Gott und die Zeit (1)

Wir sind ungeduldig, wenn wir mittendrin stecken in einer „Sache“, um die Gott sich doch bitte kümmern soll – es aber nicht tut. Dann beten wir: „Schöpfer des Himmels, wie viel Zeit lässt du dir noch?“ Andererseits freuen wir uns, wenn und dass Gott unser – manchmal schneckengleiches – Lebenstempo mitgeht. Wie schwerfällig und langsam wir uns auch verändern: Er weicht uns nicht von der Seite – und treibt uns erst recht nicht an. In diesen Momenten sind wir dankbar, dass Gott „alle Zeit der Welt zu haben scheint“ und uns die „Zeit lässt“, die wir brauchen.

Mit Gott über Mauern springen

„Denn mit dir kann ich Wälle erstürmen und mit meinem Gott über Mauern springen.“
2. Samuel 22, 30

Kann ich das wirklich? Und: Welche Mauern sind das? Die größten Mauern in meinem Leben sind die eingeschliffenen Macken in meiner eigenen Persönlichkeit und lästige Gewohnheiten, die ich nicht einfach und freiwillig ablege wie ein Kind seine zu klein geratenen Klamotten. Mich selbst zu verändern, das ist schwer. Nachgiebig zu werden, barmherzig, vergebend – all das fällt mir nicht zu. Leichter ist es für mich zu richten, mich über andere zu ärgern und zu erheben. Viel leichter. Das ist ein Armutszeugnis, aber es ist die Wahrheit.

Heute Morgen beim Beten kam mir der ehrliche Satz über die Lippen: „Vater, mache mich zu einer barmherzigen Frau – egal, was sich dafür ändern muss in mir.“ Geht`s noch? Habe ich mir das gut überlegt? Das kostet etwas, das weiß ich vorher. Will ich das zu dem Preis dann immer noch? Ich zögere, aber ich weiß: „Denn Gott ist`s, der in euch beides wirkt, das Wollen und das Vollbringen.“ (Philipper 2, 13) Also bete ich weiter und glaube, dass ich mit Gott über Mauern springen kann.