Zweite Kasse bitte

Mal wieder bildet sich im Supermarkt eine Schlange an der Kasse. Zwei Rentnerinnen vor mir fordern eine zweite Kasse – erst leise, dann etwas lauter. Eine von ihnen dreht sich verständnissuchend zu mir um, aber ich widerspreche ihr vorsichtig: „Es sind nur ein paar Minuten, die es länger dauert“, sage ich, „die kann man nutzen, um ein bisschen zur Ruhe zu kommen.“ Das habe sie gerade beim Sport schon gemacht, nuschelt sie und wendet sich ab, das brauche sie hier jetzt nicht mehr. Dann öffnet eine weitere Kassiererin die gewünschte zweite Kasse – von der allerdings nur die Leute hinter mir profitieren. Ich wechsele nicht.

Als ich den Supermarkt verlasse, steht eine der beiden Damen noch immer auf dem Parkplatz. Sie unterhält sich: in aller Ruhe.

Geschäftigkeit – Mai 2017

Ein angebrochener Mittelfußknochen zwingt mich zu einer Ruhe, die ich sonst so nicht suchen würde. Mehrere Gedanken drängen sich auf:

Wir sind ein Volk der Betriebsamkeit; es fällt uns schwer, nichts zu tun oder uns wenigstens nicht über unser Tun zu definieren. Und das gilt nicht nur für die viel gescholtenen Schwaben mit ihrer „Schaffe, schaffe, Häusle baue“-Mentalität, sondern auch für mich.

Plus: Ich frage mich, was meine Zeit wert ist, wenn ich sie im Nichtstun verbringe. Warte insgeheim auf den Tag, an dem ich wieder durchstarten kann. Dabei bin ich gar nicht faul, nur ein bisschen ausgebremst in praktischen Belangen.

Drittens: Ich mache Dinge gern selbst, weil ich sie dann genau so machen kann, wie ich will – und das ist doch die beste Variante.

Last but not least: Ich halte eine aufgezwungene Ruhe schlechter aus als eine freiwillige. Während ich mich normalerweise immer mal wieder nach Pausen sehne, empfinde ich diese von außen verordnete als Zumutung – auf die Spitze getriebener Individualismus oder normaler Freiheitsdrang?