Wind und Wetter

Meine jüngere Töchter fährt morgens mit dem Rad in die Schule: Es regnet und hagelt, der Wind kommt aus allen Richtungen. Ihre ältere Schwester muss erst später hin und erwischt eine kurze Regenpause. Nach der zehnten Stunde kommen beide wieder durch herrliches Novemberwetter nach Hause – und sind zwar nass, aber fröhlich. Vor allem die Jüngere erzählt quietschvergnügt von der Hinfahrt mit ihren beiden Freunden: Einer fuhr ohne Schutzblech, so dass sich seine helle Hose binnen kürzester Zeit verfärbte – schlammbraun. Der andere war schon nass, als die anderen beiden (etwas verspätet) am Treffpunkt ankamen. Meine Tochter fand das alles dermaßen amüsant, dass sie (vom Lachen völlig außer Puste) darum bat, bitte langsamer zu fahren. Die beiden Jungen lehnten ab – weniger amüsiert als genervt. Also strampelte mein Kind laut lachend hinterher.

In der Schule angekommen waren alle drei klitschnass. Das tut mir leid. Andererseits freue ich mich über ihr gemeinschaftliches Radfahren; es erinnert mich an meine Schulzeit – weitgehend ohne Elterntaxis oder motorisierte Mitschüler. Außerdem bewundere ich den Galgenhumor meiner Tochter, der sie bei Wind und Wetter animiert zu atemberaubenden Gelächter.

Bei Wind und Wetter? Von wegen!

Vor dem Supermarkt treffe ich einen Bekannten. „Du fährst bei Wind und Wetter Fahrrad!“ In seinen Worten schwingt eine gewisse Bewunderung mit – die ich diesmal nicht verdient habe: Es sind fast zehn Grad, kaum Wind, kein Regen(-Wetter). Was letztlich stimmt, ist: „Du fährst Fahrrad!“ Und das ist nun wirklich keiner Bewunderung wert. (Ich radle zwar auch bei Wind und Wetter, aber das ist eine ganz andere Geschichte!)

Aus dem Wind

Das Meer und der Wind gehören zusammen, das eine gibt es nicht ohne das andere. Surfer, Kiter, Segler, Segelflieger – alle mögen und brauchen Wind. Sie freuen sich über seine Kraft und darüber, diese in Geschwindigkeit umzusetzen. Ich mag und brauche Wind nur sehr begrenzt. Unablässiges Blasen geht mir auf die Nerven, außerdem friere ich schnell.

Trotzdem fahre ich freiwillig ans Meer. Aus der Ferne denke ich an die Weite des Ozeans, und rechne mit Sonne, Wärme und blauem Himmel. Die auch zur Küste gehörende Unermüdlichkeit des Windes überrascht mich jedes Mal neu – und fordert mich heraus. Aber: Nirgends sonst ist es so ein gutes Gefühl, nach einem Spaziergang „aus dem Wind zu sein“.

Laufen und Wind

Wenn es nicht junge Hunde regnet oder eisglatt ist, die Luft vor Hitze steht oder wir krank sind, gehen wir dienstags laufen – und donnerstags und einmal am Wochenende. Wir sind nicht dogmatisch, aber für regelmäßigen Sport ist eine gewisse zeitliche Struktur hilfreich. Vorgestern war Dienstag; es regnete nicht, nur die Ausläufer vom Sturmtief Sabine wehten noch über den Landkreis. Als wir uns also – vom böigen Gegenwind fast zum Stillstand ausgebremst – über unsere gewohnte Laufstrecke kämpften, gaben wir sicherlich ein komisches Bild ab. Mein Mann sprach`s aus: „Bei diesem Wetter jagen andere nicht einmal ihren Hund vor die Tür.“

Ich musste schmunzeln, konnte aber nicht antworten – dazu reichte meine Atemluft nicht. In Gedanken stimmte ich ihm zu: Wer uns sieht, denkt auch, wir hätten nicht alle Latten am Zaun, nicht alle Tassen im Schrank – oder nicht alle Flügel am Windrad. Mir fiel Frederick Buechners leicht spöttischer Kommentar zu Läufern ein: „Wenn du nicht von ihnen selbst wüsstest, dass sie beim Laufen Glücksgefühle verspüren – in ihren vom Schmerz verzerrten, leicht gequälten Gesichtern würdest du es nicht sehen.“ (Frederick Buechner, Whistling in the Dark, frei übersetzt) Es mag anders aussehen, aber wir laufen freiwillig und wirklich gern.

Luft und Wind

Es stürmt in ganz Deutschland, auch bei uns. Heute auf dem Weg zum Bäcker und zur Post kam der Wind sowohl hin als auch zurück von vorn – und noch dazu in Böen. Ich war nicht lange unterwegs, der Gegenwind störte mich nicht wirklich. Aber: Je nachdem, wie mein Gesicht im Wind „stand“, blieb mir zeitweise fast die Luft weg.

Ich gehe davon aus, dass sich die vorhandene Luftmenge nicht vermehrt oder verringert. Wind beschleunigt nur das, was da ist. Wenn kein Wind weht, steht die Luft still – atmen ist einfach und selbstverständlich. Rückenwind ist angenehm und willkommen; Gegenwind strengt an und stört uns – wir geraten außer Puste. Wie sehr wir die (stille) Luft brauchen, merken wir erst, wenn der Wind heftig und von überall kommt – und uns den Atem nimmt.

Wind

Vor einigen Tagen war es sehr windig. Es wehte stark und unablässig, meist aus Osten. Die Sonne schien ebenso unablässig, ihre Kraft wurde aber durch den Wind abgemildert. Es war nicht wirklich kalt, aber es fühlte sich kalt an. Jackenwetter – zumindest für Menschen wie ich, die schnell frieren. Abgesehen davon ist mir der Wind auf den Keks gegangen. Die Wehgeräusche im Haus, sobald ein Fenster geöffnet war, die aufschlagende Terrassentür – nervig. Das Radeln im Wind – mit ihm und gegen ihn – gleichermaßen anstrengend. Nicht schön. Und ich erinnerte mich an eine Formulierung aus „Mittagsstunde“ von Dörte Hansen:

„Man machte es am besten wie das dünne Pferd, man duckte sich und blieb ganz still, den Rücken in den Wind, den Kopf gesenkt, norddeutsche Schonhaltung. Dem großen Mahlwerk möglichst wenig Angriffsfläche bieten, man gewöhnte sich das an, wenn man hier aufgewachsen war.

Man hatte hier als Mensch nicht viel zu melden. Man konnte gern rechts ranfahren, aussteigen, gegen den Wind anbrüllen und Flüche in den Regen schreien, es brachte nichts. Es ging hier gar nicht um das bisschen Mensch. Das hier war Altmoränenland, es hatte ewig unter Gletschereis gelegen, es war geschliffen und verschrammt, das bisschen Wind und Regen machte ihm nichts aus.“

Weil ich aber nicht in Nordfriesland lebe, sondern am Rand der Lüneburger Heide, bin ich noch genervt vom Wind (auch ohne Regen). Anstatt ihn hinzunehmen wie eine Naturgewalt, gegen die man ohnehin nichts ausrichten kann. Und die – anders als in Nordfriesland – nur ab und zu und nicht immerzu nervenaufreibend über die niedersächsische Tiefebene pfeift. Ich weiß, Wetter geht noch schöner – undankbares Menschlein…