Ich warte an der Ampel, dass es Grün wird. Auf dem Bürgersteig steht eine Familie, die offensichtlich migrantisch sind: Vater, vier Kinder, Mutter mit Kopftuch und langem Gewand. Der Vater hält eine Zigarette in der einen Hand und einen Kaffee „to go“ in der anderen. Seine vier kleinen Söhne sind alle ähnlich gekleidet und wuseln herum. Die Mutter zieht einen großen Koffer hinter sich her, obendrauf noch eine kleine Tasche. Über dem Arm hängt ihre Handtasche.
Die Aufgabenverteilung ist interessant, denke ich – und mir fremd. Ich bin sicher kein ausgesprochener Knigge-Fan und auch nicht unemanzipiert. Dennoch gönne ich der Frau den Kaffee und wünsche dem Mann den Koffer in die Hände. Wenn nicht um der Frau willen, so doch um der vier Jungen willen, die irgendwann zu Männern heranwachsen werden. Sollten sie das in unserem Land tun, haben sie auch das Rollenverständnis im Gepäck, das ihre Eltern ihnen vorleben. Multikulti mag sich toll anhören; andere Länder, andere Sitten spricht sich leicht – und birgt doch so viel Konfliktpotential. Wir unterschätzen die Macht der Kultur.

