Warum es gut sein kann, keine Wahl zu haben.

Eine meiner Töchter wird zum nächsten Schuljahr Chemie und Biologie abwählen – und investiert sich schon jetzt entsprechend zurückhaltend in diese Fächer. „Ich kann Chemie überhaupt nicht“, sagt sie, „gut, dass ich das abwählen kann.“ Ich kann sie verstehen, weiß aber, dass `überhaupt nicht können´ nur möglich ist, weil sie überhaupt nicht muss. Zu meiner Zeit und in meinem Land ging das nicht – Fächer abwählen. Wir durften in der Oberstufe lediglich entscheiden zwischen Kunst und Musik, das war´s. Weil es keine Abwahl-Alternative gab und diese dann eben in meinem Denken auch nicht vorkam, merkte ich: Ein bisschen Chemie konnte ich eben doch. Ich war (und bin) nicht schlauer oder naturwissenschaftlich begabter als meine Tochter, glaube ich. Ich hatte nur keine Wahl – und das mobilisierte Energien in mir, die mir sonst verborgen geblieben wären.

Das System war nicht besser oder schlechter als das heutige. Aber es hat mir weder geschadet noch das Genick gebrochen, alle Fächer bis zum Abitur belegen zu müssen.

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