„Ich fand den Film sehenswert“, sage ich, „und du?“ Mein Mann zögert kurz und antwortet dann: „Kannst du ihn mir erklären?“ Wir haben gerade zusammen „Kindeswohl“ geschaut. „Was soll man da erklären?“, denke ich, „Der Roman wurde gut umgesetzt, und das Thema an sich ist schon interessant.“
Ich
versuche es trotzdem: Abgesehen davon, dass es um eine
Auseinandersetzung mit dem Gesetzesverständnis der Zeugen Jehovas
geht, ist es ein Film über eine Frau. Und ihre Fähigkeiten im
Beruf, die ebenso groß sind, wie ihre Unfähigkeiten in
Beziehungsfragen: Eine Richterin, die zu viel arbeitet, trifft
Entscheidungen im Gerichtssaal. Dort ist sie klar, entschieden,
souverän. Zu Hause liegt ihre Ehe in Scherben. Dann kommt ein Fall,
für den sie – freiwillig – den Gerichtssaal verlässt und einem
jungen Mann das Gefühl gibt, kein Objekt, sondern ein Mensch zu
sein. Ihre Entscheidung danach im Gericht ist wieder klar,
entschieden und souverän. Als aber dieser Jugendliche hinterher
Kontakt zu ihr aufnehmen, ihr danken will und eine (wie auch immer
geartete) Beziehung zu ihr möchte, weist sie ihn fast schroff ab. Am
Ende verweigert er sich – auch wegen ihres Verhaltens – dem
Leben. Mit dieser Schuld wird sie immer leben müssen.
Man
kann natürlich darüber streiten, wie sie sich sonst hätte
verhalten sollen, ob eine Vermischung von Beruf und Privatsphäre
möglich und schlau gewesen wäre. Natürlich kann sie als Richterin
nicht jeden Fall wortwörtlich mit nach Hause nehmen. Darum geht es
aber gar nicht – meiner Meinung nach. Für mich geht es darum, dass
das Gesetz allein nicht genug ist für das Leben: Als Richterin
wollte die Frau, dass der junge Mann lebt; als Mensch wollte sie mit
ihm nichts zu tun haben. Das reichte dem jungen Mann nicht zum
Leben-Wollen.
Die Geschichte illustriert ganz hervorragend, wie schwierig manchmal richtig und falsch voneinander zu trennen sind, wie komplex das Leben ist und wie schwierig manche Fragen im Leben zu beantworten sind. Ganz abgesehen davon, dass solche Gedankengänge nicht jeden gleichermaßen interessieren und ich vielleicht mit meiner Interpretation ganz falsch liege: Ich finde den Film allein aufgrund von Emma Thompsons Vorstellung sehr sehenswert. Das hätte mir schon gereicht.