Geschenkt

Wenn man einen Garten hat, kann man dort Wäsche trocknen, sich in die Sonne legen oder auf der Terrasse sitzen, Fußball spielen, Äpfel ernten und Kartoffeln anbauen, Sommersträuße pflücken, ins Grüne schauen und vieles mehr – alles geschenkt.

Wenn man einen Garten hat, muss man aber auch Unkraut jäten, den Rasen mähen und Büsche beschneiden, faules Obst aufsammeln, Blätter zusammenharken, Pflanzen umsetzen oder Stauden zurückschneiden, manchmal sogar umgefallene Bäume zerkleinern und vieles mehr – auch alles geschenkt.

Selbst Geschenke haben manchmal zwei Seiten.

Schön?

Mitten auf der Straße steht ein sportlich aussehendes Auto – mit Publikum. Ich gehe zufällig vorbei, aber offenbar gerade im richtigen Moment: „Schön oder nicht schön?“, fragt mich einer der Männer. „Also, wenn man solche Autos mag, dann ist es schön“, formuliere ich vorsichtig – leider nicht vorsichtig genug: „Sie finden es also nicht schön“, sagt er und klingt ein bisschen enttäuscht. Ich murmele was von „ … eher praktisch veranlagt … fünf Kinder … familientauglich …“ und ernte einen mitleidigen Blick. Ob der Wagen neu ist, frage ich noch. „Ja, gerade abgeholt.“ Der Mann ist sichtlich begeistert von seiner Neu-Erwerbung: Er tänzelt darum herum, streicht hier drüber und wischt dort ein imaginäres Staubkorn weg. Der Wagen ist ein Hingucker – ein schnittiger Dodge Charger in einem sogar mir angenehmen Schwarz-Weiß. Aber, ehrlich gesagt: Mein Fahrrad gefällt mir besser.

Jeder findet andere Dinge schön:
Bei meiner Freundin sind es ihre Kühe – und jedes neue Kalb, das gesund und fit ist.
Für meinen Sohn ist das Personal-Ausweis-Foto einer Freundin schön – obwohl sie meiner Meinung nach im Original viel natürlicher (schöner?) aussieht.
Ich mag die Ästhetik von Apple-Geräten; eine Mutter findet ihre Kinder schön.
Unseren Küchentisch halte ich auch nach zwölf Jahren noch für schön, obwohl (oder weil) er mittlerweile viele Macken hat – praktisch … fünf Kinder … familientauglich.

Nicht schön fand ich 2019 in London die modernen Bürohäuser, die zwischen den – meiner Meinung nach schönen – alten Gebäuden emporragen. Der Architekt, mit dem ich damals unterwegs war, sah das anders: `Schön´ sei nur Geschmacksache und total willkürlich, meinte er: Wer entscheide denn überhaupt, ob die Gebäude aus dem 19. Jahrhundert schöner seien als die des 21ten? Schließlich würde sich Architektur immer weiterentwickeln: „Heute geht es weniger als früher darum, wie (schön) etwas aussieht. Stattdessen kommt es darauf an, wie nachhaltig und energie-effizient gebaut wird und ob Räume sich multifunktional nutzen lassen.“ Ich sehe die (mehr oder weniger schöne) Fassade, der Architekt schaut dahinter – und findet das wichtiger.

Die Kategorie `schön´ ist wahrscheinlich keine feste Größe, sondern sehr individuell und relativ. In Bezug auf Autos gefällt´s mir schlicht und geräumig. Wenn schon Hingucker, dann bitte ein Dodge Ram – aber gebraucht. Der ist zwar völlig überdimensioniert und nicht energie-effizient, dafür aber nachhaltig und multifunktional nutzbar. (Schön) praktisch halt!

Wer was wie was wo?

