Peinlicher Gewinn

Es erfordert Mut, anderen Menschen gegenüber einzugestehen, welche Schwächen man hat. Aber obwohl es sich peinlich und wie ein Gesichtsverlust anfühlt, gewinnt man den Respekt und die Hochachtung anderer.

Peinlich ist es dagegen, wenn man zu feige ist, die eigenen Schwächen zuzugeben, obwohl jeder sie ohnehin wahrnimmt. Indem man dadurch vermeintlich sein Gesicht wahrt, verliert man den Respekt und die Hochachtung anderer.

Gewinnen oder verlieren

„Das bessere Argument gewinnt“, lese ich in der Zeitung und stutze. Was lässt sich damit gewinnen?, frage ich mich und: Womit geht am Ende das schlechtere Argument nach Hause? Das Leben ist nur ganz selten einzuteilen in schwarz oder weiß, sondern besteht aus „Schattierungen in grau“.

Im sportlichen Wettkampf spricht man von Sieg oder Niederlage, ebenso bei einer Wahl. Im persönlichen Miteinander dagegen geht es selten darum zu „gewinnen“. Und wenn doch – dann ist „verlieren“ aus meiner Sicht nicht immer die schlechteste Option.

Der Bessere möge gewinnen?

Eine Weisheit Dantes lautet: „Möge der Bessere gewinnen.“ Ich stimme ihr ohne Zögern zu – auf den ersten Blick.

Auf den zweiten Blick: Denke ich wirklich so gerecht? Will ich immer, dass der Bessere gewinnt? Wenn Deutschland ausgeschieden ist bei der WM, der EM oder sonstwo – ja, dann kann meinetwegen der Bessere gewinnen. Solange Deutschland dabei ist, freue ich mich immer, wenn wir gewinnen – egal ob wir wirklich besser waren oder nicht. Ich kann auch mit einem unverdienten Sieg gut leben, jedenfalls viel besser als mit einer unverdienten Niederlage! Ebenso geht es mir bei meinen Kindern und ihren Mannschaften: Sie müssen schon grottenschlecht spielen oder unfair oder von Anfang an haushoch unterlegen sein, damit ich eine Niederlage wertneutral oder zufrieden hinnehme – wenn auch hauptsächlich um ihretwillen.

Es gibt sicherlich Bereiche, in denen ist es mir egal. Ob Deutschland beim Anbau von Mangos gut abschneidet zum Beispiel, das ist mir egal, das ist nicht unser Ressort, das können andere besser – und darüber freue ich mich dann auch. Oder wenn mein Sohn den Vorlesewettbewerb nicht gewinnt, auch das kann ich gut aushalten – denn: Vorlesen ist nicht seine größte Stärke, das können andere sicherlich besser. Gewönne er, würde ich mich freuen, klar. Aber eher für ihn; ich liebe ihn auch ohne Sieg, ich bin sowieso stolz auf ihn und freue mich, dass er überhaupt liest.

Wenn es im Rahmen des Erreichbaren erscheint, dass jemand etwas gewinnt, dem ich mich irgendwie verbunden fühle: dann bin ich letztlich immer für denjenigen. Dann bin ich total parteiisch. Auch wenn mir die deutsche Nationalmannschaft nur durch ihre Nationalität nähersteht als die französische, hätte ich mich für die Deutschen sehr gefreut. Persönlich kenne ich in keiner Mannschaft jemanden; jeder hat genauso hart trainiert und genauso viel Geld dabei verdient. Es könnte mir total wurscht sein. Auch ändert sich für mich nichts, das merke ich doch: Heute ist es schon wieder Schnee von vorgestern, dass dieses Jahr die Franzosen Weltmeister geworden sind – nur eine Notiz in der Statistik. Ein Freund von mir kennt sich besser aus als ich. Er sagt, die Franzosen waren dieses Mal einfach besser. Ich schätze allerdings, das ist letztlich egal. Am Ende zählt nur der Sieg. Von wegen „der Bessere möge gewinnen“!