Körpersprache

Wir kommunizieren nicht nur mit Worten oder ohne sie, wir verständigen uns zusätzlich durch Körpersprache. Es gibt viele gute Bücher darüber. Sie sind hochinteressant und die Augen öffnend, was „noch so“ kommuniziert wird. Manches davon – das meiste? – läuft unbewusst, glaube ich.

Mein Mann liest sich gerade durch einen Stapel derartiger Bücher und findet sie genau das – hochinteressant und seine Augen öffnend. Jeden Abend geht er mit einem Grinsen im Gesicht ins Bett. Um manches Wissen reicher.

Und ich? Ich könnte mich durchschaut fühlen und eher analysiert als gesehen. Und mich fragen: „Interpretiert er mich richtig oder nicht?“ Ich weiß es nicht. Glücklicherweise ist es mir ein bisschen egal – derzeit. Weil ich gerade dieser Tage etwas Neues lerne, bin ich zu beschäftigt, als dass ich meine Botschaften in Körpersprache umwandeln könnte. Bei mir gilt gerade: Was du siehst, ist, was du bekommst.

Um das komplexe (und hochinteressante) Thema Körpersprache kann ich mir erst wieder Gedanken machen, wenn die Bücher wieder in der Bibliothek sind …

Meine kleine Schwester

In einer Mail an mich und eine dritte Person bezeichnete mich unlängst mein Bruder mit „meine kleine Schwester“ – wohl auch um mich zu unterscheiden von seiner großen Schwester. Interessanterweise fand ich diese Formulierung merkwürdig. Wie aus der Zeit gefallen. Ich selbst würde wahrscheinlich nicht „mein großer Bruder“ über ihn sagen, sondern einfach nur mein Bruder. Zwar fühlte ich mich nicht diskriminiert, aber – irgendwie kleiner.

„Klein“ oder „groß“ spielt in unserem Alter keine Rolle mehr, oder? Ich bleibe immer die kleine Schwester meines Bruders und meiner Schwester, aber es ist irrelevant. Oder?

In dem Umfeld, in dem ich seit über 20 Jahren lebe, bin ich in erster Linie Dagmar. Viele meiner Bekannten wissen gar nicht, dass ich überhaupt Geschwister habe. Meine gesamte Vergangenheit spielt keine Rolle. Scheinbar. In Wirklichkeit ist meine Vergangenheit immer Teil von mir und hat mich zu der Dagmar gemacht, die ich heute bin. Sogar dass ich jemandes kleine Schwester bin, wird sicher deutlich in meinem Leben, auch wenn ich es nicht bemerke. Es sei denn, mein Bruder bezeichnet mich so.

Nicht vom Mond, aber fast

„Du kannst mir ja eine Mail schreiben“, sage ich und bekomme zur Antwort: „Du hast sogar eine E-Mail-Adresse?“ Wie bitte? Bin ich das gerade wirklich gefragt worden? Welchen Eindruck hinterlasse ich in meinem Umfeld? Ich bin geschockt. „Bei dir war ich mir nicht sicher; es hätte mich nicht gewundert, wenn du keine hättest“, lautet die Begründung.

Dabei habe ich schon ganz lange eine E-Mail-Adresse, ich nutze sie auch. Ich bin nur auf andere vorbeifahrende Züge nicht aufgesprungen wie WhatsApp oder Facebook oder Instagram. Bei E-Mail bin ich stehengeblieben und schätze die Möglichkeiten der weltweiten Verständigung über diesen Austausch-Dienst (oder wie man das am besten nennt). Für Europa ist ja auch die gute alte Post ausreichend.

He, Leute, ich bin nicht total vom Mond, ich bin nur aus dem letzten Jahrhundert!

