Interpretiert, unterstellt oder wahr?

„Interessiert dich wahrscheinlich gar nicht“, murmele ich leicht frustriert und mein Mann reagiert aufmerksamer, als ich ihn im bisherigen Gespräch erlebt habe: „Aha, das weißt du also ganz genau, dass mich nicht interessiert, was du erzählst. Du weißt ja eh meist genau, was ich denke.“

Stimmt, denke ich, ich weiß es einfach. Woher? Keine Ahnung, aber ich bin mir meist ziemlich sicher, wie mein Mann findet, was und wie ich es sage – zu lang, zu ausführlich, manchmal auch zu sehr ein Thema behandelnd, zu dem er keine zwei Sätze finden würde. Woher nehme ich mein Wissen? Zum einen kann ich offenbar sehr gut zwischen den Zeilen lesen – eine Gabe, die er zumindest nicht sein Eigen nennt. Leider. Zum anderen schließe ich aus dem, worüber und wie er erzählt, darauf, was ihn interessieren könnte.

Wahrscheinlich liege ich oft ziemlich daneben mit meinen Schlussfolgerungen, wahrscheinlich irre und unterstelle ich. Auch interpretiere ich reichlich und bin dann sauer – letztlich, weil ich nicht die Reaktion bekommen habe, die ich mir erhofft hatte. Das liegt zum einen an einer in mir tief drin sitzenden Unsicherheit, zum anderen, dass er deutlich weniger (gern) redet als ich. Interessanterweise liegt die Abhilfe ganz nah. Ich könnte nachfragen: „Interessiert dich das?“ Wenn ja, ist gut, wenn nein, ist auch gut. Hat ja erstmal nichts mit meiner Person zu tun – kein Grund also, auch nur leicht frustriert zu sein.

Kommunizieren – wie – mit wem – wieviel?

Eine der letztlich sinnlosen Diskussionen mit dem Zweitgeborenen geführt: Wieso ist Kommunizieren heute etwas, was meist digital und möglichst andauernd passiert? Wieso kann man sich nicht in der Schule sehen, verabschieden und dann am nächsten Tag wieder miteinander reden? Dazwischen könnte man den Nachmittag gelangweilt auf dem Sofa, im Garten, beim Sport oder mit Freunden verbringen und abends nach dem Abendbrot ungehetzt noch ein wenig in der Familie präsent sein. Ist ja genug Familie vorhanden.

Stattdessen gibt es gefühlt einen steten Zug raus aus der Gemeinschaft hin zum Rechner oder – bei ihm bald – Handy. Da könnte ja jemand online sein und warten. Das Kind: „Weil ihr unsere Medienzeiten so begrenzt, wollen wir sie immer komplett ausschöpfen.“ Die Eltern: „Weil wir nicht wollen, dass ihr nur noch am Rechner oder Handy hockt, beschränken wir die Medienzeiten.“ Das Kind: „Ihr solltet da lockerer werden.“ Die Eltern: „Die ganz medienfreien Tage sind die schönsten, da ist das Zusammensein hier viel entspannter, eure Präsenz klarer.“

Der Erfolg unserer Maßnahmen sind immer wieder anstrengende Diskussionen, die in zwei Sackgassen enden. Das Kind: „Wir kommunizieren heute anders, findet euch damit ab.“ Die Eltern: „Wir wollen euch gern erleben lassen, dass man nicht nur so wie heutzutage kommunizieren kann – und auch nicht andauernd muss.“

Der von uns angebotene Kompromiss, es – ergebnisoffen (!!!!) – mal ein paar Tage „ganz frei“ in Sachen digitale Medien zu handhaben und dann aber gegebenenfalls wieder Begrenzungen einzuführen, stößt nicht auf Begeisterung. Wie machen das andere Eltern? Wenn wir den Kindern glauben, haben die anderen Eltern sich ALLE komplett aus diesem Thema zurückgezogen. Sie bieten „freie Medienfahrt für freie Kinder“. Sollen/können/wollen wir das glauben? Gibt es etwas dazwischen?

Als ich letztens seufzend (und Verständnis heischend) erwähnte, Elternsein sei ein bisschen „learning by doing“, folgte prompt: „Mama, ihr seid aber noch sehr stark in der learning-Phase.“

Wann, wenn nicht jetzt? Der richtige Zeitpunkt!

