Wunderbar!

„Das kannste dir nicht ausdenken!“, sagt mein Sohn, wenn etwas wortwörtlich wunderbar ist: eine Situation 100-prozentig passt oder etwas einfach super läuft etc. Jemand anderes spricht dann vielleicht von einem tollen Zufall; aber wir wissen, was er meint – nämlich dass Gott seine wunderbaren Finger im Spiel hat.

Einige Job-Möglichkeiten der letzten Monate kamen nicht zustande – oft aus mir nicht ersichtlichen Gründen. Der Job, den ich jetzt habe, ist Neuland für mich. Ich muss mich konzentrieren und kann und muss täglich viel dazulernen. Aber die meisten meiner Aufgaben passen zu mir, als hätte jemand sie genau zugeschnitten auf meine Gaben und Interessen. Einfach wunderbar – das kannste dir nicht ausdenken.

Die Schulen werden´s schon richten – irgendwie

Das Land lehnt ein Handyverbot an Schulen ab; das sei `rechtlich nicht durchsetzbar´, heißt es. Stattdessen vertraue man auf die Fachkompetenz und Eigenverantwortung der Schulleitungen, Lehrkräfte und Elternräte. Die sollen richten, was die Eltern nicht schaffen – und man fragt sich: Was sollen die Schulen denn NOCH machen?

Ein paar Tage später lese ich, dass eine Schule es dann doch gewagt hat, Handys aus dem Schulalltag zu verbannen. Sie wird glatt zurückgepfiffen und der Beschluss rückgängig gemacht. Gut so, sagt ein dort lernender Schüler, so ein Verbot gehe an der Lebensrealität der Schüler vorbei. Schließlich habe nun mal fast jeder ein Handy – auch schon in der Grundschule. Alles klar, denke ich. Und weil sie nun mal da sind, die mobilen Handgeräte, muss man sie auch überall mit sich führen und benutzen dürfen. Schließlich leben wir in einem freien Land. Egal, ob der IST-Zustand fragwürdig ist, darf er doch nicht infrage gestellt werden.

Eine andere Schülerin argumentiert noch interessanter: Für sie sei ihr Handy ein nötiger `Rückzugsort im stressigen Schulvormittag´. Eine Generation, die digitale Reizüberflutung als Rückzugsort im analogen Miteinander empfindet – finde nur ich das bedenklich?

In echt!

Auf dem Weg zur Arbeit überquere ich meist ein kleines Flüsschen. Eines Morgens kreuzt ein Vogel meine Route – ganz dicht vor mir, ungefähr auf Höhe meines Vorderrades. Er ist klein, das Gefieder auf seinem Rücken strahlend blau.

Ich bin kein Ornithologe, aber ein eifriger Beschreiber verschiedener Foto-Postkarten-Serien. Deshalb erkenne ich ihn sofort: ein Eisvogel. Was für eine unerwartet besondere Begegnung; so nah werde ich ihm `in echt´ wohl nicht wieder kommen!

Je nachdem – so oder so beschränkt

„Warum waren Sie noch nie da?“, fragt mich meine Frauenärztin. Mein Schulterzucken beantwortet sie mit einer ausführlichen Erklärung: Nicht umsonst werde das Mammografie-Screening angeboten, weil dadurch zuverlässiger auch kleinste Knoten gefunden würden: „Die kann ich gar nicht ertasten.“ Und dann sagt sie noch viel mehr, fast ohne Luft zu holen, während sie mich unverwandt anschaut. Dabei bewegen sich ihre Augen nur minimal, sie blinzelt kaum. Ihr Blick irritiert mich ein wenig, so dass ich Mühe habe, ihren Ausführungen zu folgen. Ich höre was von `quetschen´ und `blaue Flecken am Schienbein´ und frage mich, was das alles mit meinem Busen zu tun hat. Schlussendlich verabschiede ich mich mit dem Eindruck, ich sollte mich mal um einen Termin fürs Mammo-Screening kümmern.

