Mein Ding

Menschen spielen leidenschaftlich Fußball oder Klavier, verschlingen Bücher jeder Art, lieben das Kochen, basteln, stricken, fotografieren oder reiten. Die Möglichkeiten, einer Sache begeistert nachzugehen, sind Legion.

Ich mache einiges gern, vielleicht sogar sehr gern: laufen gehen oder wandern, lesen, im Wohnzimmer tanzen und dergleichen. All das geht allein, das ist gut. Nur für eine meiner Leidenschaften brauche ich ein Gegenüber – fürs Kommunizieren, am liebsten schriftlich. Es funktioniert nur, wenn andere sich darauf einlassen. Dadurch kann ich es nur begrenzt praktizieren, das ist schade. Denn es ist einfach mein Ding.

Ein Programm für: geht doch!

Ich schöpfe die Möglichkeiten meines Computers nicht aus. Ich benutze nur einige der vorhandenen Programme aus – und keines davon beherrsche ich umfassend. `Für meine Bedürfnisse reicht es´, war bisher oft mein Leitspruch. Nur manchmal kam ich an die Grenzen meiner Anwender-Sachkenntnis und dachte, dass ich mich gern mehr auskennen würde.

Momentan ist es wieder soweit, denn ich würde gern einen Umklapp-Kalender bestücken – mit Sprüchen, in einem bestimmten Format, mit Hintergrund. Der Mensch, der mir die Blätter ausdrucken wird, empfahl mir eins dieser Programme, das ich besitze, aber kaum benutze. Nicht mein Medium, denke ich spontan, und frage meine Nichte um Rat. Sie antwortet sofort, schreibt was von `echt gut für Anfänger´ und `das Internet fragen´. Im Zweifelsfall könne ich gern auch noch einmal bei ihr durchklingeln. Die Generation heißt für mich weder X noch Y oder gar Z, sondern: Ich kann das und wenn nicht, frag ich Google. 

Durch ihre Ratschläge und Du-schaffst-das-schon-Schubser ermutigt, mache ich mich ans Werk. Schon nach kurzer Zeit habe ich sowohl den Dreh raus als auch ein tolles Ergebnis. Jetzt noch eine Probeversion beim Herrn Drucker abliefern, ob das für ihn passt – und dann los. Geht doch, denke ich.

Ich staune, was man heutzutage alles machen kann, und sehe vor meinem inneren Auge meine Schwester. Vor etwa 38 Jahren tippte sie ihre Diplomarbeit auf der Schreibmaschine, mit fünf Durchschlägen – ein Fehler und sie musste die Seite ein zweites Mal tippen. Davon sind wir heute meilenweit entfernt und träumen nicht einmal mehr davon. Alles, was wir aber noch immer brauchen: uns ran- und etwas zutrauen. 

Diskussionskultur: geht gar nicht!

Die Welt ist nicht schwarz-weiß, sondern schillert in vielen Schattierungen von grau. Aber nicht selten erlebe ich Gespräche über Politik, in denen völlig klar ist, welche Meinung die einzig wahre ist – und alle anderen Positionen `gehen ja wohl gar nicht´. Ohne mich auf der einen oder anderen Seite des politischen Spektrums positionieren zu wollen, finde ich das irritierend. Helmut Schmidt soll gesagt haben: „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.“ Nur, wie geht das, Streiten?

Nehmen wir mal an, ein paar Kinder sitzen im Sandkasten und streiten sich, wie gespielt wird. Selten funktioniert es von allein, öfter hagelt es böse Blicke, Sandduschen oder gar Schläge. Keine normaldenkende Mutter würde in einem solchen Fall tatenlos danebenstehen, geschweige denn die anderen Kinder von der Sandkastenkante schubsen. Stattdessen helfen Mütter ihren Kindern, KOMPROMISSE auszuhandeln. „So geht das aber nicht“, heißt es dann, „ihr könnt euch sicher einigen.“ Weil nur so das Zusammenspielen funktioniert.

Die erste Regel für `gutes Streiten´ ist sicherlich, einander zuzuhören – und anzuerkennen, dass der andere nicht automatisch komplett bescheuert ist, nur weil er eine andere Meinung hat. Toleranz nennt man das: ein Geltenlassen anderer Überzeugungen. In der Praxis des Diskutierens scheint schon das häufig eine zu hohe Hürde. Viel einfacher ist es, bestimmte Ansichten einfach unter `geht gar nicht´ abzulegen und die eigene Meinung noch ein bisschen lauter rauszuschreien. Nur bringt uns das leider überhaupt nicht weiter in unserem demokratischen Miteinander. Im Gegenteil entsteht eine Geht-gar-nicht-Diskussionskultur, über die sich meiner Meinung nach nur eins sagen lässt: geht gar nicht!