„… das hat er dann aber nicht gemacht!“, beendet mein Mann beim Reinkommen unser Gespräch. Unsere Tochter geht gerade die Treppe hoch und hakt sofort nach: „Wer hat was nicht gemacht?“ Wir müssen beide lächeln, denn das kommt regelmäßig vor: Eins der Kinder schnappt nur den Rest einer Unterhaltung auf und möchte wissen, worum es ging. Wir erklären kurz, über wen und was wir gesprochen haben – zu kurz aus Kinder-Sicht: „Äh, warum, wie jetzt?“ Letztlich endet es damit, dass wir nach und nach alles wiederholen. Meist ist es nicht geheim, worüber wir sprechen, für die Kinder jedoch belanglos. Aber das wissen sie ja vorher nicht! Unser ehrliches „Es ist nicht so wichtig!“ verstärkt deshalb nur die Neugier. Erst nachher, wenn `wer – was – wie – was – wo?´ befriedigend geklärt ist, verfliegt ihr Interesse sehr zügig. Aber dann haben wir schon deutlich länger über etwas gesprochen, was von Anfang an nicht besonders wichtig war.

(Un-)angenehm

Meine Rücken- und Schulter-Muskeln sind oft verspannt. Normalerweise dehne und bewege ich mich viel, mache regelmäßig Pilates und steuere erfolgreich gegen Verspannungen. In den letzten beiden Wochen war ich diesbezüglich nachlässig und spüre eine gewisse Festigkeit. Mein Mann sieht mir das offenbar an und massiert meine Schultern – es ist schmerzhaft und wohltuend zugleich: Ich winde mich unter seinen Händen und weiß doch genau, dass diese Massage mir gut tut. Sie ist im Moment (kurzfristig) unangenehm und in der Wirkung (langfristig) angenehm. Ich glaube, dass das für so viel mehr gilt als nur für Massagen: zum Beispiel wenn man sich körperlich oder geistig anstrengt; im Verzicht; beim Renovieren; in konfrontativen Gesprächen … 

Wohltuend, schön und nützlich

Der besondere Gruß einer Freundin war wohltuend (ermutigende Worte), schön (ein Sträußchen) und nützlich (Schoko-Leckereien). Auf der beiliegenden Karte stand – passend – ein Satz von Victor Hugo: „Das Schöne ist ebenso nützlich wie das Nützliche. Mehr noch vielleicht.“

Zwar sind die Blüten der Narzissen und Perl-Hyazinthen inzwischen verwelkt und die Süßigkeiten aufgegessen. Aber jetzt öffnen sich die Knospen an den Pfirsichzweigen: Das Schöne ist dauerhafter als das Nützliche – und die wohltuenden Worte bleiben noch viel länger in meinem Herzen!

Die Bibel

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“
Matthäus 4, 4

Nicht an jede Mahlzeit in meinem Leben erinnere ich mich. Aber egal, ob gesunde und weniger gesunde Lebensmittel, zu viel oder zu wenig, in Eile oder in Ruhe verzehrt – alles nährt und formt meinen Körper, ohne dass ich konkret verstehe wie. Ebenso wird meine Seele beeinflusst von dem, was ich meinem Geist zuführe: Nichts lese ich schon so lange und so regelmäßig wie die Bibel. Trotzdem kenne ich nur wenig Bibelverse auswendig; ich kann sie mir einfach nicht merken. Und doch nährt und formt mich Gottes Wort, ohne dass ich konkret verstehe wie: Es lebt – und verändert meine Gedanken und mein Gewissen; es hat Kraft – und stärkt mein Bewusstsein für Gut und Böse; es ist klar – und hilft mir, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Und das wird bis an mein Lebensende so weitergehen.

„Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwer, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“
Hebräer 4, 12

Nicht nur ein Auftrag

Ich habe einen Schreib-Auftrag, der eine Chance und gleichzeitig herausfordernd ist. Ich weiß: Wenn ich erfolgreich bin, entsteht ein ansprechendes Magazin und folgen (vielleicht) weitere Aufträge. Beides motiviert mich – aber das ist nicht alles. `Nebenbei´ werde ich lernen:

– mich besser zu strukturieren,
– klarer zu formulieren, was ich leisten kann (und will) und was nicht,
– eine feste Arbeitszeit in meinem Hausfrau- und Mutter-Rhythmus zu etablieren,
– meine eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen und
– selbstbewusster zu sein (auch, was den Wert meiner Arbeit angeht).

All das wird zwar nicht so greifbar sein wie das fertige Produkt oder ein neuer Auftrag, für mich persönlich aber bedeutsamer – und letztlich mehr wert.

