Mein Karten-Dilemma

Ich kaufe immer wieder neue Post-Karten, obwohl ich viele besitze. Warum? Einige Karten habe ich geerbt; sie sind kitschig-hässlich: Ich kann sie nicht guten Gewissens verschicken und sollte sie wegwerfen, aber das fällt mir schwer. Andere Karten sind wunderschön. Ich hänge an ihnen und verschicke sie nur zögerlich – auch wenn ich weiß, dass es der Zweck einer Karte ist, beschrieben und verschickt zu werden. Gegen dieses Dilemma hilft nur: neue Karten kaufen, beschreiben – und gleich weg damit.

Wiederkehrend

Ich gratuliere gern schriftlich – zu Geburtstagen, Hochzeitstagen und so weiter. Die Karten, die ich schreibe, sind meist nicht ganz kurz und gehen immer über den Standardwunsch „Herzlichen Glückwunsch zum …“ hinaus. Oft fließt in meine Wünsche hinein, was mir für den Betroffenen wünschenswert erscheint, aber auch, was mir selbst wichtig wäre. Dabei wandeln Wünsche sich im Laufe der Zeit: Über „einen guten Berufseinstieg“ oder „Erfüllung und Nähe in der noch jungen Beziehung“ sind wir in unserem Alter hinaus, bei „beste Gesundheit“ sind wir noch nicht ganz angekommen. Was wir uns wirklich wünschen, wird jedoch mit den vergehenden Jahren überschaubarer.

Während ich also eine weitere Karte schreibe, frage ich mich manchmal, ob ich im vergangenen Jahr dasselbe geschrieben und gewünscht habe: „Gute Prioritäten“ oder „eine gute Mischung aus Arbeit und Freizeit“, „Freude am Job“ oder „einen guten Draht zu den halberwachsenen Kindern“ – all das sind gute Wünsche, aber Jahr für Jahr? Ich kann nur hoffen, dass ein Jahr reicht, meine gut gemeinten Wünsche vom letzten Jahr zu vergessen, und die Karte mittlerweile ohnehin schon wieder den Weg aller Karten gegangen ist – über den Papiermüll, durch die Recycling-Anlage hinein in ein neues Leben als leere Postkarte.