Es dauert

Die Kühltheke im Supermarkt ist ausgefallen – seit zwei Tagen schon. Am Samstagmorgen bekomme ich hier keine Milch, keine Butter und überhaupt keine Molkerei-Produkte. Das ist ärgerlich, denke ich, korrigiere mich aber sofort: Viel ärgerlicher ist es, dass der Inhalt von zirka zehn Metern Kühltheke in den Müll wandert. Die Mitarbeiterin, die dafür zuständig ist, sieht dementsprechend frustriert aus – und kann natürlich nicht gleichzeitig an der Kasse sitzen. Dort dauert es daher etwas länger, was die Kunden ärgert und die Kassiererin stresst. „Meinetwegen können Sie ganz entspannt sein“, beruhige ich sie, als ich dran bin. Sie schaut mich kurz an: „Heute dauert es solange, wie es dauert; aber dafür haben nicht alle Verständnis.“

`Solange, wie es dauert…´ Das klingt so, als wären die Angestellten hier normalerweise im `Eiltempo´ unterwegs – was weder ihnen selbst noch ihrer Arbeit gut tut. Das klingt auch, als müsste der Einkauf von Lebensmitteln möglichst schnell gehen. Warum? Für den Einkauf von Kleidung oder Mobiliar nehmen wir uns viel Zeit – zumindest lässt der Anblick flanierender Menschen in der Innenstadt dies vermuten. Dabei dauert es lange, bis wir nichts mehr zum Anziehen haben: Einen gefüllten Kühlschrank leer zu futtern geht blitzschnell.

Bei Eile hupen?

Kürzlich fuhr ich mit dem Auto auf der Hauptstraße und wollte links abbiegen. Von dort kamen einige, die ebenfalls links abbiegen wollten – und weil die Straße ansonsten frei war, es sich anbot, ich es nicht eilig hatte, ich vielleicht freundlich sein wollte(?), ließ ich zwei dieser Linksabbieger vor. (Aus dieser Nebenstraße nach links heraus zu fahren, erweist sich erfahrungsgemäß als schwierig.) Während ich also die zwei Autos herauswinkte, hupte der Mann im Fahrzeug hinter. Er wollte ebenfalls links abbiegen, musste nun aber etwa vier bis fünf Sekunden länger darauf warten – und hupte etwa ebenso lang.

Meine Tochter fragte mich, warum er hupe und ob ich das auch machen würde. Nö, ich mag die Hupe nicht so wirklich. Ich werde auch nicht gern angehupt: Es erschreckt mich; und normalerweise denke ich mir was dabei, wie ich fahre. Es gibt kaum eine Situation, in der ich selbst die Hupe nutzen würde. Vielleicht wenn ich – wie auch immer – merken würde, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer kurz vor dem Sekundenschlaf ist. Oder wenn mich einer überholen will, während ich gerade ein Kind über die Straße lasse. Oder wenn meine Bremsen versagen. Oder so.

Ich würde wahrscheinlich hupen, um andere auf eine Gefahrensituation hinzuweisen, nicht aber, um meiner Eile Nachdruck zu verleihen.

Eile – gefährliches Pflaster

„Be quick, but never hurry.“ Keine Ahnung, von wem das kommt. Aber ich finde den Satz hilfreich. Schnell sein und eilen ist nicht dasselbe. Schnell sein hat zu tun mit effektiv sein. „Er arbeitet schnell“, klingt erstmal lobend, bewundernd – positiv. Eile dagegen ist eher negativ belegt: Wenn man es eilig hat, hängt man irgendwie hinterher. Da ist vorher vielleicht was falsch gelaufen; jetzt muss man eilen, um es noch zu schaffen. In der Eile geschehen Fehler, übersieht man gern etwas.

Trotzdem erliege ich immer wieder dem Trugschluss, durch Eile mehr in meinem Leben unterbringen zu können. Und werde dann in der Praxis eines besseren belehrt: Im Laufschritt ein Glas Kirschen aus dem Keller holen, die Treppe hoch fallen und mir geschmeidig die Hand aufschneiden. Die weitere Vorbereitung des Nachtischs verläuft dann nicht nur nicht eilig, sondern auch nicht mehr schnell. Ganz abgesehen davon, dass ich tagelang im wahrsten Sinne des Wortes gehandicapt war… – und natürlich trotzdem alles geschafft habe.

Vielleicht hilft beim nächsten Mal „Eile mit Weile“?