Schlagfertig

„Eine linde Antwort stillt den Zorn; aber ein hartes Wort erregt Grimm.“
Sprüche 15, 1

Schlagfertige Menschen haben die Lacher oft auf ihrer Seite und gehen aus einem verbalen Hin und Her leicht als vermeintlicher Sieger hervor. In freundlichen Geplänkeln sorgt eine schlagfertige Erwiderung für Erheiterung, vielleicht sogar Bewunderung.

Ein mir lieber Mensch ist besonnen und braucht Zeit, seine Gedanken zu sortieren. Spontan fehlen ihm oft die richtigen Worte; stattdessen fällt ihm erst hinterher ein, was er hätte erwidern können. „Ich bin nicht so schlagfertig“, sagt er, und es klingt bedauernd – als wäre es eine Schwäche.

Aber ich weiß dass jede Schwäche auch eine Stärke sein kann; denn in kontroversen Diskussionen sieht es anders aus: Mit einer schlagfertigen Antwort verteidige ich mich nicht nur, sondern attackiere selbst. Nicht umsonst heißt es schlagfertig und Schlagabtausch– Worte können verletzen und Beziehungen schädigen. Wenn ich mit Worten zurückschlage, gebe ich einem Streit neue Nahrung und lasse mich vielleicht sogar zu Sätzen hinreißen, die ich hinterher bereue. Manchmal ist es besser, nicht schlagfertig zu sein…

Kleider machen Leute

Für ein Praktikum braucht mein Sohn angemessene Kleidung: Schuhe, Jacke und Hose. Damit ist er gut ausgestattet fürs Verarbeiten von Metall – flexen (buchstäblich), bohren, biegen, schweißen. Die Sachen stehen ihm, sind robust, dürfen dreckig werden und machen ihn rein optisch zu einem Handwerker.

Für den Schulabschluss braucht mein Sohn angemessene Kleidung: Schuhe, Jacke, Hemd und Hose. Damit ist er gut ausgestattet für die Abi-Entlassung – flexen (im Sinne von angeben), rumstehen, lächeln. Die Sachen stehen ihm, sind schick, sollten nicht dreckig werden und machen ihn rein optisch zu einem Schreibtischtäter.

Kleider machen Leute? Von wegen: Innen drin steckt immer noch mein Sohn!

Besonders selten

Vor Jahren sprach ich mit einer Grundschullehrerin darüber, dass ich gern als `Nur-Mutter´ zu Hause bin. Sie bescheinigte mir daraufhin, ich wäre ein Auslaufmodell. Vielleicht war es humorvoll gemeint, aber es klang ein bisschen negativ.

Meine Freundin will mir etwas schenken. In einem Geschäft fragt sie nach Briefpapier und erntet einen hilflosen Blick und die Antwort: „So etwas haben wir nicht; Menschen, die Briefe schreiben, sind selten.“

Ich bin ein seltenes Auslaufmodell – das klingt besonders.

Mathe?

Für meinen Jüngsten soll ich eine Mathearbeit unterschreiben. „Ich kann Mathe nicht“, sagt er frustriert: Er hat eine 4. Eine 4 ist ausreichend – damit wäre ich auch nicht zufrieden. Spontan denke ich, er sollte beim nächsten Mal vorher mehr Rechnen üben.

Bei näherer Betrachtung sehe ich, dass die von ihm bearbeiteten Aufgaben fast fehlerfrei sind. Trotz der 4 weiß ich deshalb: Er rechnet gut, daran muss er nicht viel ändern.

Allerdings hat er eine Aufgabe übersehen und eine andere nur zu zwei Dritteln bearbeitet. Für die letzte Aufgabe fehlte ihm Zeit. Wegen der 4 weiß ich deshalb auch: Er konzentriert sich nicht genug und arbeitet zu langsam; daran muss er etwas ändern.

Rechnen üben wäre leichter… 

Tatsächlich

Immer wieder werden Autofahrer von ihrem Navigationsgerät in Gräben oder unverhofft auftauchende Weiher gelockt – ich lese in regelmäßigen Abständen davon. Ich gebe zu: Eine elektronische Navigationshilfe ist praktisch. Trotzdem vertraue ich unserem Navi nicht blind. Wohin ich tatsächlich fahre, entscheiden mein Orientierungssinn, der Blick durch die Windschutzscheibe und ein Gespür für `abseits der Straße´.

Jeder hat heutzutage eine Wetter-App auf dem Smartphone; meine liegt oft daneben mit ihren Prognosen für genau meinen Standort. Eine App kann hilfreich sein. Aber ob es tatsächlich regnet (und wie stark), sehe ich, indem ich aus dem Fenster schaue oder vor die Tür trete. 

Ich höre von Leuten ohne Krankheits-Symptome, die sich erst durch einen negativen Corona-Schnelltest sicher genug fühlen, andere Menschen zu treffen. Es mag sein, dass man besonders ansteckend ist, bevor man selbst Symptome spürt. Aber wie ich mich tatsächlich fühle, lasse ich nicht ausschließlich von einem Test bestimmen – sei er auch noch so sensibel.

