Lebensgefühl 50 plus

Alle, die schon 50 sind, sagen, man gewöhne sich mit der Zeit daran – das ist ja immer so. Trotzdem ahne ich, dass es anders ist als bei den runden Geburtstagen, die ich schon erlebt habe. Ein Freund fasste es gut zusammen: Bisher habe er im Hier und Jetzt gelebt; ab jetzt gehe der Blick mehr nach vorn.

Intuitiv weiß jeder 50-Jährige, dass mehr als die Hälfte des Lebens vorbei ist. Man könnte „runter zählen“ – wenn man wüsste, wie lang genau die zweite Hälfte dauert. Wir wissen es nicht. Deswegen ist es gut, die Ignoranz der Jugend abzulegen und die Endlichkeit wahrzunehmen. Wir altern und bewegen uns in Richtung Lebensende. Unser Körper weiß es schon eine Weile – unser Geist versteht es jetzt auch langsam … 

Wise Guys

Unsere Kinder können sich Texte sehr gut merken. Alle Kinder können das. Für die eine Tochter sind es alte Lieder aus der Grundschule, für die andere Liedtexte von den Wise Guys, die Söhne haben einen anderen Musikgeschmack…

Auch ich habe im Teenager-Alter Lieder auswendig gekannt, regelrecht gelernt, ohne dass es mit dem Erlernen ungeliebter Russisch-Vokabeln auch nur ansatzweise etwas gemein hatte. Die Liedtexte kann ich noch, die Russisch-Vokabeln nicht mehr. Noch heute habe ich „Bochum – ich komm aus dir“ ebenso parat wie „Maaht et joot“ oder „Brothers in arms“, auch die eine oder andere „Bridge over troubled water“ bekomme ich noch hin.

Das wird meinen Kindern sicherlich ähnlich ergehen. Ich hoffe, dass dann in 20 oder 30 Jahren mit diesen Texten ebenso das Lebensgefühl von „damals“ wieder hochkommt – sich zumindest für den Moment nicht zuständig zu fühlen, nicht in der Letztverantwortung zu sein, sondern jung, unbekümmert und frei. Den Alltag voller Verantwortung und Aufgabe in der Mitte des Lebens verändert dieses Gefühl nicht, aber es hellt ihn auf.