Wie so viele fahre ich ab und zu mit der Bahn, mindestens zweimal im Jahr: Dieses Mal geht es nach Wittenberg zum Treffen mit meinen ältesten Freundinnen aus der Grundschule. Irgendetwas klappt immer nicht, so dass ich mich über die eine Stunde extra Unterwegs-Sein nicht ärgere. Im Gegenteil: So hat unsere Gastgeberin etwas länger Zeit zwischen Feierabend und Besuch. Direkt nach der Begrüßung fragt sie mich erstaunt, ob ich mir nicht die Hände waschen wolle. Okay, denke ich, kann ich machen.
Die dritte Freundin kommt erst am Abend – mit dem Auto. Das liegt nicht nur an der ungünstigen Verbindung, wie ich mitbekomme: „Ich finde Zugfahren so eklig“, erzählt sie, „ich muss hinterher immer direkt duschen und alle Klamotten in die Wäsche tun.“
Vielleicht bin ich ein kleines bisschen abgestumpft, aber diese Art von Reinlichkeit ist mir fremd. Ich bin 55 Jahre alt und erfreue mich bester Gesundheit. Ich ekele mich höchst selten und dusche oder wasche mich, wenn mein Körper schmutzig ist. Eine Bahnfahrt, der Kontakt mit jemandes anderen Sitzplatz, das Betätigen einer Zug-Tür oder ähnliches motivieren mich bestenfalls zum Händewaschen. Und selbst daran muss man mich manchmal erinnern …

