Nicht präsent

Ich laufe am frühen Abend durch unsere Siedlung. Vor mir geht – ein bisschen langsamer als ich – ein junger Mann und telefoniert laut. Als ich ihn fast erreicht habe, dreht er sich um und zuckt zusammen: „Jetzt habe ich mich aber erschrocken“, sagt er und spricht im nächsten Moment wieder mit seinem Telefonpartner. Ich entschuldige mich und gehe vorbei. Der Mann konnte mich offensichtlich weder hören noch aus dem Augenwinkel sehen. Denn: Er war zwar da, aber wirklich präsent war er nicht.

Fußballer und Freizeit-Kicker

„Ich kicke nicht“, bekräftigte vor einigen Monaten einer meiner Fußball spielenden Söhne. Zwar ist er kein Profi, aber ein reiner Freizeit-Kicker ist er eben auch nicht. Das darf sich auch in der Wortwahl widerspiegeln. Nur, wenn er unter seinesgleichen ist, sind Wörter wie „kicken“, „bolzen“ oder „buffen“ angemessen.

Es besteht ein Unterschied zwischen einem Garten-Kick und einem richtigen Fußball-Spiel – das weiß ich. Dass Spieler höherer Spielklassen einen solchen Wert auf die richtige Bezeichnung legen, weiß ich erst, seit eins meiner Kinder dazu gehört.

Einige Vereine tragen sogar den Begriff „Kickers“ in ihrem Namen – und spielen Fußball auf Liga-Niveau. Aber das scheint etwas anderes zu sein. Mir erschließt sich diese Logik nicht. Aber etwas weiß ich: Sämtliche Sport-Vereine sind seit Monaten zur Pause verdonnert; auch Fußball liegt brach. DAS muss sich auswirken auf das Vermögen, der nicht professionellen, aber ambitionierten Spieler. Vielleicht hinterlässt diese Vollbremsung bei den talentierten jungen Menschen auch Spuren hinsichtlich ihres mentalen Engagements: Wenn sie endlich wieder spielen dürfen, wird es ihnen egal sein, wie Außenstehende nennen, was sie tun. Hauptsache kicken!

Angepasst

Zugvögel verlassen uns nicht mehr für mehrere Monate, sondern häufig nur für wenige Wochen. Sie sammeln sich lange, fliegen kurz weg und kommen rasch wieder zurück – oder durchziehen unsere Gegend. Wissenschaftler machen unter anderem langfristige Klimaveränderungen (Stichwort: globale Erwärmung) dafür verantwortlich, dass die Zugvögel sich in ihrem Verhalten angepasst haben: Wenn die Tiere im Winter durchgehend genug Nahrung finden, müssen sie nicht zwingend lange Reisen unternehmen.

Sogar in meiner vergleichsweise kurzen Erinnerung waren die Monate November bis Februar früher verlässlich kälter und schneereicher – auch in Norddeutschland. Heute haben unsere Winter eher den Charakter eines empfindlich kalten Herbstes. Dieses Jahr allerdings herrschen Ende Januar tatsächlich Minusgrade, die Landschaft ist mit Schnee bedeckt. Das haben die vorüberfliegenden Kraniche sicherlich anders erwartet. Ich wüsste gern, wie sie sich in ihrem Verhalten anpassen an derart kurzfristige Klima-Ausrutscher (echte winterliche Temperaturen mit Schnee).

Sinusfunktion

Donnerstags mache ich meinen wöchentlichen Großeinkauf. An zwei anderen Tagen der Woche kaufe ich „Kleinigkeiten“ nach – die wahrscheinlich ausreichen würden, eine Kleinfamilie satt zu machen. Daher ist unser Kühlschrank mittwochs ziemlich leer und donnerstags gut gefüllt. Damit einhergehend verändert sich unser Essverhalten wie eine Sinusfunktion – von „aus dem Vollen schöpfen“ zu „Hauptsache essbar“ und zurück.

Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass die Kurve nie abreißt: Die Menge der Einkäufe passt zur Anzahl der Essenden (aufgrund von Corona sehr statisch) und zu deren Nahrungsbedarf im Verlauf einer Woche. Zur Bewältigung spontan auftretenden großen Hungers können wir zurückgreifen auf haltbare Vorräte im Keller oder wir backen einen Kuchen. Weil ich uns kenne und gut plane, stehen wir nur selten „ohne Essbares“ da. Wie gut! Nun ja …: Die Kinder hätten ab und zu nichts gegen eine aus dem Ruder laufende Sinusfunktion. Sie würden diese sehr gern ausgleichen – durch Ausflüge in einschlägige Fast-Food-Restaurants.