Mütter mit Vorsprung

Erziehung ist individuell und nur bedingt aus einem Ratgeber zu lernen. Als Mutter muss ich meinen Stil selbst finden, sozusagen „learning by doing“. Manchmal bin ich ratlos und sehne mich nach Orientierung – auch nach 19 Jahren. Erziehungsbücher sind gut, die Erfahrung anderer Mütter ist oft besser.

In meinem Bekanntenkreis sind einige Mütter, die mir eine Lebensphase voraus sind – Mütter mit Vorsprung: Sie haben früher Kinder bekommen und sind in der Regel etwas älter. Ihre Erfahrung empfinde ich als hilfreich; sie sind abgeklärt und verändern meine Perspektive. Wir begegnen uns auf Augenhöhe – egal, wie viele Lebensphasen diese Mütter mir voraus sind. Auch für sie gilt noch „learning by doing“; sie belehren mich nicht, wir unterhalten uns nur.

Nur einige der Mütter mit Vorsprung halte ich nicht gut aus. Bei ihnen schwebt über jedem Gespräch ein „kenn ich, weiß ich, war ich schon“. Ihnen gegenüber fühle ich mich klein und unerfahren und weiß doch, dass ich es nicht bin. Von ihrer Erfahrung profitiere ich nicht, denn: Ich unterhalte mich nicht gern mit ihnen. 

Mittlerweile bin ich selbst eine Mutter mit Vorsprung. Trotzdem habe ich nicht auf jede Frage eine Antwort – und bleibe „learning by doing“. Das ist auch gut so, denn: Nichts beendet ein Gespräch schneller als „kenn ich, weiß ich, war ich schon“.