Vorübergehend, hoffentlich

Mit leichtem Gepäck ist der Sohn vor einigen Jahren ins Studium und in eine andere Stadt gezogen. Er nahm kaum etwas mit, sein Zimmer blieb fast unverändert eingerichtet. 

Drei Jahre später wechselt er für ein halbes Jahr den Wohnort. Was sich in der Zeit angesammelt hat, lagert er vorübergehend bei uns ein. Ein paar Sachen wandern in den Keller, der Rest verteilt sich – glücklicherweise nicht gleichmäßig – im Haus.

Ich bin einerseits froh, dass wir den Platz haben. Andererseits hoffe ich, dass vorübergehend nicht zu einer Dauerleihgabe wird.

Kreativ mit KI?

Im Internet `stolpere´ ich über eine Frau, die Kreativ-Workshops anbietet, unter anderem: Kreativ schreiben mit KI. Mit ihren Angeboten ist sie voll im Hier und Jetzt, sozusagen. Sie wirbt mit Begriffen wie `Female Empowerment´ und `Storytelling im Change-Prozess´.  Auch ihre Preise lassen vermuten, dass sie gut im Geschäft ist – nicht ganz meine Liga. Wahrscheinlich kann sie super schreiben und andere erfolgreich anleiten, das auch zu tun.

Dennoch bin ich nur eingeschränkt begeistert beziehungsweise verhalten bis skeptisch. Will ich etwas erschaffen und mich dabei durch Künstliche Intelligenz beflügeln lassen? Kreativität braucht Inspiration, das ist klar. Für mich ist es dennoch ein Unterschied, ob mich real existierende Dinge inspirieren wie Menschen oder Geschichten oder ein Algorithmus. Bei KI fehlt mir der dahinterliegende Geist, die menschliche Komponente der Unvollkommenheit. Meine eigene Kreativität ist begrenzt, nicht perfekt und manchmal mühsam. Das ist nicht immer angenehm, aber dafür ehrlich. Es käme mir unlauter vor, eine Abkürzung über KI zu nehmen – selbst wenn der Leser meiner Texte keinen Unterschied erkennen könnte.

Multitaskingfähig? Nur sehr beschränkt!

In einem Anflug von morgendlichem Größenwahn versuche ich, mir gleichzeitig die Zähne zu putzen und die Haare zu föhnen. Mit dem Ergebnis bin ich zwar zufrieden, aber es dauert ebenso lange, als wenn ich es nacheinander gemacht hätte. Außerdem muss ich mich sehr konzentrieren, mit der linken (Föhn-)Hand nicht ebenso kreisförmige Bewegungen zu machen wie mit der rechten, die sich um die Zähne dreht.

Mancher behauptet ja, er könne bügeln und dabei fernsehen; auch stricken und häkeln soll vor der Glotze möglich sein. Ich kann es nicht ausprobieren – wir haben keinen Fernseher. Aber ich würde sicher scheitern. Mir bereitet beim Bügeln schon das Telefonieren Probleme – unter anderem, weil das Telefon sich so schlecht mit der Schulter einklemmen lässt. Bei engagierten Antworten meinerseits bügele ich außerdem minutenlang auf der Stelle. Auch wenn ich mit Sprach- oder Textnachrichten auf dem Handy beschäftigt bin, stehe ich für mein Umfeld nicht mehr zur Verfügung. „Mach erstmal fertig, Mama“, sagen meine Kinder meist: Denn ich beende Sätze abrupt, reagiere mit sehr großen Pausen oder rede Unsinn. Überhaupt, für Handy plus Irgendetwas habe ich weder Talent noch Ehrgeiz.

Offenbar falle ich in die Kategorie Eins-nach-dem-anderen-Mensch. Gleichzeitig könnte ich nur etwas in Richtung Kaugummi kauen und reden. Da ich kein Kaugummi-Mensch bin, beschränkt sich mein Multitasking auf Dinge wie spazieren gehen und beten.

Umschreiben? Macht nichts!

Beim Umschreiben meines Führerscheins von Papier zu Karte sehe ich, dass ich diesen offenbar erst einen Monat nach meinem 18ten Geburtstag ausgehändigt bekam. Dabei hätte ich schwören können, ich wäre damals genau an meinem Geburtstag mit Freunden ins Kino gefahren. Ich weiß sogar noch, welchen Film wir geschaut haben (Dirty Dancing), in welchem Kino wir waren (Filmmuseum in Potsdam) und wer dabei war. Doch heute Morgen stand da dieses andere Datum, alle anderen Informationen offensichtlich korrekt – und ich zweifle.

Es ist eine Weile her, beruhige ich mich, in fast 37 Jahren kann man sich im Datum schon mal um einen Monat vertun. Was aber ist mit meinen anderen Wahrheiten; was, wenn alles andere auch nicht stimmt? Wenn es nicht Dirty Dancing war, nicht das Filmmuseum in Potsdam und auch nicht meine beiden liebsten Abi-Freunde, mit denen ich mich noch heute treffe? Müsste ich auch meine Erinnerung `umschreiben´? Die Fakten wären falsch, aber wen kümmert´s! Wie es sich damals anfühlte im Auto (auf irgendeiner Fahrt, irgendwann und irgendwohin), das werde ich weiterhin spüren: eine Mischung aus erwachsen, übermütig, frei und leicht. Selbst wenn deren Ursache nur eine Illusion ist, verursacht mir die Erinnerung daran auch in Zukunft ein warmes Gefühl im Bauch. 

