Gespräch, fortlaufend und improvisiert

Die Kundin vor mir packt ihre Waren ein und spricht nebenbei mit der Kassiererin – es geht um Urlaub. Die Frau an der Kasse hatte schon im Juni ein paar Tage frei und wird im September nach Usedom fahren. Sie würden die Räder mitnehmen, sagt sie und: „Hauptsache trocken.“ Mittlerweile bin ich aufgerückt und erwähne, dass sich das Wetter an der See ja immer sehr schnell ändern würde, manchmal auch zum Guten.

Die Kundin vor mir zieht los; das Gespräch läuft weiter. Ich erwähne unsere diesjährige Route nach Rügen. „Wir fahren auch immer so“, sagt die Kassiererin, „bis Ludwigslust auf der Landstraße, dann weiter auf der A20.“ Das sei so entspannt. Ich nicke und bezahle. Die Kundin nach mir schaltet sich ein und sagt, dass man bis Ludwigslust erstmal kommen müsse.

Was noch gesagt wird, höre ich nicht mehr; ich steige aus. Das Gespräch läuft weiter – mit einer gewissen Eigendynamik. Es ist ein bisschen wie im Improvisations-Theater: mit der Kassiererin als dem einzigen festen Ensemblemitglied.

Ein besonderer Tag

Weil ich nachts wach gelegen habe, starte ich ziemlich müde in meinen Tag. Vor mir liegt ein buntes Portfolio an Dingen, die ich tun muss, sollte oder möchte: diverse Schreibtisch-Jobs einerseits und dazu profaner praktischer Kram. Die Reihenfolge bleibt mir überlassen; das ist nicht immer eine gute Sache. Ich fange einfach `irgendwo´ an und hoffe, dass ich am Ende des Tages einiges geschafft haben werde.

Im Laufe des Tages springe ich vom Schreibtisch zum Wäscheständer, fahre einkaufen und führe ein Telefon-Interview; nochmal Wäsche, außerdem saugen und bügeln – und wieder ein bisschen schreiben. Es fühlt sich an wie ein großes Durcheinander und die Zeit verfliegt. Nach und nach landen immer mehr Projekte in der Kategorie `erledigt´.

Es gibt Tage, an denen mir ein derartiges Hin und Her den letzten Nerv raubt und ich kaum etwas abhaken kann. Heute aber empfinde ich die Abwechslung von Denken und Tun als wunderbar erfrischend. Meine Laufrunde am frühen Abend bildet den anstrengenden, aber gelungenen Abschluss eines besonderen Tages.

Antanzen

„Ich will aber nicht schon so früh antanzen“, schreibt meine Freundin, und es versetzt mir einen Stich. Wir haben ein kleines gemeinsames Projekt; vielleicht habe ich ein wenig mehr den Hut auf. Es geht darum, wann wir uns am nächsten Morgen treffen – ihr ist mein Vorschlag offenbar zu früh. Das wäre kein Problem, man kann ja unterschiedlich viel letzte, individuelle Vorbereitung benötigen. Aber ihre Formulierung trifft mich doch, denn ich lasse sie nicht `antanzen´. Ich lade höchstens ein oder schlage vor oder bitte sie. Meine spontane Reaktion ist dann auch unangemessen: Dann komm doch auf den letzten Drücker, denke ich nämlich, ich schaff das auch alleine!

Glücklicherweise sage ich nicht, was ich denke, sondern spreche an, was `antanzen´ in mir auslöst. So hatte sie es natürlich nicht gemeint; mein Verstand weiß das auch. Trotzdem bleibt da ein klitzekleiner Rest an Unbehagen. Aber am nächsten Morgen kommt sie lachend und augenzwinkernd angetanzt – buchstäblich. Und dann ist wirklich alles wieder gut. Ich hoffe, in Zukunft klingt etwas von diesem Amüsement in mir nach, wenn es darum geht, irgendwo antanzen zu müssen. 

Die Mama-Wo-Frage

„Mama, weißt du, wo mein … ist?“ Fast immer antworte ich mit: „Ja!“

Erstaunlicherweise funktioniert das auch noch mit den Kindern, die schon längst ausgezogen sind und nur noch auf Kurzbesuch hier vorbeikommen. Wenn sie die Mama-Wo-Frage nicht mehr stellen, stehen sie wahrscheinlich wirklich auf eigenen Füßen …

Faszinierend

Am frühen Abend kriechen einige Nacktschnecken (scheinbar) ziellos über unsere Terrasse. Ich weiß nicht, was sie dort suchen oder wie sie sich orientieren: Vielleicht sind die Steine noch warm von der Sonne oder trockener als die angrenzenden Beete nach all dem Regen der vergangenen Tage. Irgendetwas scheint die Nacktschnecken anzulocken. Dieses Jahr gibt es besonders viele von ihnen; ich finde sie ein bisschen eklig. Heute beobachte ich die Exemplare auf unserer Terrasse eine Weile. Sie schlängeln sich nicht wie eine Schlange und ziehen ihren Körper auch nicht wie eine Raupe auseinander. Stattdessen gleiten sie langsam, gleichmäßig und lautlos dahin – wie genau sie das tun, bleibt mir verborgen.

Gott hat sich sehr viele verschiedene Tiere ausgedacht; manche gefallen mir, manche nicht. Nacktschnecken gehören zur zweiten Kategorie und freiwillig fasse ich sie nicht an. Aber wie sie sich fortbewegen, das fasziniert mich.

Ein voller Erfolg!