„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: …. schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit …“
Prediger 3, 1+7b

Leider gibt es bei uns die 21.30 Uhr-Regel. Zwar geht es mir manchmal gegen den Strich, aber eine Abmachung zwischen uns als Ehepaar lautet: Nach halb zehn werden keine wichtigen Gesprächsthemen mehr angesprochen. Aber auch tagsüber ist es bisweilen mehr als schwierig, den richtigen Zeitpunkt abzupassen: So wichtig kontroverse und konstruktive Streitgespräche der Eltern sind, so wenig brauchen sie den Nachwuchs als Zeugen oder Moderator. Und wenn es nur die Kinder wären! Nein, es gibt noch viel mehr Grund, Dinge nicht anzusprechen: Müdigkeit, Frust, Eile – um nur einige zu nennen.

Kurzfristig betrachtet kann ich mich darüber ärgern: Manche Dinge erscheinen so drängend, die müssen doch einfach raus! Ein Problem will unbedingt angesprochen werden, die Wahrheit muss auf den Tisch – Aufschub scheint unmöglich. In mir brodelt´s.
Langfristig gesehen weiß ich inzwischen, dass die Wahl des richtigen Zeitpunktes mehr als das Zünglein an der Wage sein kann: Hier entscheidet sich oft Erfolg oder Misserfolg eines Anliegens, der richtige Moment kann die Stimmung in die eine oder andere Richtung kippen lassen. Wann ich herausplatze mit welchem Problem, vermittelt manchmal Wertschätzung, manchmal Ignoranz.

Erst überlegen, dann reden – das entspricht wahrscheinlich nicht hundertprozentig meiner Persönlichkeit, kann aber schlau sein. Dringlichkeit ist dagegen oftmals ein schlechter Ratgeber. Irgendwo dazwischen liegt der richtige Zeitpunkt.

Kommunikation, nonverbal

Wir bringen den Jüngsten zu einem Freund und nutzen die Zeit für einen Ehepaar-Spaziergang. Auf dem Hinweg redet das Kind nonstop. Wir lächeln uns an – und freuen uns auf den stillen Rückweg. Je länger wir verheiratet sind, umso treffsicherer verständigen wir uns nonverbal.

Positiv daran: Die Kinder bekommen nicht alles mit. Mein Mann mit seiner sprachökonomischen Grundeinstellung freut sich über fast jede Rede-Pause. Die Erfahrung, dass wir uns ohne Worte verstehen, schafft Nähe.

Andererseits können sich negative Kommunikationsmuster breit machen. „Nutzt ja eh nix, noch was zu sagen – auf dem Ohr ist sie taub – der ändert seine Ansichten eh nicht mehr…“ Wenn ich Paare erlebe, bei denen sich eine gewisse Resignation eingeschlichen hat in die nonverbale Kommunikation, bin ich fest entschlossen, das nicht als unsere Zukunft zu akzeptieren.

Einzige Lösung: Miteinander reden, reden, reden. Zuhören, verstehen wollen, nachfragen, sich hinterfragen lassen, Rückmeldungen zulassen – auch wenn sie schmerzen. Nicht aufhören, ehrlich (!!!) über schwierige Themen zu sprechen, obwohl wir (vielleicht berechtigt) Angst vor Missverständnissen haben müssen oder die Ausgangs-Ansichten Welten auseinander liegen. Kommunikation – nonverbal – funktioniert nur, wenn wir die wirklich wichtigen Dinge verbalisieren.

Einfach mal die Klappe halten!

Ich habe die lästige Gewohnheit, manchmal die Sätze zu beenden, die mein Mann anfängt. Er hat die ärgerliche Gewohnheit, das überhaupt nicht lustig zu finden und mit meinen Satzenden nicht immer zufrieden zu sein: „Nein, das wollte ich nicht sagen.“ Mist.
Dabei muss ich mich fragen, wieso ich das überhaupt mache? Will ich ihm das Reden abnehmen? Wenn ich weiß, was er sagen wird: Warum ist es mir wichtiger, dass ich es tue, als dass er es tun darf? Denke ich, ich kann es besser? Es liegt nicht daran, dass er nicht gut reden oder sich nicht gut ausdrücken kann. Vielleicht ist er ein bisschen langsamer, als ich es wäre, formuliert anders, aber das ist eben sein Stil.

Ich muss zugeben, dass meine Motive weniger einer selbstlosen Hilfsbereitschaft entspringen als vielmehr dem sehr egoistischen Wunsch, mich selbst zu äußern. Ich will reden, ich will was sagen, ich will das Gespräch mit meinen Worten, meinen Formulierungen bereichern (füllen!). Abgesehen davon, dass es absolut unnötig ist, ist es noch dazu absolut unschön! Es ist „Ich, ich, ich will!“ anstelle von „Du darfst!“ Es ist rücksichtslos und überhaupt nicht wertschätzend. Und so will ich gar nicht sein.