Liken, disliken, haten

„Wer unvorsichtig herausfährt mit Worten, sticht wie ein Schwert; aber die Zunge der Weisen bringt Heilung.“
Sprüche 12, 18

„Ich verstehe das nicht: Haben die nichts besseres zu tun, als youtube-Videos zu schauen, die sie nicht mögen, und diese dann hinterher zu ´haten`?“, kommentiert meine 14-jährige Tochter das Verhalten von Internet-Nutzern, die sich – meist im Schutze der Anonymität – geradezu verächtlich über die kreativen Bemühungen anderer Internet-Nutzer auslassen.

Es ist nicht so, dass meiner Tochter alles gefällt – keineswegs. Sie ist durchaus in der Lage, sich kritisch zu äußern. Aber es liegt ihr fern, etwas verbal runterzumachen. Sie weiß schon, wie sehr abfällige Äußerungen schmerzen. Und sie weiß, dass Lob ermutigt.

Briefe – nicht abgeschickt

Manchmal schicke ich Briefe nicht ab. Wenn ich nicht ganz zufrieden bin mit ihnen oder unsicher, ob sie losgeschickt werden können. Was mache ich mit ihnen? Ich werfe sie nicht weg, ich verstaue sie irgendwo. Bisweilen finde ich einen Brief wieder und lese ihn noch einmal. Meist geht es mir dann immer noch so: Ich bin nicht ganz zufrieden oder unsicher, ob er so losgeschickt werden sollte. Noch immer kann ich den Brief schlecht wegwerfen. Warum?

Die nicht abgeschickten Briefe sind meist solche, in die sehr ehrliche Gedanken geflossen ist. Oft sind sie mir nicht leicht gefallen – und meist finde ich sie sprachlich sehr gelungen. Wenn ich sie wieder lese, ist es so, als würde ich mit mir selbst kommunizieren. Also hebe ich sie weiter auf.

Heute habe ich einen wiedergefunden, den ich fast gänzlich vergessen hatte. Ich habe ihn gelesen und zögere. Die Frage, für wen ich ihn aufhebe, kann ich nicht beantworten. Ich werde ihn wahrscheinlich trotzdem nicht wegwerfen. Komisch.

PS: Ich bin kein Messie …

Das letzte Wort

Diskussionen leben von Argumenten. Klar: Über Fakten kann man sich austauschen, über Befindlichkeiten weniger. Mir gehen leider oft die Argumente aus. Ich bin anders schlau. An Stelle von begründbaren Fakten gibt es bei mir etwas anderes. Intuition, Instinkt. Diese lassen sich manchmal nicht leicht in Worte fassen und sind daher nur wenig überzeugend. Leider. Dadurch stehe ich in kontroversen Gesprächen schnell – symbolisch gesprochen – mit dem Rücken zur Wand.

Dennoch bin ich genau wie jeder andere Mensch interessiert daran, das letzte Wort zu haben. Dieses ist aber oft denjenigen vorbehalten, die eben noch ein Argument aus der Tasche ziehen können. Weil ich nicht zu ihnen gehöre, ist mein letztes Wort des öfteren: „Ich weiß, was ich weiß.“ Und egal, wie oft mein Mann sagt, so könne man doch nicht argumentieren (weiß ich selbst), oder es mit einem milden Lächeln quittiert und sich seinen Teil denkt: Es ist manchmal meine Rettung; und ich verwende es nur, wenn ich überzeugt bin, dass mein Gespür in der Sache wirklich von Belang ist.

Bei Malcolm Gladwell, einem meiner Lieblingsautoren, hat dieses Phänomen sogar einen Namen: „The power of thinking without thinking.“

Über Menschentypen wie mich sagt er: „Did they know why they knew? Not at all. But they knew.“ Ich weiß, was ich weiß.

Fertig geredet

Manchmal diskutiere ich mit meiner älteren Tochter. Sie ist 14 und eine engagierte Gesprächspartnerin. Aufmerksam, schnell und selten um eine Antwort, Ausrede oder Erwiderung verlegen. Es gibt Gespräche, in denen bringe ich sie dennoch zum Verstummen. Fast immer hängt es zusammen mit einer Aufgabe, die sie noch nicht erledigt hat. „Warst du letzte Woche mit dem oberen Bad dran?“ Was folgt ist unbeschreiblich. Ihr Mund schließt sich, die Augen sind weit geöffnet, die Haut strafft sich irgendwie: Einen Moment steht alles still. Ich nenne es ihr Wahrheitsgesicht. Sie redet nicht mehr, aber ihr Gesicht spricht Bände.