Nachmittags treffe ich eine gute Freundin. Vor einigen Jahren hatte sie Brustkrebs – inklusive Bestrahlung und Chemo. In dieser Zeit haben wir uns oft gesehen, geredet und gebetet. Als ich von der Empfehlung zur Mammografie erzähle, hebt sie abwehrend die Hände: „Das würde ich nicht machen“, sagt sie, „die Brust wird so stark gequetscht, das soll manchmal Brustkrebs überhaupt erst auslösen!“

Interessant, denke ich, und auch unglaublich. Aber die Vorbehalte gegen das Quetschen beim Mammografie-Screening scheinen weit verbreitet zu sein. So weit, dass meine Frauenärztin selbstverständlich davon ausgegangen war, ich würde sie kennen und deswegen skeptisch sein. Außerdem stimmt es mal wieder: Du kannst zehn Leute fragen und zehn Meinungen erhalten. Es hängt von mir ab, wem ich glaube und vertraue. In dem Fall bin ich sicher, dass beide Frauen mein Bestes wollen. Je nachdem also, wen ich als nächstes frage, wird sich die eine Sicht bestätigen oder die andere.

Meiner Freundin und meiner Ärztin geht es da ebenso wie mir: Hinsichtlich des Mammografie-Screenings beziehen sie ihre Informationen aus dritter Hand. Die eine ist Ärztin – und schulmedizinisch qualifizierter. Die andere ist Betroffene und sicherlich empfänglicher, was jenseits der Schulmedizin diskutiert wird. Und beide Sichtweisen sind auf ihre Weise beschränkt.

Wie nett ausbaldowert!

In einem Artikel in der Zeitung wird der Sprecher irgendeiner Staatsanwaltschaft zitiert – indirekt: Die drei Terroristen hätten `die Gegend ausbaldowert´, steht da. Ausbaldowert, ich muss lächeln: Wie lange habe ich dieses Wort nicht mehr gehört, geschweige denn gelesen!

Besagter Sprecher ist wohl nicht mehr der Jüngste, denke ich, und er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Juristensprech hört sich anders an – Zeitungsdeutsch auch. Welcher Journalist das wohl ausbaldowert hat, diese Aussage so ungeglättet zu übernehmen … 

Der Klassiker

Laut einer Erhebung geht mittlerweile jedes siebte bis fünfte Kind ohne Frühstück in die Schule, also: ohne gefrühstückt zu haben UND ohne Brote im Gepäck. Und dann sitzen sie da, diese Schüler, und können sich nicht konzentrieren, weil sie Hunger haben – ein klassisches und oft zitiertes Beispiel für Vernachlässigung. Die Ursache liegt bei den Eltern, die entweder nicht darauf achten wollen oder können.

Erwischt, denke ich mir. Frühstück vor beziehungsweise in der Schule war und bleibt auch in unserer Familie ein schwieriges Thema. Und das, obwohl wir mit gutem Beispiel vorangehen und morgens gemeinsam am Essenstisch sitzen. Als unsere Kinder klein waren und sich noch nicht so gut wehren konnten, nötigten wir sie zu einigen Bissen oder wenigstens zu einem Glas Milch. Spätestens bei den Schulbroten kam unsere Einflussnahme jedoch an ihre Grenzen: Die Kinder brachten sie oft unangetastet wieder mit nach Hause und aßen sie dann hier vor dem Mittagessen. Manchmal fand ich die Klappstullen Wochen später beim Unkrautjäten in der Hecke vor dem Hause – oder sie wurden auf dem Heimweg irgendwo im Nirgendwo entsorgt.

Unser Jüngster ist 15, und auch er steht lieber spät auf, als sich Zeit fürs Frühstück zu nehmen. Die paar Minuten, bis er losmuss, verbringt er am Handy, das dann hierbleibt – damit er sich in der Schule besser konzentrieren kann. Ob das klappt, ist angesichts des verpassten Frühstücks natürlich fraglich.

Ich weiß, wie wichtig laut irgendwelcher Ernährungsexperten das morgendliche Frühstück gerade für junge Menschen ist. Ein Gehirn, das arbeiten soll, braucht Energie. Außerdem sollte man während der Kindheit gute Gewohnheiten entwickeln: Was wir essen und trinken sollten, wie viel wovon, in welchen Abständen … Das Internet ist voll mit `gesunden und schmackhaften Ideen für ein abwechslungsreiches Frühstück´. Aber was soll ich sagen? Sie prallen an mir ab. Denn auch ich hatte ein ambivalentes Verhältnis zu meinen Schulbroten. Meine Lösung war Condor, der Schäferhund meines großen Bruders. Er war nicht mäkelig, immer hungrig – und ein verlässlicher Abnehmer für meine Pausenbrote.