Gewohnheiten kann man sich auch wieder abgewöhnen, ich weiß. Aktiv werden. Nicht reden, sondern schweigen – genauer gesagt: Einfach mal die Klappe halten!

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?

„Wo viel Worte sind, da geht’s ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippen im Zaum hält, der ist klug.“
Sprüche 10, 19

Und schon zucken die Gesprächigeren unter uns zusammen und fragen sich, wie sie ihren Mund aus dieser Schlinge bekommen. Es gibt einfach Unterschiede in den Persönlichkeiten, und nur scheinbar haben´s die Stilleren und Bedachteren leichter: Insgesamt denke ich, es kommt darauf an, dass man Gott hinlegt, wie man kommunizieren möchte und ihn in das eigene Denken über andere hineinlässt – schon lange bevor man tatsächlich in ein Gespräch verwickelt ist. Den anderen grundsätzlich wertzuschätzen, zu respektieren und ihm mit Wohlwollen zu begegnen, das färbt auf mein Reden und Schweigen mehr ab als eine bloß vom eigenen Willen gesteuerte Selbstbeherrschung. Und dann werden Spontaneität und Impulsivität gute Zutaten zu einem gelingenden, lebendigen Gespräch sein; bedächtiges Schweigen und zu viel Nachdenken darüber, was man jetzt wie sagen sollte, können Kommunikation auch ganz schön aus dem Fluss bringen.

Sich noch einen anderen Bibelvers hinter die Ohren zu schreiben, kann zudem nicht schaden:

Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“ (Epheser 4, 29)

Viel Punkt, kein Komma

Hauptsätze sind gut. Hauptsätze haben eine betörende Einfachheit. Sie sind meist klar strukturiert und immer gut verständlich. Sie erlauben allerdings auch wenig Interpretationsraum. Das muss nicht schlecht sein. In Hauptsätzen geht es um Information und sonst wenig mehr. Abschwächungen haben kaum Platz in ihnen. In einfachen Sätzen lässt es sich schwer zwischen den Zeilen lesen. Auch das muss nicht schlecht sein.

Wie viel Spannung kann man reinpacken in einen kurzen Satz? Wie komplex kann man sein in schlichten Sätzen ohne Komma? Ist ein Satz ohne Komma immer schlicht und einfach? Kann ich alles ausdrücken in diesen gewöhnlichen Subjekt-Prädikat-Objekt-Strukturen? Es ist einen Versuch wert. Er strengt an. Der Versuch strengt an. Ich denke nicht in so klaren Kategorieren. Ich denke eher in Schattierungen in grau und relativiere ganz gern. Woran liegt das? Will ich mich absichern vor unangenehmen Schlussfolgerungen anderer? Ich weiß es nicht. Ich weiß so vieles nicht. Nur soviel: Mit nur Hauptsätzen schaffe ich nicht so leicht 1.952 Wörter.

Wie ohne Punkt und Komma

Ein paar Jahre ist es her, da fragte ich einige Freunde meiner Schwester, ob sie ihr nicht ein paar nette Gedanken zu ihr aufschreiben könnten, ich würde diese dann in einem Buch zusammenstellen; und diese Anfrage löste ein ganze Flut netter Gedanken aus, insbesondere auch von einem guten Freund, den ich bis dato gar nicht persönlich kannte, der schrieb, was es über meine Schwester zu sagen gebe, könne man doch letztlich in einem Satz zusammen fassen – eine Aussage, die mich zunächst einmal irritierte, denn das klang erstmal negativ und ein wenig abwertend, als gäbe es im allgemeinen nicht viel zu sagen über sie, und als nächste Erwartung dachte ich, es müsse ja schon ein ganz ungeheurer Satz sein, der genau auf den Punkt bringt, was meine Schwester ausmacht, und war gespannt, was das sein könnte, und dann las ich aber weiter und musste meine erste Reaktion und zweite Erwartung gleichermaßen korrigieren, denn es zeigte sich, dass Satzlängen deutlich variieren können, und dabei wurde mir klar, dass es die Länge gar nicht ist, auf die es ankommt (obwohl es gemeinhin heißt, in der Kürze liegt die Würze, und dieser Satz mit seinen 1.952 Wörtern selbst von Schachtelsatzliebhabern nicht mehr als kurz bezeichnet werden konnte), sondern vielmehr der Inhalt, und dieser entpuppte sich als überaus unterhaltsam und inhaltsreich und lobend und wertschätzend, und da hatte ich dann nicht nur einen tollen Text für mein Buch für meine Schwester und einen interessanten anderen Blickwinkel auf sie – weil einfach jeder Freund einen anderen Blickwinkel auf einen Menschen hat als ein anderer –, sondern auch einen Beitrag, der vom Stil her so anders war als alle anderen, so erfrischend und belebend und spaßig und besonders, dass ich im Nachhinein sehr dankbar war, dass mir jemand gerade so einen Satz geliefert hatte über meine Schwester, denn so einen Satz gab es von sonst niemandem über sie, und auch für sie war dieser Satz am Ende ein besonderer, was mich einerseits besonders gefreut, andererseits aber auch vor einige Herausforderungen gestellt hat, denn wie bringt man in solch einer Endlosschleife von netten Gedanken den Lesefluss erleichternde Absätze unter, ohne das Stilmittel zu zerstören – eine Frage, die mir ziemlich Kopfzerbrechen bereitet hat, für die ich dann aber die wunderbare Lösung fand, an Stellen, die leicht wie Gedankensprünge verstanden werden konnten, Fotos einzubauen, die das Ganze zu einem im wahrsten Sinne des Wortes bunten Potpourri von netten Gedanken und netten Fotos gemacht haben.

