Das letzte Wort

Paul Gerhardt (1607-1676) erlebte den 30-jährigen Krieg, verlor seine Eltern im Teenageralter, musste vier seiner fünf Kinder begraben und schließlich auch seine Frau. Er studierte Theologie, arbeitete als Pfarrer und schrieb viele Kirchenlieder. Das sind die Eckdaten seines Lebens – die Fakten. Sie erzählen von einem Menschen, dem das Leben übel mitgespielt hat. In seinen Liedtexten wird deutlich: Er nahm sich selbst anders wahr – weil er den Fakten seines Leben nicht das letzte Wort überließ, sondern Gott:

„Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt,
der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden gibt Wegen Lauf und Bahn;
der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Dem Herren musst du trauen, wenn dir`s soll wohlergeh`n;
auf sein Werk musst du schauen, wenn dein Werk soll besteh`n.
Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein
lässt Gott sich gar nichts nehmen, es muss erbeten sein.

Ihn, ihn lass tun und walten, er ist ein weiser Fürst
und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst,
wenn er, wie ihm gebührt, mit wunderbarem Rat
das Werk hinausgeführet, das dich bekümmert hat.“

Das letzte Wort

Diskussionen leben von Argumenten. Klar: Über Fakten kann man sich austauschen, über Befindlichkeiten weniger. Mir gehen leider oft die Argumente aus. Ich bin anders schlau. An Stelle von begründbaren Fakten gibt es bei mir etwas anderes. Intuition, Instinkt. Diese lassen sich manchmal nicht leicht in Worte fassen und sind daher nur wenig überzeugend. Leider. Dadurch stehe ich in kontroversen Gesprächen schnell – symbolisch gesprochen – mit dem Rücken zur Wand.

Dennoch bin ich genau wie jeder andere Mensch interessiert daran, das letzte Wort zu haben. Dieses ist aber oft denjenigen vorbehalten, die eben noch ein Argument aus der Tasche ziehen können. Weil ich nicht zu ihnen gehöre, ist mein letztes Wort des öfteren: „Ich weiß, was ich weiß.“ Und egal, wie oft mein Mann sagt, so könne man doch nicht argumentieren (weiß ich selbst), oder es mit einem milden Lächeln quittiert und sich seinen Teil denkt: Es ist manchmal meine Rettung; und ich verwende es nur, wenn ich überzeugt bin, dass mein Gespür in der Sache wirklich von Belang ist.

Bei Malcolm Gladwell, einem meiner Lieblingsautoren, hat dieses Phänomen sogar einen Namen: „The power of thinking without thinking.“

Über Menschentypen wie mich sagt er: „Did they know why they knew? Not at all. But they knew.“ Ich weiß, was ich weiß.