Mein Lohn

Ich lese vier paar Bachelor-Arbeiten Korrektur. Weil die Probanden fast gleichzeitig abgeben müssen, habe ich nicht viel Zeit. Aus Erfahrung weiß ich, dass man IMMER etwas übersieht – und hoffe, dass es in diesem Fall nicht zu viel sein wird. Als Bezahlung wünsche ich mir farbige Socken, die ich nicht nur mag, sondern wirklich gut gebrauchen kann. Ebenso schnell, wie ich gelesen habe, besorgen die Herren meine Socken. Ich packe sie aus und weiß: Mein Lohn ist wunderbar und wird mich noch lange an diesen Korrekturauftrag erinnern.

Gute Gründe?

Ich würde gern mehr Klavier spielen beziehungsweise üben. Aber ich tue es nicht und habe immer gute Gründe dafür:

Ich will zum Beispiel niemanden stören – das Klavier steht im Wohnzimmer.
Es soll auch niemandem aus meiner Familie wegen meiner musikalischen Entfaltung mangeln an Essen oder sauberer Wäsche.
Bereitwillig nehme ich Rücksicht darauf, wenn sich jemand lieber mit mir unterhalten als mir beim Musizieren zuhören möchte.
Ein paar andere Kleinigkeiten blockieren oft die Zeiten, in denen ich spielen könnte. Denn wenn ich ganz ehrlich bin, mache ich einige Dinge noch lieber, als mich ans Klavier zu setzen: nämlich Briefe zu schreiben beziehungsweise spazieren oder laufen zu gehen. 

All das resultiert darin, dass mein Klavierspiel sich kaum verbessert. Wenn es mir leichter fiele, hätte ich mehr Freude und würde es lieber tun – da bin ich sicher. Dafür müsste ich mehr üben. Aber meine guten Gründe schieben sich immer wieder dazwischen.

Es ist ärgerlich, aber eindeutig: So wird das nichts mit meiner Klavier-Virtuosität.

Ge(kenn)zeichnet

Falten sind unwiderruflich: Sind sie erstmal da, wird man sie nicht wieder los. Ich denke, auch Botox und Co. können dagegen nur sehr begrenzt etwas tun – abgesehen davon, dass sich mir ohnehin nicht erschließt, wieso jemand ewig aussehen will wie von vorgestern. Wie dem auch sei: Ich habe, anders als mein Mann, auf der Stirn neben altersbedingten Quer- auch der ernsthaften Konzentration geschuldete Längs-Falten: das schon einmal erwähnte Toss (triangle of sadness).

Diese fälschlicherweise Wut-Falten genannten Kerben zwischen den Augenbrauen haben sich bei mir inzwischen verstetigt. Mein Mann versucht ab und zu, sie wegzustreichen: „Komm, entspann dich“, säuselte er kürzlich. Er sei nur neidisch, konterte ich, ich wäre eben – im Gegensatz zu ihm – in besonderer Weise vom Leben gekennzeichnet … Wir sind kurz still, dann lächelt er mich an und sagt freundlich: „Gut, dass du nicht vom Leben gezeichnet bist!“ 

Ein Wort – und noch eins

`Ein Wort gibt das andere´, sagt man und meint damit, dass sich ein Streit gern mal hochschaukelt. Wenn keiner der Beteiligten aktiv das weiße Tuch schwingt, nehmen die ausgetauschten verbalen Unfreundlichkeiten zu an Aggression und Lautstärke.

`Irgendwann gab ein Wort das andere´, schreibe ich meinem Schwiegervater und beziehe mich auf das aktuelle ZEIT-Rätsel, dessen Lösung ich ihm wie jede Woche zuschicke. Je mehr der gesuchten Begriffe ich herausfand, desto leichter erschlossen sich jene, die mir noch fehlten.

Genaugenommen passt die Redewendung nicht ganz – und trifft trotzdem wunderbar, was ich sagen will. Ich schätze, mein Schwiegervater hat genug Training im `Um-die-Ecke-Denken´ und wird mir zustimmen. 

Mind blowing

Ich lese eine Bachelor-Arbeit Korrektur. Es geht um autonomes beziehungsweise durch Regelmechanismen unterstütztes Fahren. Ich verstehe nicht viel, eigentlich fast nichts. Aber ein Satz bleibt mir hängen: „Dies entspricht den theoretischen Erwartungen, dass enge Kurven sowohl für den menschlichen Fahrer als auch für ein autonomes Fahrzeug eine höhere Herausforderung darstellen.“ Das stimmt, denke ich, hätte ich aufgrund meiner Erfahrungen als Autofahrerin auch so erwartet. Interessant, wie schwer es ist, solch eine Gewissheit des gesunden Menschenverstandes empirisch zu belegen. Der Rest der Arbeit ist wohl das, was man als `mind blowing´ bezeichnet, wenn man das mal wörtlich übersetzt: mein Gehirn wegblasend.

Im Gespräch

Direkt nach der Arbeit bin ich mit einer Freundin verabredet. Mein Kopf ist noch voll vom Tag; es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren. Deshalb schweife ich gedanklich immer wieder ab und bearbeite weiter, was mich im Büro beschäftigt hat. Was meine Freundin sagt, erreicht mich nur wie durch einen Nebel. Meine Antworten sind halbherzig und oberflächlich. Ich ertappe mich dabei, dass ich vermittle, interessiert zuzuhören – und es aber nicht wirklich bin. Immer wieder muss ich mich `zurückholen´ in das Hier und Jetzt. Es dauert eine kleine Weile, bis ich nicht nur körperlich, sondern auch mental da bin: mit meiner Freundin im Gespräch.