Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?

„Wo viel Worte sind, da geht’s ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippen im Zaum hält, der ist klug.“
Sprüche 10, 19

Und schon zucken die Gesprächigeren unter uns zusammen und fragen sich, wie sie ihren Mund aus dieser Schlinge bekommen. Es gibt einfach Unterschiede in den Persönlichkeiten, und nur scheinbar haben´s die Stilleren und Bedachteren leichter: Insgesamt denke ich, es kommt darauf an, dass man Gott hinlegt, wie man kommunizieren möchte und ihn in das eigene Denken über andere hineinlässt – schon lange bevor man tatsächlich in ein Gespräch verwickelt ist. Den anderen grundsätzlich wertzuschätzen, zu respektieren und ihm mit Wohlwollen zu begegnen, das färbt auf mein Reden und Schweigen mehr ab als eine bloß vom eigenen Willen gesteuerte Selbstbeherrschung. Und dann werden Spontaneität und Impulsivität gute Zutaten zu einem gelingenden, lebendigen Gespräch sein; bedächtiges Schweigen und zu viel Nachdenken darüber, was man jetzt wie sagen sollte, können Kommunikation auch ganz schön aus dem Fluss bringen.

Sich noch einen anderen Bibelvers hinter die Ohren zu schreiben, kann zudem nicht schaden:

Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“ (Epheser 4, 29)

Zweierlei Maß

Misst Jesus mit zweierlei Maß, wenn er dem zur Nachfolge hoch Motivierten davon abrät – „denn der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege“, dem anderen sagt er, dieser solle alles stehen und liegen lassen und nicht einmal seinen Vater beerdigen (Matthäus 8, 19-22). Ist das wirklich paradox? Hängt es damit zusammen, dass Jesus beide Männer in- und auswendig kennt, ihre Umstände, ihre Bedürfnisse und vor allem ihre Beweggründe? So, wie ich meine Söhne kenne und dem einen rate, am Freitag zur Bandprobe zu gehen (trotz eines langen Schultages und obwohl er keine rechte Lust hat); dem anderen aber untersage ich, seinen Freitagnachmittag schon wieder außer Haus und bei einem Freund zu verbringen. Ist das zweierlei Maß oder die weise Führung einer Mutter, die die beiden gut kennt und (manchmal zumindest) weiß, was ihnen langfristig wirklich guttut und hilft????

Ich habe den Eindruck, wir können solche Texte nur verstehen, wenn wir neben den Fakten auch die Beziehungsebene berücksichtigen und Vertrauen und Bereitschaft mitbringen. Vertrauen, dass Jesus liebevoll ist, und Bereitschaft, die Spannung auszuhalten, die sich durch manche Bibelstellen ergeben. Wir dürfen davon ausgehen, dass Jesus nichts willkürlich gesagt, entschieden oder in eine Geschichte gepackt hat. Er wusste genau, wen er vor sich hatte, was wer zu dem Zeitpunkt genau gebraucht hat – ob derjenige es nun gern oder weniger gern gehört hat. Ebenso muss auch ich erst in Beziehung investieren, wenn ich in das Leben von Menschen hineinsprechen will. Den anderen wirklich sehen und verstehen wollen und mir von Gottes Geist zeigen lassen, was dran ist und angemessen und liebevoll.