Die meisten Infekte der Atemwege verlaufen harmlos und stärken die Immunabwehr; sie führen in der Regel nicht zum Tod. Vor allem wenn ein Kind krank wird, ist das selten gefährlich, sondern nur lästig. Einigen anstrengenden Tagen und Nächten folgt eine stabilere Gesundheit. Das gilt trotz höherer Infektiosität auch für Covid-19: Sehr viele Menschen sterben nicht an diesem Infekt und leiden auch nicht unter `long covid´. Traurige Ausnahmen gibt es bei jeder Krankheit – und ebenso beim Autofahren, Fliegen, einem ungesunden Lebensstil usw.
Normalerweise vertrauen wir genau auf diesen Regelfall und ängstigen uns nicht vor der Ausnahme – bevor wir uns infizieren und besonders, wenn wir infiziert sind. Leider ist uns diese Einstellung in den letzten zwei Jahren systematisch verloren gegangen: ein bedauerliches `long covid´-Symptom. Die derzeit vorherrschende Omikron-Variante ermöglicht uns auf wunderbare Weise, wieder Vertrauen zu wagen anstatt in Furcht zu verharren.
„Ich habe das nicht gemacht“, sagt eins meiner Kinder zu mir. Es ist gelogen – und das wissen wir beide. Ich bin enttäuscht und staune gleichzeitig, wie wenig diesem Kind die Lüge auszumachen scheint: Immerhin habe ich mehrmals nachgefragt und um Blickkontakt gebeten.
Die Tat selbst hat keine Folgen – weder finanziell noch in anderer Hinsicht. Die Lüge dagegen `macht´ etwas: Sie beschädigt unser Vertrauen. Das ist ein hoher Preis angesichts dessen, worum es geht. Es kann aber sein, dass nur ich das weiß.
„Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat“, heißt es in der Bibel (Hebräer 10, 35). Es geht dabei NICHT um das Vertrauen in uns selbst, sondern in Gott. Theoretisch ist das klar, aber praktisch setze ich sehr auf meine eigenen Fähigkeiten. Erst wenn ich nicht weiterkomme, bitte ich Gott um Hilfe, aber selbst dann bleibt ein Rest von `ICH schaffe das´ – bis es wirklich nicht mehr geht.
Ich habe einen (Schreib-)Auftrag, der mich herausfordert. Soweit – so gut: Komfortzonen sind dazu da, sie zu verlassen. `Ich schaffe das schon´, denke ich, `ich kann ja was´. Weil ich zu wenig weiß, bitte ich jemanden um Hilfe, der sich besser auskennt. Nach unserem ersten Treffen habe ich mehr Fragen als vorher und bitte um ein zweites und drittes Gespräch. Ich bezahle für die Informationen mit Geld und Zeit – und öffne eine Art Pandora Box. Die schiere Menge an Fakten und Themen erschlägt mich und raubt mir meine innere Ruhe. Aus dem zuversichtlichen `ICH schaffe das schon.´ wird innerhalb von drei Tagen ein ohnmächtiges `ICH kann das nicht.´ Also bete ich: „Hilf mir, Gott, ich vertraue dir (dass ich etwas schaffe)“ – und mache trotzdem selbst weiter: Meine Gedanken sind beherrscht und getrieben von der Aufgabe. Ich bemühe mich und komme doch nicht weiter – und bin unfähig, ratlos, unsicher und nervös. Ich fühle mich überfordert und wie im `freien Fall´ – nicht schön.
Irgendwann kapituliere ich innerlich; ich lasse den Auftrag los – und gleichzeitig meine Angst zu scheitern. Ich bete: „Hilf mir, Gott, ich vertraue dir (dass du etwas schaffst).“ An den Fakten ändert sich nichts; aber ich denke wieder über andere Dinge nach und lebe in Ruhe mein normales Leben. Mein `Ich kann das nicht´ verliert seinen Schrecken. Ich `falle´ nicht mehr, sondern `halte´ mich fest an Gottes Zusage: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ (Römer 8, 28)
Ich bin zwar der Lösung keinen Buchstaben näher und mir ist nicht klar, wie es weitergeht. Dennoch bin ich gelassen und innerlich befriedet – weil ich nicht auf meine Fähigkeiten vertraue, sondern auf Gott.
„Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich dann, als hättest du es nicht empfangen?“ 1. Korinther 4, 7
Ich habe einen Schreibauftrag, der umfangreich ist und zu Beginn unübersichtlich; ich fühle mich überfordert und beschäftige mich gedanklich viel damit – vor allem nachts. Allerdings sind meine Tage voll mit Haushalt, Einkaufen, Vorlesen, Hausaufgaben. Dadurch kann ich mit dem Schreiben nicht sofort anfangen. Zwar ärgert und vor allem stresst mich das innerlich; aber ich kann schlecht aus meiner Haut: Wenn viel praktisch zu tun ist, kann ich leider nicht kreativ arbeiten.
So vergehen zwei Tage, an denen ich hinsichtlich des Auftrages nur meine Gedanken sammle, aufschreibe und Material ordne: Ich gehe `schwanger´ mit meinem Projekt, mehr passiert nicht. Trotzdem lässt der innere Stress nach – wieso? Mir wird bewusst, dass ich nicht allein zuständig bin; es hängt wenig von mir und viel von Gott ab. Er sorgt für alles, was ich brauche – meine Gaben und die äußeren Umstände: Ich liebe es zu schreiben, habe ein Gefühl für Sprache, lege Wert auf verständlich gesetzte Worte und feile gern an Formulierungen. Bei vergangenen Aufträgen war ich bisher immer rechtzeitig inspiriert, hatte genug Zeit und konnte konzentriert arbeiten. Ich vertraue darauf, dass Gott auch diesmal alles Nötige zur Verfügung stellt.
„Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Menschen.“ Psalm 118, 8
Obwohl ich vor zwei Tagen mit der Schere durch meine Buchsbäume gegangen bin, finde ich bei näherer Betrachtung noch weitere Zünsler-Nester. Je länger ich suche, desto mehr finde ich. Es ist offenbar eine Illusion, dass ich alle Zünsler-Larven beseitigen könnte.
Ich finde aber auch Schnecken in den Buchsbäumen und sehe Vögel, die hineinfliegen. Die Pflanzen machen insgesamt einen gesunden Eindruck: Viele Triebe sind nicht befallen oder neu. Daher vertraue ich darauf, dass meine Buchsbäume trotzdem überleben können, selbst wenn ich den Zünsler nicht vollständig ausmerzen kann.
Ebenso ist es, wenn ich ins Auto steige. Ich kann eine noch so gute Autofahrerin und mit einem sehr modern ausgestatteten Fahrzeug unterwegs sein: Ein folgenschwerer Unfall ist immer möglich. Ein Moment der Unachtsamkeit, ein Reh (oder Kind), das über die Straße läuft, plötzlicher Starkregen auf der Autobahn … Wenn ich mich mit dem Auto auf den Weg mache, vertraue ich darauf, dass ich trotzdem heil ankommen werde.
Heranwachsende Kinder kann ich als Mutter immer weniger schützen – vor gefährlichen Situationen, schlechtem Einfluss, unangenehmen Erfahrungen. Dennoch lasse ich sie zunehmend allein ziehen. Ich vertraue darauf, dass sie trotzdem gut durch ihre Tage kommen.
Ein gewisses Restrisiko gehört im Leben dazu, wir können nicht alles vorhersehen, einplanen oder klären. Es ist eine Illusion, dass wir alles im Griff haben. Die Frage ist, wem wir in letzter Instanz vertrauen, dass unser Leben trotzdem gut ausgeht.
„Verlasset euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen.“ Psalm 146, 3
„Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: `Bei den Menschen ist`s unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich.´“ Matthäus 19, 26
Meine Spazier-Runde führt mich an einem kleinen Tümpel vorbei. Oft sitzen dort Vögel, die feuchte Wiesen mögen – Reiher, Störche, Gänse. An den vergangenen Tagen sah ich morgens häufig einen Reiher. Aus verschiedenen Gründen hätte ich ihn gern fotografiert, hatte jedoch weder Kamera noch Handy dabei. Gestern nahm ich meinen Fotoapparat mit und betete auf dem Weg: „Herr, ich will kein Flies auslegen wie Gideon – so wichtig ist es nicht. Aber es wäre doch schön, der Reiher säße heute wieder dort. … Du kannst das machen, es ist dir leicht möglich.“
Gespannt ging ich weiter, aber doch auch skeptisch. Zu oft schon ist es mir so gegangen, dass sich Wunder nicht auf den ersten Blick erspähen lassen. Oft habe ich mich im Vertrauen geübt, obwohl ich nichts gesehen habe – oder nur einen Hauch: Gott hat schon geheilt, aber nicht über Nacht, sondern durch ein Jahr Chemotherapie und großes Elend. Gott hat schon geholfen, aber nicht direkt, sondern mehr durch die Hintertür. Gott steckt hinter jedem Umweg, hinter jedem „im Nachhinein war es gut so“, ich weiß; aber dieses ganz Spektakuläre, von dem die Bibel spricht? Mir ist es noch nicht widerfahren.
