hat, die perfekte Welle erwischt oder alles `wie ein Länderspiel läuft´, wie mein Vater sagen würde.

Obwohl sie so verschieden sind wie Efeu und Weidenruten, ähneln sich die Phasen unseres Lebens: Sie gehen vorbei, entweder quälend langsam oder wie im Flug. Und sie lassen uns alle irgendwie reifen – wahrscheinlich je mühseliger desto deutlicher. (Trotzdem bin ich froh, dass nicht nur Efeu in unserem Garten wächst.)

Zu langsam? Ja!

Inspiriert vom Sportunterricht meiner Tochter versuche ich mich an 1.000 Metern auf Zeit – und orientiere mich an der Zeitvorgabe für die Klassenstufe 11. Im Vorfeld halte ich 15 Punkte für `durchaus machbar´, obwohl ich seit Jahrzehnten nicht mehr Mittelstrecke laufe, sondern Langstrecke trotte. Bei meinem ersten Übungslauf bin ich dann – zu langsam. Das ist natürlich einerseits logisch: Ich bin schließlich nicht 16, sondern 52 Jahre alt. Andererseits denke ich, ich sei noch immer ganz fix unterwegs. Subjektiv bin ich das: schnell für mein Alter und so. Objektiv bin ich eine lahme Ente. Es hat nichts mit mir persönlich, aber alles mit meinem Alter zu tun. Mittlerweile bin ich schlicht nicht mehr in der Lage, in Klassenstufe 11 über 1.000 Meter eine 1+ zu erreichen. Ein paar Tage später versuche ich es trotzdem noch einmal – und schaffe eine tolle Zeit. Für 15 Punkte würde es zwar (knapp) nicht reichen; mit dem Ergebnis kann ich trotzdem höchst zufrieden sein. 

Vom Sorgen

„Alle eure Sorgen werfet auf den Herrn, denn er sorgt für euch!“, heißt es in einem Lied. Es orientiert sich an einem Bibelvers. Jesus sagt: „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?“ (Matthäus 6, 25) Das sind starke Worte!

Wir in Deutschland sind weit entfernt vom Hungern und laufen nicht nackt herum – uns plagen andere Sorgen: Manchen fällt es schwer, ihre Kinder zur Klassenfahrt zu schicken; andere müssen wählen zwischen einem neuen Auto und einem gebrauchten. Und dann sind da noch die Vermögenden, die ab sofort vielleicht nur noch zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen werden.

Diese Art Sorgen erwähnt Jesus gar nicht, ihm geht’s ums Eingemachte: Essen, Trinken, Kleidung. Und auch darum sollen wir uns keine Sorgen machen – denn das bringt uns kein Stück weiter: „Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?“ (Matthäus 6, 27)

Als Begründung beschreibt Jesus, wie schön die Lilien `gekleidet´ sind, die weder arbeiten noch sich Sorgen machen. Um die kümmert Gott sich auch: ER lässt sie wachsen und blühen – und weiß, dass auch wir essen, trinken und uns kleiden müssen (Matthäus 6, 31+32). Anstatt uns um diese Dinge zu sorgen, sollen wir uns um etwas anderes kümmern – und zwar um unser Inneres: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles das zufallen.“ (Matthäus 6, 33) Es geht Jesus darum, in welcher Gesinnung wir unseren täglichen Geschäften nachgehen: um Frieden bemüht und um Gerechtigkeit, voller Freude darüber, dass Gott uns liebt. Dann sorgt er für alles, was wir nötig haben. Und wenn uns doch etwas bedrückt, dürfen wir unsere Last bei Jesus loswerden: „Jesus, kümmere du dich um all das, was mir Bauchschmerzen bereitet. Ich sorge für das, was mir möglich ist – und erbitte dafür deinen Frieden, deine Gerechtigkeit und deine Freude.“

Zu langsam? Nö!

Meine Tochter muss in der Schule 1.000 Meter auf Zeit laufen. Im Probelauf ist sie zu langsam für 15 Punkte, obwohl sie trainiert ist und sich anstrengt. Mit der erlaufenen Zeit ist sie daher nicht zufrieden, hält es aber für unwahrscheinlich, innerhalb von zwei Wochen 20 Sekunden schneller zu werden. Dennoch übt sie (auf gerader Strecke in der Feldmark) – und ist ebenso `langsam´ wie im Probelauf. Wir ermutigen sie, trotzdem nicht aufzugeben. Eine Straßenrunde bei uns in der Siedlung passt von der Länge her; einen Tag vor der Benotung übt sie ein letztes Mal. Diesmal fehlen meiner Tochter zwei Sekunden. Das macht sie zuversichtlich: Sie hat jetzt ein gutes Gefühl für die Strecke und weiß, welches Tempo nötig und gleichzeitig für sie möglich ist.

Am nächsten Tag unterbietet sie die geforderte Zeit um zehn Sekunden – und ist insgesamt eine halbe Minute schneller unterwegs als vor zwei Wochen. Ich finde das beachtlich und freue mich für meine Tochter. Sie weiß jetzt, dass deutlich mehr in ihr steckt, als sie manchmal denkt – sowohl Muskelkraft als auch mentale Stärke.