Nicht einfach nur Kartoffeln

Die Kartoffeln, die ich kürzlich bei meiner Freundin gekauft habe, sind ziemlich klein – sozusagen mundgerecht gewachsen. Das Schälen hat mindestens doppelt so lange gedauert wie normalerweise. Wenn der Spruch über die „dümmsten Bauern“ mit den „dicksten Kartoffeln“ stimmte, wären meine Freundin und ihr Mann sehr schlau. Wie ich aber erfahren habe, ist der Grund für die kleinen Kartoffeln ein anderer: Schuld ist das Reh, das sich an den Kartoffelpflanzen gütlich tat, als die Kartoffeln noch im Wachsen waren.

„Schlaues Reh“, denke ich: Wenn ich Reh wäre, würde ich auch die Kartoffelpflanzen dieser Bauern anknabbern. Sie wirtschaften konventionell und nachhaltig; sie pflanzen Blühstreifen um ihre Felder herum, beachten vernünftige Fruchtfolgen, ihre Kühe haben Namen – und werden dementsprechend würdevoll behandelt. All das verbindet ja heutzutage keiner mehr mit Landwirtschaft. Stattdessen sind Landwirte verschrien als diejenigen, die mit riesigen Traktoren über ihre Felder (oder durch die Straßen) heizen oder durch ihre ausgedehnten Bewässerungsaktionen den Grundwasserspiegel gefährlich absenken. Bauern von heute stellen Biogasanlagen in die Landschaft, überdüngen die Äcker und kümmern sich wenig bis gar nicht um die Natur, die sie mit ihrer „modernen Landwirtschaft“ verschandeln.

Nicht so meine Freundin und ihr Mann: Sie beackern und versorgen fleißig und mit Augenmaß ihr Land und ihre Tiere – und bekommen noch mit, wenn ein Reh sich bei ihnen bedient. Sie sind schlau, denn sie wissen: Langfristig hängt ihre Existenz davon ab, dass sie sorgsam umgehen mit dem, was ihnen anvertraut ist. Ihre Kartoffeln sind ausgesprochen lecker, nur manche von ihnen ziemlich klein und nicht normgerecht. Dafür ist wahrscheinlich ein Reh satt durch den Spätsommer gekommen – wie schön!

Ein Lob auf den Sparschäler

In den vergangenen Jahren sind unsere Kinder gewachsen – und mit ihnen ihr Appetit. Das weiß ich, weil ich täglich beobachte, dass volle Töpfe nach dem Essen leer sind.

Noch dazu scheinen wir – verglichen mit anderen Familien – eher viel zu verzehren. Das weiß ich, weil meine Kinder von ihren Besuchen bei Freunden berichten, dass dort die Töpfe schon vor dem Essen halb leer aussehen…

Ich will nicht sagen, ich käme nicht hinterher mit der Essensbereitstellung, aber ein bisschen fühlt es sich so an. Letztens – nach einer unserer gemeinsamen Essenszeiten – sprachen wir über unsere „Vorfahren“, eine 13-köpfige Familie. Wie es wohl war, als dort noch SECHS Kinder mehr am Essenstisch saßen? Ruhiger als bei uns, das wissen wir; aber Hunger hatten sie sicherlich genauso wie unsere wachsenden Fressmaschinen.

„Es gab wahrscheinlich jeden Tag Kartoffeln“, erwähne ich, „… mit dem Messer geschält, nicht mit dem Sparschäler“, ergänzt mein Mann. Unsere Kinder nehmen das nicht still und staunend zur Kenntnis, so sind sie nicht. Sie malen sich das Ganze lautstark und konkret aus: „Elf Kinder, zu neun Elfteln männlich, alle noch zu Hause und zwischen 19 und acht Jahren alt.“ Ich staune – mal wieder: vor Bewunderung für die Oma meines Mannes und voller Dankbarkeit, dass wir auch gern Reis und Nudeln essen, die man nicht schälen muss wie Kartoffeln – und für die habe ich einen Sparschäler.