Nur eine Mücke?

Abends im Bad, eine Mücke umschwirrt mich. Sie schwebt lautlos um mich herum und landet sanft auf meinem Oberschenkel. Ich möchte nicht gestochen werden – weder jetzt noch später – und erschlage sie. Ich könnte sie leben lassen, schätze ich und ahne, dass mancher mir meine unnötige Brutalität vorwerfen würden. Konsequente Tierschützer treten nicht nur für Rehe auf die Bremse, sondern dulden auch Schnecken in ihrem Garten und Spinnen jeglicher Größe in ihrem Haus. Die ganz radikalen unter ihnen töten auch keine Fliegen oder Mücken und begründen dies mit dem Begriff der schützenswerten Schöpfung.

In Afrika erkrankte mein Sohn zweimal an Malaria. Er hat es gut überstanden – weil er schnell Zugang zu den richtigen Medikamenten hatte. Das geht nicht allen so; ich schätze, ein Moskito gilt in manchen Regionen in Afrika nicht als ein schützenswertes Geschöpf. Tierschutz muss man sich leisten können, denke ich: nicht unbedingt finanziell.

Solche Tiere und andere

Von `meinem´ Jäger weiß ich, dass auch er auf Tierschutz achten muss: Zum Beispiel sind Waschbären und Nutrias in unserer Gegend eine Plage. Ihr Bestand wird daher dezimiert – nach genauen gesetzlichen Vorgaben. Man benutzt Lebendfallen, damit kein schützenswertes Tier getötet wird. Aus Versehen gefangene Füchse zum Beispiel werden wieder freigelassen. So weit so gut. Geht aber ein Waschbär in die Falle, ist sein Schicksal besiegelt: Er wird erschossen. Damit der Waschbär `möglichst keinen Stress hat´ (bevor er erschossen wird), dunkelt man die Falle ab.

Ich denke an das Leben und Sterben anderer Tiere: Aufgrund unseres hohen Fleischkonsums leben in Deutschland viele Nutztiere – nicht nur unter optimalen Umständen. In Schlachthöfen sterben sie buchstäblich am Fließband. Um eine stressarme Betäubung und Tötung selbst kümmern sich ganze Forschergruppen – vor allem wegen der Fleischqualität. Wie aber sieht es drumherum aus? Das Leben in einem Mastbetrieb, der Abtransport auf engen Lastern (platzsparend zusammengepfercht) und das eilige Entladen am Schlachthof: Ich bezweifle, dass sich das für Schweine oder Rinder stressfrei anfühlt.

Es ist super, sich um das Tierwohl zu bemühen – und einheitliche Vorgaben dafür zu schaffen. Mir wären allerdings die vielen Nutztiere wichtiger als die wenigen Waschbären, wenn es um stressfreie letzte Minuten vor dem Tod geht.

Tierschutz, was sonst?

In einem Bericht über Daunenfedern und deren schier unübertreffbare Isolationswirkung lese ich folgenden Satz: „Recycelte Daunen tragen nicht zum Tierschutz bei.“ Er stammt von einer Tierschützerin – natürlich – und zielt darauf ab, dass der Ursprung dieser wiederverwendeten Daunen dann schwerer nachzuvollziehen ist. Der Endverbraucher könne dann nicht mehr sicher sein, dass die Daunen in seinem Kleidungsstück nicht doch von lebendig gerupften Tieren stammen.

Zwar finde ich es gut, dass wir in Deutschland auf das Tierwohl achten – und hier niemand den Tieren bei lebendigem Leib die Daunen vom Körper rupft. Andererseits halte ich ein recyceltes Produkt in jedem Fall für nachhaltiger als ein nicht recyceltes: Wenn ich etwas weiterverwende, was schon da ist, brauche ich nichts Neues zu erwerben. Ein altes Kleidungsstück mit recycelten Daunen – wo auch immer sie ursprünglich herkamen – erspart einem weiteren Tier, seine Federn lassen zu müssen. Für mich ist das Tierschutz; aber vielleicht bin ich da zu pragmatisch und verstehe die komplexen Zusammenhänge nicht. Kann sein.