Diesmal also hoffte ich in dieser unspektakulären und unwichtigen Sache auf ein Zeichen – beziehungsweise auf den Reiher. Dort, wo er sonst auch häufig hockt, wollte ich ihm gern „begegnen“. Was soll ich sagen: Er hockte nicht dort. Leicht enttäuscht, aber innerlich bestätigt machte ich ein Foto von der leeren Wiese mit dem Tümpel. Ich hatte es nicht anders erwartet; Gott lässt sich nicht manipulieren. Ich weiß, dass Gott alles kann, auch wenn er es nicht immer tut. Die Bibel nennt das Vertrauen auf das, was nicht ist:
„Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Hebräer 11, 1
Einige Minuten später sah ich aus dem Augenwinkel etwas kurz aufflattern und wieder landen – etwa zweihundert Meter entfernt. Da war er, der Reiher, kaum zu erspähen: Gut getarnt ist so ein Reiher mit seinem langen silbrig schimmernden Hals inmitten der Ufergewächse, die ebenso schimmern. Hatte er sich – oder Gott? – nur in der Wiese geirrt? Würde er vielleicht später noch kommen? Ich weiß es nicht, so lange blieb ich nicht stehen.
Gott hat sich nicht in der Wiese geirrt, so etwas passiert Gott nicht. Der Reiher saß einfach auf einer anderen. Ich sollte das nicht überbewerten, ich weiß. Ich bin dazu aufgefordert zu vertrauen, auch wenn ich nichts sehe. Immer und immer wieder übe ich mich darin. Eine kleine unverdiente Überraschung wäre aber doch schön gewesen.
Das Corona-Virus ist gefährlich. Fast noch gefährlicher ist die schnelle und flächendeckende Ausbreitung desselben. Es gibt eine hohe Dunkelziffer an Infizierten und die Symptome sind nicht so leicht von denen einer „ganz normalen“ Erkältungskrankheit zu unterscheiden. Außerdem gibt es (relativ viele?) schwere Fälle, teilweise mit tödlichem Ausgang: Immer wieder geht es in den Nachrichten um den Bedarf an Beatmungsbetten. All das verunsichert und kann Angst machen.
Dennoch kann es nicht das Ziel sein, dass sich möglichst niemand mit dem Virus infiziert. Wenn ich es richtig verstehe, haben wir als ganzes Volk nur eine Chance, wenn wir aufgrund durchgemachter Erkrankungen bei vielen jungen und gesunden Menschen eine sogenannte Herden-Immunität entwickeln können. Die Gefährdeten – Alte, Immunschwache, Grunderkrankte – müssen solange geschützt werden, bis wir einen Impfstoff haben. Daher soll die Infektionsrate durch die laufenden Maßnahmen nicht gestoppt, sondern möglichst verlangsamt werden.
Es ist also gut und wichtig, das Virus ernst zu nehmen, ohne Angst zu haben – denn das ist weniger gut, wenn nicht sogar gefährlich für die Psyche. Die Grenze dazwischen ist ein schmaler Grat, ich will sie nicht überschreiten. Verdrängung erscheint mir keine gute Methode zu sein. Stattdessen kann man sich informieren und befolgen, was unsere Politiker empfehlen. Aber das einzige wirklich hilfreiche Mittel gegen Angst ist Vertrauen. Ich kann der Regierung vertrauen oder darauf, dass ich schon nicht schwer erkranken werde. Ich persönlich vertraue Jesus als letzter Instanz; denn ich weiß, dass es auch in dieser Situation eine dritte Perspektive gibt:
„Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Johannes 16, 33
Manche
Aufgaben im Leben sind nicht so einfach: Kinder gut zu erziehen
beispielsweise; uns mit sehr unangenehmen, aber unveränderlichen
Umständen zu arrangieren; unseren Stolz aufzugeben und so weiter.
