Schatten

Die meisten Menschen sind mir in irgendeiner Weise überlegen: Sie sind sprachlich versierter, gedanklich sortierter, selbstbewusster, praktisch begabter, musikalischer, sportlicher, hübscher, organisierter oder sonst irgendetwas. Ich stehe in einer bestimmten Eigenschaft in ihrem Schatten. Es ist mir bewusst, aber ich spüre es kaum – vielleicht weil ich auf einem anderen Gebiet meinen eigenen Schatten werfe. Im Grunde bin ich mit meiner persönlichen Mischung aus Stärken und Schwächen ganz zufrieden.

Anders ist es, wenn ich Menschen treffe, die mir in allem (ich übertreibe nur ein ganz kleines bisschen) überlegen sind – wie eine Frau in meinem Umfeld. Ich kann mich noch so gut auf Begegnungen mit ihr vorbereiten: Der Schatten, den sie wirft, ist zu groß für mich – als ganzer Mensch fühle ich mich unterlegen und minderwertig. Diese Frau ist sehr liebenswert und weiß nichts von ihrer Wirkung auf mich. Nach jedem Treffen brauche ich ein paar Tage, um mich davon zu erholen. Ich würde gern aus diesem Schatten heraustreten: Dafür muss ich mich nicht mit der Frau, sondern mit mir selbst anfreunden.