Sehen und tun

In der Geschichte vom barmherzigen Samariter hilft dieser einem Verletzten, der am Wegesrand liegt – von Räubern bestohlen und geschlagen. Bevor der Samariter anhält und hilft, passierten schon zwei andere Männer die Stelle. Beide sehen den Verletzten und gehen vorbei, so steht es da (Lukas 10, 31+32). Die beiden sind Priester beziehungsweise Levit, also von Berufs wegen beauftragt, Menschen Gott nahe zu bringen. In dieser Hinsicht versagen beide jämmerlich: Sie sehen den zerschlagenen Mann – und sehen ihn doch nicht. Es rührt sie nicht, wie es ihm geht.

Als der Samariter hingegen den Verletzten sieht, `jammerte er ihn´ – er hatte Mitleid. Das ist alles, was ihn von den anderen beiden Männern unterscheidet. Der Samariter sieht den armen Mann dort liegen und öffnet sein Herz; er hilft ihm. Die anderen sehen dasselbe, aber sie verschließen ihr Innerstes. Sie wollen keine Zeit haben für den Mann, wollen ihm nicht helfen müssen und schon gar kein Geld investieren. Sie sind nicht per se total böse und der Samariter total gut; der Unterschied ist geringer: Die einen sehen nur mit dem Verstand, der andere auch mit dem Herzen – und reagiert entsprechend.

Vielleicht ärgert der Samariter sich hinterher, weil alles länger dauert, als er dachte. Vielleicht kommt er zu spät zu seiner Verabredung und bekommt auch das Geld nie zurück, mit dem er die Herberge für den Verletzten bezahlt (Vers 35). Wir erfahren es nicht, weil es darum nicht geht. Entscheidend ist, dass wir sein sollen wie er: uns bewegen und anrühren lassen von dem, was andere durchmachen. Dann werden wir etwas tun. Wir können jederzeit entscheiden, wie viel wir helfen und wie stark wir das Leid unserer Mitmenschen mildern wollen; es existiert keine Vorschrift zur Selbstaufgabe. Aber wir sollen die Not um uns herum wirklich sehen – und nicht einfach daran vorbeigehen.

Barmherziger Samariter

„Herr, mein Wunsch ist es, dir zu gefallen.
Was ich tue, soll dein Herz berühr´n.
Lass die Liebe, die du gabst, mich neu bewegen,
wie du barmherzig zu sein.“
(Outbreakband, „Dein Herz berühr´n.“)

Bei uns im Gebetsraum in der Gemeinde hängt ein Bild vom Barmherzigen Samariter. Er hält den verletzten Mann im Arm und hilft ihm auf. Ich kenne die Geschichte, ich weiß, dass der Mann aus Samaria der erste (und einzige) war, der dem Verletzten half. Er versorgte seine Wunden, brachte ihn in eine Herberge, bezahlte dort für ihn und versprach, auf dem Rückweg weitere Kosten zu übernehmen.

Der Kern der Geschichte ist, dass gerade der Samariter hilft. Die Samariter hatten mit den Juden damals nicht viel zu schaffen. Oder die Juden nicht mit den Samaritern, wie man´s nimmt. Trotzdem hilft gerade der. Jesus erzählt das, um deutlich zu machen, dass unser Nächster jeder ist, der in Not ist – ob wir ihm gewogen sind oder nicht. Es geht nicht darum, ob der Nächste unsere Hilfe verdient.

Was mir darüber hinaus deutlich wurde: Letztlich motiviert hat den Samariter nicht der in Not geratene Verletzte. Was ihn getrieben hat, war auch nicht die Anerkennung, die er für seine Hilfe bekommen könnte. Wahrscheinlich wurde die Hilfeleistung sowieso von niemandem wahrgenommen. Es geht nicht darum, welchen Lohn wir durch unser Verhalten ernten.

Was ihn letztlich motivierte, war seine Beziehung zu Gott selbst. Ich glaube: Wenn unsere Motivation der Mensch ist oder die explizite Not, werden wir nicht weit kommen. Unsere innerste Natur ist eben nicht barmherzig und selbstlos, sondern auf den eigenen Vorteil bedacht. Erst wenn wir im Herzen verstanden haben und glauben können, dass Gott uns um unser selbst willen liebt – bedingungslos und grenzenlos -, werden wir mit dieser Liebe großzügig umgehen können, ohne Hintergedanken. Es geht darum, dass unsere Motivation Gott selbst ist. Erst dann haben wir bei dem, was wir tun, vor allem unseren Nächsten im Blick und nicht uns selbst.

„Herr, mein Wunsch ist es, dir zu gefallen.
Was ich tue, soll dein Herz berühr´n.
Lass die Liebe, die du gabst, mich neu bewegen,
wie du barmherzig zu sein.“