Entwaffnet – verbal

„Eine linde Antwort stillt den Zorn; aber ein hartes Wort erregt Grimm.“
Sprüche 15, 1

Es gibt wiederkehrende Gesprächsmuster bei uns: Ich bitte meinen Mann um die Erledigung einer – meist handwerklichen – Gefälligkeit. Er sagt, ich solle ihm einen Zettel schreiben. Eine Weile geschieht nichts. Einige Zeit später bringe ich mein Anliegen nochmals vor – mit mäßigem Erfolg. Schließlich suche ich das Gespräch oder besser die Auseinandersetzung und bereite mich innerlich vor aufs Schimpfen. Ich hole tief Luft und möchte mich aufregen darüber, dass eine Sache von zehn Minuten drei Anläufe von mir braucht. Und mein Mann? Entwaffnet mich. Mit einem Satz: „Süße, ich mach´ das am besten gleich – es gibt Dinge, die sollte man sofort erledigen!“

Uneindeutig und unverbindlich

Die digitale Kommunikation der jungen Menschen in unserem Haus erscheint uns Eltern als sehr uneindeutig und unverbindlich. Plus: Beide Attribute sind für uns negativ belegt.

Uneindeutig: „Saufen“ zum Beispiel ist ein Wort, hinter dem sich sowohl das nette Zusammensein bei einem alkoholfreien Bier verbirgt als auch das sinnfreie Trinkgelage, das ich damit verbinde. „Saufen“ kann alles sein. Wenn ich das weiß, klingt „Saufen macht Bock“ nicht mehr so schrecklich hohl.

Unverbindlich: „Mama! Wenn man sich im letzten Moment erst festlegt, bleibt viel Raum für Spontaneität. Hauptsache, alle sind sich einig, unverbindlich zu sein.“

Von der Seite hatte ich das noch nie betrachtet.

Gesprächsfluss

Mein großer Sohn ist ein guter Beobachter, sensibel noch dazu. Nach einer von ihm beobachteten Begegnung bemerkte er kürzlich: „Papa, wenn du immer `Warum?´ fragst mittendrin, dann unterbricht das den Gesprächsfluss. Du kannst doch einfach mal zuhören und nicken – auch wenn der andere Mist erzählt.“ Er hat recht, Nachfragen unterbrechen den Gesprächsfluss. Und in dem speziellen Fall war der Gesprächspartner einer, den der Einwurf `Warum siehst du das so? Ich sehe das anders.´ aus dem Konzept gebracht und verunsichert hat.

Wie geht es mir damit? Ich wünsche mir eine ehrliche Reaktion. Ich wünsche mir aber auch eine mir angenehme, liebevolle Reaktion. Eine Bestätigung meiner Kommentare ist angenehm. Aber ist das `Lass sie nur reden …´ in den Gedanken meines Gegenübers wirklich liebevoll? Auch wenn ich es nicht mitbekomme? Will ich es immer wissen, wenn ich Quatsch erzähle, gedankenlos daherrede, unüberlegt (und vielleicht unbewusst) beurteile?

Von Sokrates stammt der Rat, dass alles, was gesagt wird, durch drei Siebe gehen soll: Ist es wahr, ist es gut, ist es nötig? Das ist sicher eine hilfreiche Richtlinie für jedes Gespräch. Nur: Was mache ich, wenn wahr und gut einander auszuschließen scheinen? Wenn der andere meine gütige Zurechtweisung gar nicht als gut empfinden kann, sondern sich zurückgewiesen und nicht wertgeschätzt fühlt? Dann muss ich ihn vielleicht einfach mal in den Arm nehmen.