Widersinnig

Es ist wunderbares Wetter: Die Luft ist kühl und frisch, der Himmel wolkenlos, die Sonne wärmt schon. Ich radele nach Haus und atme tief durch – es riecht nach Frühling. Auf dem (ansonsten menschenleeren) Bürgersteig laufen zwei Frauen, sie tragen FFP2-Masken. Zwar sehe ich des öfteren draußen Menschen mit Maske, aber ich gewöhne mich nicht daran. Es erscheint mir so widersinnig: Wieso inhaliert jemand lieber seinen eigenen verbrauchten Atem, als klare, frische Luft in die Lunge strömen zu lassen? Auf die Gefahr hin, dass ich mich stur anhöre (oder gar widersinnig): Selbst wenn es eine verlässliche Studie gäbe für den Schutz vor Covid-19 durch Masken im Freien – ich würde sie geflissentlich ignorieren.

Alles neu = alles schick?

Eine Freundin hat eine neue Küche bekommen. Kurz nach dem Einbau schreibt sie: „Die Liste der sichtbaren Mängel umfasst inzwischen zwölf Spiegelstriche, aber der Raum ist jetzt viel heller und wir freuen uns trotzdem.“

Auch meiner Erfahrung nach sind Veränderungen selten unproblematisch und nur wunderbar. Dennoch tut es mir leid, dass die Wohnungsverschönerung meiner Freundin umgehend Mängel aufweist. Aus Anteilnahme schicke ich ihr zwei Geschirrhandtücher mit Motiven einer englischen Künstlerin – und schlage vor, mit diesen einige Mängel zu verdecken. Andere wird sie ertragen müssen. Dennoch ist die neue Küche heller, sind die Möbel praktischer aufgeteilt, kann meine Freundin sich freuen daran.

So ist es im Leben auch, denke ich: Einige Probleme kann man beheben, Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, persönliche Macken überwinden und sich selbst (teilweise!) einen `neuen Anstrich verpassen´. Anderes wird bleiben, wie es ist – mängelbehaftet. Damit muss man leben und kann das auch. Was nicht geht, ist, so zu tun, als wäre alles makellos. Es ist verlogen und kraftraubend, seinem Umfeld zu vermitteln, man hätte alles im Griff, sei unfehlbar und immer erfolgreich. Und es hindert einen daran, man selbst zu sein und das Leben zu genießen trotz aller Unvollkommenheit.

Wunderbares Hören

„Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“
Psalm 139, 14

Im Wald höre ich oft einen Specht, sehe ihn aber selten. Das klopfende Geräusch ist typisch, es klingt immer ähnlich – sogar die Anzahl der Klopfer scheint immer dieselbe zu sein. An sonnigen Tagen fällt mir auf, dass ich mehr höre als sonst: Es hallt ein wenig nach, die einzelnen Klopfer sind klarer. Ich schätze, die messbare Lautstärke verändert sich kaum; aber mein Ohr nimmt dennoch Unterschiede wahr: Hören ist nicht nur eine Frage der Lautstärke.

Bei meinem Spaziergang höre ich nicht nur den Specht, sondern zwitschernde Vögel, einen Trecker und aus der Ferne Autolärm. Ich könnte mit geschlossenen Augen orten, wo welches Geräusch herkommt. Mein eigenes Atmen ist mir am Nächsten; aber das höre ich schon gar nicht mehr: Mein Gehirn blendet mal das eine, mal das andere Geräusch aus – je nachdem, was ich hören will. Es ist erstaunlich, was menschliche Sinnesorgane leisten. In Gesprächen `höre´ ich sogar, was nicht gesagt wird: Traurigkeit, Unsicherheit, Wut, Angst, aber auch Erstaunen, Freude, Begeisterung – und manchmal, wenn jemand lügt: Hören ist nicht nur eine Frage der Lautstärke.

Am Ende ihres Lebens hörte meine Oma schlecht, benutzte aber nur ungern ihr Hörgerät. Das verstärkte zwar alle Geräusche, machte aber auch Nuancierungen kaputt: Hören ist nicht nur …