Was brauchst du?

In einem Artikel geht es darum, was man alles so braucht – und was nicht. Der Autor besitzt zum Beispiel ein vielteiliges altes Porzellan-Service (oder zwei oder drei), obwohl in seinem Haushalt selten mehr als sechs Personen am Tisch sitzen. Weil eine Bekannte ihn fragt, wozu er das braucht, führt er aus, dass wir sehr unterschiedliche Dinge brauchen.

Ich selbst besitze kein wertvolles Porzellan-Service in 24-teiliger Ausführung; das Kultivierte dieses Mannes ist `nicht meins´ – und beeindruckt mich doch. Es käme mir nicht in den Sinn, ihn zu fragen, ob und wozu er ein solches Porzellan-Service braucht. Das liegt vielleicht daran, dass auch ich es grundsätzlich gut finde, Altes wertzuschätzen. Außerdem halte ich es für nachhaltig und stilvoll, Teller zu benutzen, die schon in anderen Zeiten und Häusern zu Hause waren.

Die Frage, ob ich etwas brauche, stelle ich mir natürlich ebenso wie er – nur geht es bei mir selten um kostbares Geschirr. Lautet die Antwort `Nein´, spare ich in der Regel Geld, Zeit und Platz. Beantworte ich die Frage mit `Ja´, werde ich aktiv und wäge die Kosten ab.

Anders sieht es aus mit immateriellen Dingen: Kamen wir während der Corona-Zeit nicht wunderbar ohne Kultur zurecht? Nein, kamen wir eben nicht! Obwohl wir ohne Theater & Co. überleben können, fehlt doch etwas, wenn wir komplett (und unfreiwillig) darauf verzichten müssen. Vor-pandemisch dachten wir nicht darüber nach, ob wir Kultur brauchen; während der Pandemie fühlten wir uns beraubt. Ebenso ist es mit Zeit, Muße und Langeweile – alles scheint abkömmlich zu sein, solange wir zu viel davon haben. Erst wenn etwas knapp wird, brauchen wir es (plötzlich und dringend). Das ist manchmal Porzellan, ein neues Buch oder ein weiteres Fahrrad. Öfter sind es mehr Freizeit, Gesundheit oder jemand, der einem zuhört … Es wäre verlogen, würden wir behaupten, wir bräuchten letztlich nur etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf. Wir sind so viel mehr als nur ein zu nährender und zu schützender Leib. In uns wohnt ein beseelter Geist mit ganz eigenen Bedürfnissen.

Was ich brauche, kann ich nur für mich selbst beantworten; jeder andere kommt für sich zu einem anderen Ergebnis.

Was man so braucht … 

Ich staune, als einer unserer Nachbarn mit seiner eigenen Rüttelplatte den Untergrund fürs Pflaster hinter seiner Garage vorbereitet. Was er noch alles besitze, frage ich ihn. „Was man so braucht“, antwortet er, als wäre es vollkommen logisch, mit allem möglichen Gerät ausgestattet zu sein. Denn seine Rasenkantensteine zersägt derselbe Nachbar mit seiner eigenen Tisch-Kreissäge; und zum Beton-Anmischen benutzt er (s)einen Betonmischer. Selbstverständlich gehören auch ein Freischneider und ein Nivelliergerät zu seinem Sortiment – unter anderem. 

Ich stelle fest: Was er so braucht und was ich so brauche, sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge. Was man so braucht, ist keineswegs vollkommen logisch, sondern ein weites Feld. 

Brauchen

Was ich brauche, ist die Basis, ohne die nichts geht.
Was ich brauche, ist nicht viel – und doch genug.
Was ich brauche, kann sich trotzdem wie zu wenig anfühlen – auch wenn ich nicht wählerisch oder maßlos bin.

Denn was ich brauche, ist eben nur, was ich brauche, und nicht, was ich gern hätte.

Brauchen wir noch?

„Kann man immer mal gebrauchen“ ist ein guter Grund, Dinge aufzuheben. „Leben mit leichtem Gepäck“ ist ein ebenso guter Grund, Dinge nicht aufzuheben. Bei zwei Erwachsenen und fünf Kindern sammelt sich eine Menge an, wenn man nicht regelmäßig aussortiert. Daher verschenken oder entsorgen wir regelmäßig – so wie vor etwa zwei Wochen unsere letzten verbliebenen Holz-Schlitten. Nach fünf Wintern ohne nennenswerte Schneemengen schien das eine gute Entscheidung zu sein.

Gestern Morgen beim Schneeschieben traf mein Mann eine Nachbarin, die keine Kinder hat und offenbar nicht so regelmäßig aussortiert. Sie besitzt drei Schlitten und borgt sie uns gern. Wir leben gut mit leichtem Gepäck – aber manchmal nur, weil andere Menschen Dinge aufheben, die man immer mal gebrauchen kann.

Was man so braucht …

Meine großen Söhne haben Stundenpläne, durch die sie oft erst nach der zehnten Stunden nach Hause kommen. Das ist anstrengend und schlägt auf die Stimmung – so auch gestern. Der eine hatte einen Stapel Bücher aus der Bibliothek unterm Arm. Er braucht sie für eine Hausarbeit, zu der er sich zwingen muss, und schaute voller Unlust auf die Lektüre. Der andere war ebenso genervt und schimpfte: „Es ist unglaublich, wie viel man lernen muss – und einfach nie wieder braucht.“ Während er die Treppe hochging, murmelte er vor sich hin: „Ich muss nicht wissen, wie viele Elektronen ein Wasserstoffatom hat.“

Es stimmt, denke ich: Inhaltlich braucht man Vieles davon nie wieder, aber das WIE des geistigen Arbeitens – gerade auch in Themenbereichen, die einen nicht interessieren – braucht man eben doch immer wieder. Mit ungeliebten Aufgaben zu kämpfen und sie klaglos zu erledigen, das hilft im Erwachsenenleben. Wahrscheinlich braucht man diese Kompetenz in den meisten Jobs, ganz sicher aber in jeder Art Familien- oder Single-Leben.

Bedürfnisse und Wünsche

Eine Freundin wies mich kürzlich hin auf den feinen Unterschied zwischen Bedürfnissen und Wünschen:

Was ich brauche, muss sein; was ich mir wünsche, wäre schön.

Was ich brauche, bleibt ziemlich gleich – egal, wie es mir geht. Klar.
Was ich mir wünsche, vermehrt sich – je besser es mir geht. Komisch.