Alles neu = alles schick?

Eine Freundin hat eine neue Küche bekommen. Kurz nach dem Einbau schreibt sie: „Die Liste der sichtbaren Mängel umfasst inzwischen zwölf Spiegelstriche, aber der Raum ist jetzt viel heller und wir freuen uns trotzdem.“

Auch meiner Erfahrung nach sind Veränderungen selten unproblematisch und nur wunderbar. Dennoch tut es mir leid, dass die Wohnungsverschönerung meiner Freundin umgehend Mängel aufweist. Aus Anteilnahme schicke ich ihr zwei Geschirrhandtücher mit Motiven einer englischen Künstlerin – und schlage vor, mit diesen einige Mängel zu verdecken. Andere wird sie ertragen müssen. Dennoch ist die neue Küche heller, sind die Möbel praktischer aufgeteilt, kann meine Freundin sich freuen daran.

So ist es im Leben auch, denke ich: Einige Probleme kann man beheben, Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, persönliche Macken überwinden und sich selbst (teilweise!) einen `neuen Anstrich verpassen´. Anderes wird bleiben, wie es ist – mängelbehaftet. Damit muss man leben und kann das auch. Was nicht geht, ist, so zu tun, als wäre alles makellos. Es ist verlogen und kraftraubend, seinem Umfeld zu vermitteln, man hätte alles im Griff, sei unfehlbar und immer erfolgreich. Und es hindert einen daran, man selbst zu sein und das Leben zu genießen trotz aller Unvollkommenheit.