Nur kein Druck?

In Niedersachsen denken Politiker ernsthaft darüber nach, die Schulnoten abzuschaffen. Nur in den Abschlussjahrgängen 9, 10 und 13 seien Zensuren weiterhin zwingend nötig, meinen sie. In allen anderen Klassenstufen wären Lernentwicklungsberichte die bessere Alternative: Diese würden `den Leistungsdruck reduzieren, den viele Schüler empfänden´. Leistungsdruck ist in diesem Zusammenhang und für diese Menschen eindeutig negativ konnotiert – und das wundert und erschreckt mich zugleich.

Druck braucht es zum Beispiel, damit wunderschöne Diamanten entstehen. Zeitdruck hilft mir dabei, meine Anstrengungen zu intensivieren und mich besser auf ein Ziel zu fokussieren. Und wenn ein gewisser Erwartungsdruck auf mir lastet, mobilisiere ich Energien, von denen ich vorher nicht wusste, dass sie in mir stecken.

Das Gegenteil von Druck ist vollkommene Freiheit. Aber sind wir freiwillig bereit, uns anzustrengen und etwas RICHTIG GUT zu machen? Oder geben wir uns stattdessen mit einer gewissen Mittelmäßigkeit zufrieden, wenn der Ansporn eines klaren Ergebnisses fehlt? Ein Leben ohne Druck, ohne Auseinandersetzung, ohne Ziele – das ist ein Leben, in dem Beliebigkeit herrscht. Das klingt noch nicht einmal positiv und ist es auch nicht.

Wer sich `stets bemüht hat´, kann damit acht Schuljahre lang höchst zufrieden sein. Spätestens dann wird daraus maximal eine 5 oder 6. Eine Schulkarriere voller ermutigender Lernentwicklungsberichte könnte so mit einer Vollbremsung enden oder direkt vor der Wand. Wie Schülerlein ohne Vorwarnung mit dem Druck dieses Aufpralls zurechtkommen soll, ist mir ein Rätsel.

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