Nicht-persönlich, aber herzerwärmend

Ich komme aus dem Büro nach Hause und niemand ist da. Ich freue mich immer, wenn jemand mich begrüßt, habe aber auch nichts dagegen, hier allein zu sein. Die Post war schon da: Werbung und Rechnungen liegen auf der Treppe. Darunter finde ich zwei `echte´ Briefe an mich – einer von meiner Freundin aus Australien, einer von meiner Nichte. Ich mache mir einen Tee, setze mich aufs Sofa und freue mich über das, was die beiden Frauen mir erzählen. Ein herzerwärmenderes nicht-persönliches Willkommen kann ich mir fast nicht vorstellen.

Selbst- und Fremdwahrnehmung

„Ich habe mich gewundert, wie unruhig es bei euch zugeht“, sagt eine Bekannte, die zum ersten Mal bei uns im Gottesdienst ist, „Leute kommen und gehen, haben ihr Handy präsent und reden miteinander.“ Es gäbe wenige Momente andächtiger Stille, sagt sie.

Sie hat recht, es geht ungezwungen zu bei uns. Das Gemeindehaus und die Gemeinschaft sind nicht steif und fremd, sondern vertraut und häuslich; die Atmosphäre ist eher herzlich und familiär. Die meisten kennen sich schon seit vielen Jahren und treffen sich nicht nur Sonntag morgens. Und das Handy dient einigen als Bibelersatz oder sie fotografieren, was der Prediger vorn an die Wand wirft.

Aber dieses lockere Miteinander hat eine zweite Seite: Die Gespräche sind intensiv und vertraut – manchmal leider auch während des Gottesdienstes. Dann kann es leicht so wirken, als fehlte uns die Ehrfurcht gegenüber dem heiligen Gott, dem wir vor allem begegnen wollen. Es täte uns gut, uns fragen zu lassen, ob etwas dran ist an diesem Eindruck …

Gedankenverloren oder ignorant?

Ich fahre mit dem Rad auf eine Gruppe junger Mädchen zu, die auf dem Radweg stehen oder sich diesem nähern. Eine von ihnen sieht mich und bleibt stehen oder geht zur Seite. Sagt sie den anderen Bescheid? Nö; sie ist gedankenverloren oder ignorant.

Vor dem Supermarkt sind viele Parkplätze für Autos und ein kleiner Abschnitt an der Wand für Fahrräder. Oft parkt auch dort ein Auto: Es ist schließlich nah dran an der Eingangstür. Denkt der Fahrer darüber nach, dass er den Radfahrern damit buchstäblich im Weg steht? Nö; er ist gedankenverloren oder ignorant.

An der Supermarktkasse steht ganz vorn ein älteres Ehepaar. Mann und Frau packen gemeinsam und in aller Ruhe die Einkäufe ein. Erst als alles verstaut ist, zückt die Frau das Portemonnaie. Merken die beiden, dass sich hinter ihnen eine lange Schlange gebildet hat? Nö; sie sind gedankenverloren oder ignorant.

Schwere Sprache(n)?

„Es ist gut zu wissen, dass ihr okay damit seid …“, schreibt eine meiner Töchter und ich verziehe ein wenig das Gesicht. Sie lebt gerade in einem englisch-sprachigen Umfeld, das erklärt einiges. Dort ist es normal, `to be okay´ zu sagen und zu meinen, dass man etwas in Ordnung findet.

Zu derselben Kategorie gehört, wenn ich davon spräche, dies oder das sei `fein für mich´. Es ist zwar die wortwörtliche Übersetzung von `it is/works fine for me´; idiomatisch korrekt wäre aber, dass etwas gut läuft oder gut ist.

Ebenso löst die Aussage, etwas solle `in Existenz kommen´, bei mir verständnisloses Kopfschütteln aus. Denn ich verstehe zwar, was gemeint ist, staune selbst aber lieber darüber, wenn etwas zustande kommt.

Ich liebe die englische Sprache sehr – ebenso wie meine deutsche Muttersprache. Jede hat ihren eigenen Reiz, samt feststehender Redewendungen und einem sich ständig erweiternden Wortschatz. Es ergibt – nicht macht(!) – für mich keinen Sinn, zwei Sprachen unbedarft miteinander zu vermischen: Sie verlieren dadurch ihre Einzigartigkeit.