Spott

Spätestens seit Charlie Hebdo wissen wir, dass Pressefreiheit ein hohes Gut ist. Wir sind uns einig, welche Reaktionen inakzeptabel sind als Antwort auf Spott – egal, wie sehr es mich kränkt, wenn jemand über mich lächelt. Ebenso wissen wir seit Charlie Hebdo: Es ist eine Frage vieler (sehr individueller) Faktoren, ob ich etwas als scherzhaften Spott belächle oder als demütigend wahrnehme. Die Spott-Kolumne in unserer Tageszeitung lese ich daher bemüht groß- und gleichmütig – meistens.

Kürzlich drehte es sich in dieser Kolumne um Gott: Eine Frau hatte öffentlich gebetet, dass wir nicht eine Stadt werden, „die Weltmeister im Testen und Impfen ist, sondern eine Stadt, die ihr Vertrauen wieder in dich, den Herrn der Welt setzt“. Spöttisch bemerkte der Autor, dieser Gott sei einer, der sein Volk nach dem Auszug aus Ägypten „auf eine harte, 40-jährige Wanderschaft durch die Wüste … führte“. So stehe es zumindest im Buch Exodus. Ein „hartes Schicksal“ sei das; und genau diesen Gott um Hilfe zu bitten, sei daher „ganz schön absurd“.

Er schreibt noch mehr, dieser Autor, aber ich kann schon über diesen Teil nicht lächeln. In demselben Buch Exodus steht nämlich, dass genau dieser Gott sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreite – diese war ein hartes Schicksal. Während der 40 Jahre in der Wüste bewahrte derselbe Gott die Israeliten vor Hunger und Durst. Das ist aus meiner Sicht sehr eindrucksvoll und fürsorglich. Gott wäre nicht Gott, wenn er immer täte, was ich verstehe und mir gefällt. Gott ist Gott, weil er souverän handelt, den Überblick behält – und weil ihm alles möglich ist. Noch dazu ist er barmherzig und voller Liebe. Wenn ich das glaube, kann ich ihm vertrauen.

„Absurd“ ist Gottvertrauen nicht, es ist ein Glaubensschritt, der auch Gläubigen nicht immer gleich leicht fällt. Darüber kann man sich lustig machen, klar. (Das hat der Pharao von Ägypten übrigens auch getan.) Die Israeliten erlebten damals, dass ihr Gottvertrauen tragfähiger war als das Vertrauen der Ägypter in die eigene (sehr menschliche) Überlegenheit. Auch ich entscheide mich in letzter Instanz für Gottvertrauen. Hier und heute unterdrückt mich niemand, wenn ich das tue – ich werde höchstens in der Spott-Kolumne der Tageszeitung dafür belächelt…

Was geht – und was nicht

„Mama! Gut, dass ich das Mikro ausgeschaltet hatte. Du kannst doch hier nicht einfach reinkommen und so etwas sagen!“ Mein Sohn sieht mich halb entrüstet an – und kann sich sein Lächeln doch nicht ganz verkneifen. Ich komme mir vor wie nach einer Woche Klassenfahrt am Parkplatz. Vorher wurde ich als Mutter genau instruiert, was beim Abholen geht und was nicht: Eine herzliche Umarmung war ebenso ein No-Go wie „mein Süßer“ oder ähnliche verbale Ausrutscher.

Umarmen in der Öffentlichkeit geht schon längst wieder – mein Sohn ist 19. Aber ein zärtliches „na, mein lieber Erstgeborener“ vor den Ohren der digitalen Community – das geht noch immer nicht.

Ostern ohne Ostereier

Es ist Ostern, und bei uns findet sich kein einziges buntes Ei: Ich habe die Dekoration dieses Jahr im Keller gelassen und werde die Schoko-Eier meines Lieblings-Schokoladen-Fabrikanten erst nächste Woche kaufen. Dafür habe ich diese Woche viel über „Ostern“ nachgedacht und in der Bibel gelesen:

Jesaja schreibt über Jesus, den Sohn Gottes: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.“ (Jesaja 53, 3) SOLCHER Verachtung bin ich noch nie begegnet; ich kann sie mir nicht wirklich vorstellen. Sie ist eine schreckliche Perspektive – und wird auch für Jesus nur annehmbar mit einem Ziel: „Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53, 5)

Jesus wusste, was ihn erwartete – verlassen zu werden von Menschen und Gott. Trotzdem entschied er sich freiwillig dafür: „Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (Markus 14, 36) Wie leicht wir das lesen – als hätten wir Erfahrung mit „Kelchen“, die jemand „von uns nehmen“ möge: Für uns hieße das, nicht in die „falsche“ Mannschaft gewählt zu werden, auf einem Fest einen anstrengenden Gesprächspartner schnell wieder loszuwerden oder um die Aufgabe herumzukommen, die – nicht umsonst – niemand übernehmen will. Die Wahrheit ist: Wir haben keine Ahnung von Kelchen!

Jesus sagte also Ja – und schon ging es los: Im Moment der Anklage nahmen die Jünger Abstand: „Da verließen ihn alle und flohen.“ (Markus 14, 50)
Bei der Kreuzigung war Jesus vollkommen allein: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ (Markus 15, 34b)
Und erst während seines Todes wurde Jesus als der erkannt, der er wirklich war: „Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied, sprach: `Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen.´“ (Markus 15, 39b)

Ist damit alles zu Ende? Nein: Jesus blieb weder tot noch im Grab: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ (Lukas 24, 5+6) Deshalb können wir noch heute Jesus nah sein – wenn auch anders als unmittelbar körperlich: „Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ (Johannes 14, 19)

Es ist Ostern, und bei uns findet sich kein einziges buntes Ei. Stattdessen „sehe“ ich Jesus und freue mich darüber, dass er lebt.

Unsterblich und unendlich?

„Künstler gehören zu den wenigen Menschen, die es schaffen können, wirklich unsterblich zu sein und unendlich zu strahlen…“, lese ich in einem Artikel – und es ist völlig egal, um welchen Künstler es geht: So ein großartiger Satz, denke ich, aber er ist nicht wahr.

Ich scheine eine andere Idee von „wirklich unsterblich“ und „unendlich“ zu haben als die Autorin. Selbst Künstler wie Bach, Beethoven, Goethe, da Vinci oder Michelangelo sind wirklich mausetot – auch wenn ihre Werke tatsächlich heute noch gehört, gelesen oder bestaunt werden (zumindest in unserem Kulturkreis). Ob das in weiteren hundert Jahren noch so sein wird, weiß keiner. Es ist möglich – aber unendlich? Das bezweifle ich.

Lesen – theoretisch und praktisch

Leseanfänger setzen mühselig Buchstaben zusammen und staunen am Ende jeden Wortes über das Ergebnis.

Geschultere Jung-Leser kommen mit bekannten Texten hervorragend, mit unbekannten gut zurecht.

Auf der nächsten Stufe klingt das Gelesene nicht nur flüssig und verständlich, sondern wird auch angemessen betont.

Oben auf dem Lese-Thron sitzt der Vielleser. Er kann Worte selbst dann noch lesen, wenn die Reihenfolge der Buchstaben nicht mehr stimmt oder sie teilweise durch Zahlen ersetzt werden.

Aber egal, wie gut es geht: Lesen entführt uns in andere Welten, erfreut unsere Seele, schult unseren Geist und macht uns glücklich.

Täglich

Täglich eine Stunde spazieren gehen – wer kann das schon? Ich, meistens. Aber – wer will das schon? Wieder ich, meistens.

Das sind glückliche Umstände, fast täglich; damit kann ich sehr gut leben.