Wir fahren zum Weinmarkt in die Stadt. Es ist gutes Wetter und entsprechend ist die Veranstaltung gut besucht. Sehr gut sogar: Sitzplätze sind sowieso belegt, aber auch Stehplätze sind schwer zu finden. Lediglich ein paar schmale, gewundene Pfade quer durch die Menge sind zu erkennen. Also quetschen wir uns hindurch – im Entengang mit einigen anderen, die auch (noch) kein Weinglas in der Hand haben. Während wir im Schneckentempo vorankommen, sehen wir einige Bekannte. Im Strom der Gehenden ist Stehenbleiben keine Option; zum Reden ist es zu laut.

Nach etwa fünf Minuten lichtet sich die Menge und wir landen vor den Toilettenwagen. Dort treffen wir eine unserer Töchter mit zwei Freundinnen. Sie warten auf `die anderen´, bevor sie sich fröhlich in das Gewimmel stürzen wollen. Dass es voll ist und sehr laut, stört sie nicht: „Ist halt so und besser, als wenn nix los wäre.“ Sie hat recht; für die Stadt ist die Fülle super und buchstäblich ein voller Erfolg: Das Geschäft in den angrenzenden Lokalen brummt ebenfalls.

Wir wählen für den Rückweg zu unseren Fahrrädern eine andere Strecke und fahren fröhlich wieder nach Hause. Auf der Terrasse sitzt man an diesem lauen Sommerabend auch gut – in Ruhe und (wer will) mit Wein.

Einer kann (nicht), ein anderer kann´s einrichten … 

„Wenn du wirklich gar nicht kannst, kann ich das übernehmen …“, schreibt eine Bekannte. Und ich denke unwillkürlich, das ist ein Wolf im Schafspelz beziehungsweise eine Absage verpackt in einer Zusage. Ich empfinde ihre Worte als freundlich, aber dennoch unmissverständlich – und leicht manipulativ. Habe ich eine Wahl? Ja, man hat immer eine Wahl, aber diese hat einen Preis: Entweder ich sage zu und setze mich in diesem Fall fünf Stunden ins Auto, obwohl ich meinen Samstag auch zu Hause gut füllen kann. Oder ich sage ab und riskiere ein schlechtes Gewissen. Denn, wer kann schon `wirklich gar nicht´? Ich kann manchmal (und so auch dieses Mal) höchstens `nicht so gut´, was soviel heißt wie: „Ich hätte eine bessere Alternative!“ Von dort bis `wirklich gar nicht´ kann ich eine ganze Menge einrichten.

Im Wandel

Wir sind schon jetzt nur noch zu viert im Hause und unser einstmals wuseliges Familienleben ist ziemlich ruhig. Einerseits fehlt mir das Leben in der Bude, andererseits wäre ich auf Dauer vielleicht gar nicht mehr dafür gemacht. Mit zunehmendem Alter mag ich Pausen ganz gern; trotzdem hinke ich der familiären Veränderung emotional immer ein paar Wochen (oder Monate) hinterher. Insgesamt aber passt das leerer werdende Haus zu meinem wachsenden Bedürfnis nach Ruhe beziehungsweise Unabhängigkeit. Oder umgekehrt: Vielleicht wächst mein Bedürfnis nach Ruhe auch deshalb, weil das Haus leerer wird. Wäre es anders, würde ich auch damit klarkommen – wenn auch zeitversetzt.

Von Listen und Ideen

In einem Magazin lese ich, dass jemand ein Listen-Mensch ist. `Ich auch´, denke ich; ich mache auch gern Listen. Vor allem arbeite ich gern Listen ab: Es tut gut, etwas geschafft zu haben und dann streichen zu können von der To-do-Liste. Logischerweise sind die Aufgaben auf meinen Listen unterschiedlich schwierig beziehungsweise zeitaufwendig, so dass ich nie chronologisch vorgehe. Stattdessen erledige ich zunächst die Dinge, die sich leicht oder schnell abarbeiten lassen oder die unbedingt dran sind. Folglich bleiben immer ein paar Dinge stehen und die übertrage ich regelmäßig auf eine neue Liste, wenn die alte zu unübersichtlich geworden ist. 

Auf meiner aktuellen Liste stehen zwei Dinge schon seit Monaten. Das ist frustrierend und auch ein bisschen doof. Mit solchen To-do-Ladenhütern ist es nämlich immer gleich. Zunächst schreibe ich sie ganz enthusiastisch auf (tolle Idee: umfangreich zwar, aber großartig), dann verschiebe ich den Start erwartungsgemäß einige Male und schleppe die Idee von Liste zu Liste. Das wiederholt sich einige Male, bis der Punkt kommt, an dem ich entscheiden muss: Entweder ich verwerfe das Projekt komplett; vielleicht vergesse ich es sogar. Oder aber ich ärgere mich über mich selbst und über mein Herumgedruckse. Dieses latent schlechte Gewissen hilft mir dann, den ersten Schritt zu machen – und der ist ja bekanntlich der halbe Weg. Die zweite Hälfte des Weges lege ich meist schneller zurück, als ich gedacht hatte.

Im Nachhinein frage ich mich fast immer, wieso ich so lange gebraucht habe, überhaupt anzufangen. Man könnte denken, dass ich daraus lerne und keine Ideen mehr aufschiebe. Leider ist es soweit doch noch nicht – wie ich an den beiden Überhängen auf meiner aktuellen Liste erkennen kann … Nächste Woche fange ich an mit meinen Fotobüchern für 2023 und 2014! 

Ehrlich wohlwollend

„Kann man mich anders als wohlwollend ansehen?“, frage ich meine Freundin; sie lacht schallend und stimmt mir vorbehaltlos zu. Bisweilen korrigiert und kritisiert sie mich auch, aber heute ist etwas anderes wichtiger.

Ich bin total dankbar für unsere Freundschaft; wir begegnen uns wohlwollend und können sehr ehrlich miteinander sein – manchmal auch ganz unbescheiden.