Kurznachrichten-Krüppel

Ich habe SMS nicht richtig verstanden. Meine Kurznachrichten werden immer wieder mal alles andere als kurz. Mein Sohn dagegen treibt Kurznachrichten auf die Spitze: Er reiht ein paar Anfangsbuchstaben aneinander. Die kann der Empfänger nur verstehen, wenn er einen gewissen Auflösungscode verinnerlicht hat. Manches wie U2 kennt man ja schon, anderes ist mir total schleierhaft und ehrlich gesagt anstrengender zu lesen und zu schreiben als normale Sätze. Ob sich diese Abkürzungen irgendwann wieder überlebt haben werden und vergehen wie eine unpraktische oder kurzlebige Mode? Ich sitze das mal aus – und nerve meine SMS-Empfänger weiter mit ganzen Sätzen.

Aufmerksamkeit

Letztens las ich einen Artikel, der besagte, die Aufmerksamkeitsspanne von Menschen sei unter die von Goldfischen gesunken – von zwölf Sekunden im Jahr 2000 auf acht Sekunden in 2016; Goldfische können sich neun Sekunden auf eine Sache konzentrieren. Das heißt, dass spätestens an dieser Stelle in meinem Text ein verbaler Höhepunkt folgen sollte, damit Sie überhaupt weiter lesen. Aber vielleicht habe ich Sie schon verloren, weil es ihnen von vornherein nicht gefällt, über derartige Dinge nachzudenken? Oder Ihr Handy geklingelt hat? Oder sich die Frage nach den Wetteraussichten für die nächsten zwei Stunden in ihr Gehirn schleicht. Dagegen habe ich schlechte Karten, zumal ich Ihnen nichts zu bieten habe – außer verständlich (und eventuell interessant) geschriebene Texte.

Dabei stellt sich doch ganz offensichtlich vor allem die eine Frage: Woher wissen wir, wie lange sich ein Goldfisch konzentrieren kann? Wer untersucht so etwas und warum? In derselben Studie hieß es, ein Goldfisch könne sich zwölf Tage lang an eine Futterquelle erinnern. Da ich nicht weiß, wo ich vor anderthalb Wochen unser Mittagessen gekauft habe, bin ich also mit einem schlechteren Erinnerungsvermögen ausgestattet als ein Goldfisch? Diese haben als Haustiere, die gefüttert werden, einen gewissen Vorteil mir gegenüber – in einem Gartenteich gibt es schließlich nur einige Orte, an denen Futter auf der Oberfläche landet. Ich dagegen kann wählen zwischen Supermarkt, Bauer um die Ecke, Markt in der Stadt… , eventuell eigener Garten???

Wenn Sie bis hierher gelesen haben: Ist Ihre Aufmerksamkeitsspanne deutlich höher als die des Durchschnittslesers? Sind Sie besonders an Goldfischen und ihrem Fressverhalten interessiert? Oder ist dieser Text so toll geschrieben, dass Sie begeistert gern noch weiter lesen würden? Wenn ja, ist das dann auch der Beweis dafür, dass der Inhalt weniger wichtig ist als die Schreibe? Lass ich mich mal in dem (Irr-) Glauben!