Diese „zwischenmenschlichen“ Dinge entziehen sich oft unserer
Machbarkeit.
„Es
soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist
geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ Sacharja 4, 6
Damit
kann nicht gemeint sein, dass wir die Hände in den Schoß legen
sollen und sich alles von allein regeln wird. Die Bibel ist voll von
Ratschlägen, „die Zeit auszukaufen“, sich in Sachen Fleiß ein
Beispiel an der Ameise zu nehmen, und dass „Glaube ohne Werke tot
ist“.
Es geht nicht darum, fatalistisch alles dem Zufall oder Schicksal zu überlassen. Wir sollen uns bemühen, fleißig sein und unsere Gaben und Ressourcen verantwortlich einsetzen.
Es
geht darum, wem letztlich mein Vertrauen gehört in allem. LETZTLICH
ist es nicht unser Tun, was den Unterschied macht, sondern Gottes
Geist.
Selber tun – ja. Und dann vertrauen, loslassen und den Ausgang Gott überlassen. Das ist nicht so einfach.
Um
mich für meine England-Reise im Herbst zu rüsten, lese ich das Buch
„Watching the English“ von Kate Fox. Es löst in mir Erheiterung
aus, Erstaunen und ist so umfassend geschrieben, dass ich WEISS: Ich
werde die unausgesprochenen Regeln des (verbalen) britischen Umgangs
auf jeden Fall brechen. Und – die Briten werden höflich genug
sein, mich das nicht spüren zu lassen.
Was
ich aber über junge Männer an einer Stelle lese, lässt mich
innehalten und eine gedankliche Schleife drehen. Es geht um männliche
Heranwachsende, die sich normalerweise in Kneipen oder auf Parties
laut und leicht aggressiv verhalten, die vielleicht sogar eine
gewisse kriminelle Energie mit sich bringen – oder nur zu viel
Testosteron. Gehen diese jungen Männer zu einem Pferderennen,
benehmen sie sich anders. Kate Fox schreibt über sie (frei
übersetzt): „Ihr relativ zivilisiertes Benehmen beim Pferderennen
setzt alle landläufigen Überzeugungen zur Ursache von Chaos und
Gewalt außer Kraft und beweist, dass es für Horden junger Männer
durchaus möglich ist, sich zu versammeln, zu spielen und große
Mengen Alkohol zu trinken – und das alles bei einem großen
Sportereignis -, ohne sich zu schlagen oder in anderer Weise für
Ärger zu sorgen. Sie mögen laut sein und demonstrativ auftreten,
aber sie sind nicht aggressiv, sondern bemerkenswert wohlerzogen: Sie
halten Frauen die Türen auf, sagen ´Danke` und ´Bitte`, und wenn
sie betrunken in dich hineintorkeln, entschuldigen sie sich.“ Und
später schlussfolgert sie, woran das liegen könnte: „Wenn junge
Männer wie verantwortlich handelnde Menschen behandelt werden,
verhalten sie sich als solche. Behandelt man sie als Kinder oder als
nicht zurechnungsfähige, wilde und verantwortungslose Biester –
verhalten sie sich entsprechend.“
Mir kamen sofort meine größeren Kinder in den Sinn, die sich herantasten ans Erwachsensein. Was traue oder mute ich ihnen zu, inwieweit vertraue ich ihnen? Ich möchte ihr Rumprobieren mit dem Großwerden gern unterstützen und aushalten und bin unsicher, welche Rolle ich dabei spiele. Ich frage mich: Wie hilfreich sind ab einem gewissen Alter Kontrolle und Detailfragen? Müssen wir wirklich über alles reden, nur weil sie ihre Füße noch unter unseren Tisch stellen? Andererseits aber auch: Inwieweit halten sie die Konsequenzen ihres Handelns aus? Der Übergang hin vom Kind zum erwachsenen Gegenüber fällt mir nicht in den Schoß; ich bin darin nicht so gut. Ich finde beides schwierig, das Loslassen und das konsequente „In-die-Pflicht-Nehmen“. Ich probiere noch herum – genau wie meine Kinder…