Schärf deine Säge!

Eine Familie ist relativ neu in unserer Nachbarschaft und noch sehr beschäftigt, Haus und Garten nach ihren Vorstellungen umzubauen beziehungsweise zu gestalten. Der Hausherr ist geschickt und motiviert und macht ganz viel selbst. Letztens zerlegte und fällte er einen Baum von der Hebebühne aus und mit ziemlich stumpfer Motorsäge – mühselig, schweißtreibend und langsam. Es wäre eine gute Idee, die Säge zu schärfen, dachten wir beim Vorbeigehen.

Die Säge zu schärfen, weiß ich von meinem Mann, ist ein universelles Prinzip: das Prinzip der Pause, in der man seine Ressourcen erneuert (=schärft). Es gilt für Material, aber auch für den Körper und, wie ich jede Woche merke, für den Geist.

Seit einiger Zeit löse ich gern das Um-die-Ecke-gedacht-Rätsel in der ZEIT. Es ist nicht einfach – vor allem der Anfang. Ich rätsele fast immer in zwei Etappen: Oft fange ich am Freitagabend an und muss irgendwann aufhören, weil ich nicht weiterkomme. Am nächsten Tag habe ich dann (fast wie `von selbst´) einen frischen Blick und bin neu konzentriert. Und das, was am Abend zuvor noch völlig außerhalb meiner mentalen Reichweite lag, wird plötzlich machbar. Bis zur endgültigen Lösung dauert es dann nicht mehr lange.

Es fasziniert mich jedes Mal wieder neu und bestätigt: Pausen sind kein Zeitfresser, sondern ein doppeltes Geschenk! Einerseits tut mir eine Pause währenddessen gut. Zusätzlich verleiht sie mir für das Danach neuen Schwung. 

Fassungslos und sehr dankbar

Mein Mann erzählt mir von einem schwierigen Gespräch, das er geführt hat. Ich staune über sein Geschick. Spontan lasse ich mich hinreißen zu einem ehrlichen: „Du bist großartig!“ Er lacht sich schlapp. Ich bin fassungslos, was für eine Perle ich da geheiratet habe – und nach fast 27 Jahren sehr dankbar.

Leider fachfremd

„Dafür bin ich zu wenig Orthopäde …“, sagt meine Frauenärztin und ich stutze einen klitzekleinen Moment. Denn glücklicherweise ist sie kein Fachidiot, wie man so sagt, sondern hat einen vertrauenerweckend ganzheitlichen Blick auf die Physis. Aber wieso mein Oberarm bei bestimmten Bewegungen schmerzt, kann sie mir leider nur ganz grob beantworten. Irgendwas von entzündeter Sehne weiß sie zu berichten. Die dadurch ausgelösten, von ihr beschriebenen Symptome passen zu dem, was ich erlebe. Mit den Wechseljahren hat die ganze Sache ihrer Meinung nach nichts zu tun – eher mit meinem Alter an sich. Und was sich dagegen tun lässt, will und kann sie mir auch nicht sagen. Denn dafür sei sie zu wenig Orthopäde. Schade eigentlich! 

Bleib? Nö!

Hundebesitzer sind ebenso bei Wind und Wetter draußen wie Eltern kleiner Kinder oder Läufer. Die meisten sind freundlich – ob sie ihren Hund nun im Griff haben oder nicht. Manche reden nur mit ihrem Hund, nicht aber mit dem Menschen, dem der Hund gerade hinterherrennt. Damit kann ich inzwischen leben, sofern das Tier aufgrund des Geschimpfes irgendwann von mir ablässt.

Ein Hundebesitzer, dem ich – glücklicherweise – sehr selten begegne, redet jedoch überhaupt nicht: auch nicht mit seinem Hund. Stattdessen bleibt er, also der Hundebesitzer, stehen, wenn er mich sieht. Ohne Blickkontakt stellt er sich vor seinen vierbeinigen Liebling. Verständlicherweise ist dieser umso neugieriger und starrt mir gespannt entgegen. Wenn ich ehrlich bin, macht das keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Entsprechend nervös gehe (oder jogge) ich dann an beiden vorbei – zurecht: In einer fließenden Bewegung drängelt sich der Hund hinter seinem Herrchen vorbei und springt mir vor die Füße, soweit es die dann plötzlich straff gespannte Leine zulässt. Und noch immer: kein einziges Wort.

Der Mensch könnte wissen, dass ein zufällig vorbeilaufender Spaziergänger mit seinem Hund weder um die Wette rennen noch spielen möchte. Aber der Hund? Der weiß das nicht, dem muss man das sagen, meinetwegen mit einem: „Bleib!“ oder: „Hiergeblieben!“ Irgendetwas, es ist mir egal. Aber ganz ohne Kommunikation macht der Hund eben, was ER will.