Unmissverständlich

Wie reagiere ich, wenn einer sich im Ton vergreift und mir Vorwürfe macht? Es ärgert mich (vielleicht zu Recht); meine spontane Reaktion wäre, mich zu verteidigen – unmissverständlich und wahrscheinlich verletzend. Schnell diskutieren wir dann nicht mehr, sondern streiten. Stattdessen kann ich bis zehn zählen, nachfragen und mich bemühen, selbst verständnisvoll zu sein – besser noch: einfühlsam und vorsichtig. Das ist schwierig, denn so fühle ich mich weiterhin missverstanden und ungerechtfertigt beschuldigt. Aber wir bleiben im Gespräch. Manchmal ist das wichtiger, als dass ich unmissverständlich MEINE Meinung äußere (und zum Gegenangriff übergehe). Schließlich hoffe ich darauf, dass Menschen mir gegenüber ebenso einfühlsam und vorsichtig sind – und ab und an darauf verzichten, unmissverständlich IHRE Meinung zu äußern.

Kurze Zündschnur

Jemand in meinem näheren Umfeld hat eine `kurze Zündschnur´. Bei ihm braucht es nicht viel – und schwups geht er in die Luft. Es lässt sich von außen nichts dagegen tun; beschwichtigende Worte sind zwecklos. Meist ist die Explosion schnell wieder vorüber, aber für einen kurzen Moment bringe ich mich besser in Deckung – und verbitte mir jegliches Schmunzeln.

Niemand ist ganz allein

Bei Frederick Buechner lese ich ein Zitat von einem Dr. Donne, das anfängt mit “No man is an island”. (`Niemand ist eine Insel´, was so viel heißen soll wie `Niemand ist ganz allein´.) Buechner selbst schreibt dazu: „Anders ausgedrückt: Die Menschheit ist wie ein riesiges Spinnennetz: Wenn du es irgendwo anfasst, bringst du das ganze Ding zum Zittern. … Dabei ist es egal, wie wir uns anderen gegenüber benehmen – freundlich, gleichgültig oder feindselig: Es bleibt nie folgenlos. Das Leben, das wir anrühren, beeinflusst ein anderes und so weiter. Wir wissen nicht, wo überall oder wie lange dieses Zittern noch spürbar sein wird.“ (Frederick Buechner, A room called remember)

Ich finde diese Vorstellung einerseits tröstlich, andererseits hängt daran eine gewaltige Verantwortung: Wie ich mich EINEM Menschen gegenüber verhalte, bleibt nicht auf uns beide begrenzt. Es zieht seine Kreise über diese Begegnung hinaus – besonders hinsichtlich derer, die uns beiden sehr nahestehen. Werde ich ermutigt oder gelobt, freuen sich alle mit. Anders wirkt es sich aus, wenn mich jemand persönlich angreift und dadurch verletzt. Dann betrifft das meine Leute – sachlich – überhaupt nicht, und hat doch ganz viel mit ihnen zu tun. Vor allem mein Mann und meine Kinder spüren mein `Zittern´. Es kann sogar sein, dass ihnen die Angriffe mehr unter die Haut gehen als mir: Um einen anderen machen wir uns mehr Sorgen als um uns selbst. Sie können mich ermutigen und trösten, nur ganz allein lassen können sie mich nicht – “no man is an island.”

Ein guter Zeitpunkt

Es heißt, wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören. Dann tritt man mit einem tollen Gefühl ab – oder bleibt in bester Erinnerung.

Einer meiner Söhne meint, Jogi Löw hätte nach dem WM-Titel 2014 aufhören sollen: „Mehr konnte er nicht `mitnehmen´, das wäre ein guter Zeitpunkt gewesen“, sagt er. Löw sah das anders, er war noch nicht `satt´, wie man sagt. Jetzt versucht er sich an der EM; das kann gut oder nicht ganz so gut sein – je nachdem, wie diese für Deutschland ausgeht.

Mein ältester Sohn macht sich fertig, sein Elternhaus zu verlassen. Der Zeitpunkt ist gut: Wir verstehen uns sehr gut, mehr kann er von uns kaum mitnehmen. Deshalb `schubsen wir ihn aus dem Nest´, obwohl wir unseren Sohn nicht `satt´ haben: Wir versuchen nicht, noch länger mit ihm zusammen zu leben; das wäre nicht gut – egal, wie sein Leben ausgeht.

Nicht der Rede wert

Ich spüre meinen Kopf – habe aber keine Kopfschmerzen, meine Nase kribbelt – nicht allergisch bedingt, mein Hals ist trocken – obwohl ich viel trinke. Alles deutet darauf hin, dass ich einen ganz normalen Schnupfen bekomme. Vier Kinder doktern schon seit einer Woche mit denselben Symptomen herum: Wie immer gehen diese Erkältungen leicht versetzt durch mindestens zwei Drittel der Familie, meist bleiben nur ein oder zwei von uns ganz verschont. Nach Monaten, in denen viel über Corona und Covid-19 gesprochen wurde, sind wir zum ersten Mal wieder verschnupft. Das fühlt sich merkwürdig banal und vertraut an – nicht der Rede wert: Unser Immunsystem macht sich zur Abwehr bereit.